Das war der 19. ÖGB-Bundeskongress

TeilnehmerInnen und Delegierte der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB haben ihre Eindrücke vom 19. ÖGB-Bundeskongress niedergeschrieben. Mario Lechner, von der KIV/UG und UG-Landessprecher in Vorarlberg sowie Beate Neunteufel-Zechner und Manfred Walter von der UGöD.

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Mario Lechner: Der Weg ist noch nicht sichtbar.

Große Einigkeit besteht im ÖGB darüber, dass Programm und Ankündigungen der Bundesregierung nichts Gutes für uns Arbeitnehmer/innen und ihre Interessenvertretungen bedeuten. Entsprechend deutlich wurde beim ÖGB-Bundeskongress auch einhellig die ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht.
Uneinigkeit besteht aber bei der Frage, wie sich die Gewerkschaftsbewegung gegen die Angriffe der Bundesregierung zur Wehr setzen soll. Das kommt weniger zum Ausdruck, hat aber zur Folge, dass bislang viel zu wenig bis gar nichts passiert, was die Bezeichnung „Widerstand“ verdienen könnte.

Manche – insbesondere in der ÖVP-nahen FCG (Christgewerkschafter/innen) – glauben, dass sie ihre (vermeintlich) guten Kontakte in Regierungskreise nützen können, um Verschlechterungen zu verhin-dern und oder zumindest das Schlimmste abzufedern. Andere, insbesondere traditionelle FSG-ler/innen bedauern jene Entwicklungen, die auf eine Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch die Arbeitgeberseite hindeuten, erkennen aber die Tragweite dieser Entwicklungen nicht und hoffen, möglichst bald wieder an den Verhandlungstisch eingeladen zu werden. Wieder andere würden sich zwar widerständigen Protest bis hin zu Streiks wünschen, trauen sich das selbst und ihren Kolleg/innen aber nicht zu. Sie befürchten, dass sich ad hoc nur relativ wenige Werktätige für Demonstrationen und Kampfmaßnahmen mobilisieren ließen.  Vom Spruch „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ kennen manche nur den ersten Teil und denken: „Wer kämpft, kann verlieren. Also kämpfen wir lieber nicht.“
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Dennoch wird vor und beim Bundeskongress angekündigt, dass da schon noch etwas kommt. In Vorarlberg wurde mir erklärt, dass es Sonderzüge zu einer Großdemonstration in Wien geben werde. In Wien ist dann aber zu hören, dass nicht an Demonstrationen gedacht sei, sondern der Widerstand in den Betrieben erfolgen soll, also Betriebsversammlungen und vermutlich auch Streiks.

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In Vorarlberg dient die Entfernung zu Wien vielleicht als Ausrede, um hier nichts wagen zu müssen. „Wenn wir hier eine Demo machen, wen interessiert das schon. Die Regierung sitzt in Wien, also müs-sen wir dort demonstrieren“ … und können abwarten, bis es so weit ist?

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Es heißt auch immer wieder, dass das Pulver nicht zu früh verschossen werden darf. Zunächst müsse es für die Betroffenen spürbar werden, was auf uns alle zukommt. Erst dann würden sie sich an Pro-testmaßnahmen beteiligen. Sollen wir also abwarten, bis die Spontanität der revolutionären Massen alles zum Guten wendet?

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In zwei Initiativanträgen werden ein bundesweiter, dezentraler Aktionstag im Herbst bzw. sofortige Protest- und Widerstandsmaßnahmen gefordert. Beide Anträge werden ausreichend unterstützt, um zugelassen zu werden – ein gutes Zeichen – dann aber dem Vorstand zugewiesen. Begründung: Wir dürfen dem Gegner nicht zu früh mitteilen, was wir vorhaben. Ja, die interessieren sich sicherlich dafür, was der ÖGB vorhat. Wir aber auch!
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Der ÖGB ist seit Jahrzehnten eine klassische Business-Union, also eine Gewerkschaft, die sich weniger als Kampforganisation, sondern mehr als Versicherungsunternehmen versteht. Die Versicherten – also die Mitglieder – zahlen ihre Beiträge. Die hauptamtlichen Versicherungsvertreter/innen – also Gewerkschaftssekretär/innen und – freigestellte – Spitzenfunktionär/innen – kümmern sich um alles andere. Sich ehrenamtlich für seine Haushalts- oder Haftpflichtversicherung zu engagieren, ist eine absurde Vorstellung. Ähnlich weit weg ist für die meisten Mitglieder und Funktionär/innen der Gedanke, gemeinsam an der Basis der Gewerkschaftsbewegung Widerstand zu organisieren und durch solidarisches, gemeinsames Handeln, Verschlechterungen zu verhindern und Verbesserungen zu erkämpfen. Genau das ist jetzt aber notwendig. Ganz unabhängig davon ob und was der ÖGB-Vorstand beschließt.

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Beate Neunteufel-Zechner: Wir gestalten mit

Ich erlebte diesen Kongress in seiner Gesamtheit als den lebendigsten der drei Kongresse, an denen ich bisher teilnehmen durfte.

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Schon die UG-Bundeskonferenz war eine schwungvolle Veranstaltung, in der reger Austausch über die heißen Themen in verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt stattfinden konnte, in denen Unabhängige mitarbeiten in der Interessenvertretung. Für die UG-Frauen wollen wir noch diesen Sommer unsere Strukturen untersuchen und Vorschläge erarbeiten, damit Frauenförderung bis zur Gleichstellung in der Arbeits- und Lebenswelt einfach und effizient stattfinden kann.

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Den ÖGB-Bundeskongress erlebte ich als sorgfältig und gut vorbereitete Veranstaltung, die unter genauer Beobachtung von außen stand. Gut vorbereitete TeilnehmerInnen informierten laufend und so fanden einige schwierige Themen Interesse in der Öffentlichkeit. Dass aktionistische Auftritte nicht fehlten, als die Sozialministerin den Kongress „besuchte“, zeigt, dass wir auf Widerstand bereits gut eingestellt sind.
Die Herausforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt wurden konkretisiert und einige der Forderungen im Leitantrag weisen schon darauf hin, dass wir noch viel Energie und gute Ideen brauchen werden, um unsere KollegInnen informieren und zum Engagement in der Gestaltung einer neuen Arbeitswelt einladen zu können.

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Den Leitantrag des ÖGB konnten wir als Unabhängige GewerkschafterInnen in einigen Punkten mitgestalten – z.B. der ÖGB lehnt ebenso entschieden wie wir die Verankerung eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes im Verfassungsrang ab.

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Dem scheidenden Präsidenten des ÖGB, Erich Foglar, möchte ich das Lob aussprechen, dass er in seiner Funktion sehr qualitätsvolle Arbeit in den ÖGB-Gremien ermöglichte, so dass wir einen wirklich mutigen und ermutigenden Leitantrag mit vielen ambitionierten Forderungen beschließen konnten. Ich denke, damit sind wir auch auf den notwendigen Widerstand gegen diverse Regierungsvorhaben, die gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen schon in Planung sind, gut vorbereitet.

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Jetzt wird es darum gehen, dass wir unsere KollegInnen in den Betrieben ebenso ermutigen, dass sie auf von den Gewerkschaften gut verhandelte Rechte nicht verzichten und den Willen zur Mitgestaltung ihrer künftigen Arbeitswelt zeigen. Setzen wir uns gemeinsam ein für den Erhalt und für einen weiterhin kraftvollen Einsatz der Sozialpartnerschaft in Österreich!

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Manfred Walter: Von Trojanischen Pferden und qualifizierten Kampfmaßnahmen

Eigentlich wollte ich ja über Menschliches, Skurriles, Amüsantes vom ÖGB Kongress berichten. Zum Beispiel, dass der Wolfgang Katzian, kaum war er Präsident, gleich mal einen Kameramenschen übern Haufen grennt hat. Oder dass da eine gewisse Vera K., ein gewisser Armin K. und ein gewisser Manfred W. den ganzen Kongress hindurch durch unqualifiziertes Gekudere und Gekichere aufgefallen sind. Oder auch, dass sich der Präsident des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Hurra in den wohl schlimmsten Fettnapf geschmissen hat, den man unter einem Haufen GewerkschafterInnen in Wien nur finden kann. Fussballwitzerl in Verbindung mit Austria und Rapid macht man da nicht, da kann man NUR verlieren.
Jedoch sind zwei Dinge passiert im Laufe des Kongresses, die mir die gute Laune wieder gründlich verdorben haben. Da war zum Einen die Neudefinition vom „Trojanischen Pferd“. Da waren zwei Herren am Kongress, die sich selbst der sozialen Heimatpartei zurechnen. Die sich auch noch Arbeitnehmervertreter nennen (Innen werden dort nicht einmal mitgedacht). Die hatten nix besseres zu tun, als aus dem Kongress mit unqualifizierten Presseaussendungen herumzuwerfen. Einen inhaltlichen Beitrag hab ich schmerzlich vermisst. Oder, dass einer der beiden, sich selbst einen Ruck gibt, zum RednerInnenpult geht und dort seinen Unmut bekannt gibt. Nein, da haben die Cojones gefehlt. Aber fest motzen mit OTSen. (1)

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Und zum Anderen: just in dem Moment, in dem der neue Präsident sein, wahrlich nicht leichtes Amt antrat, gab die Regierungsspitze bekannt, sich auf die Ausweitung der Arbeitszeit geeinigt zu haben. Nicht einmal die Regierung Schüssel hat die VertreterInnen der SozialpartnerInnenschaft dermaßen vor den Kopf gestoßen, ihnen gezeigt was sie von ArbeitnehmerInnenvertreterInnen halten. Jetzt ist es an der Zeit, das umzusetzen, was Katzian in einem Statement gesagt hat: “Unqualifizierte Kampfmaßnahmen…(Kunstpause)….OIDA?……die wissen noch gar nicht was das heißt, wenn wir qualifiziert kämpfen! Oisdann, gemmas an, zeigen wir der Regierung, WIE wir kämpfen können! Glück auf!
Manfred Walter ist stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrates des allgemeinen Personals an der Johannes Kepler Universität, Mitglied der Bundesvertretung 16 der GÖD, Mitglied der Bundeskonferenz der GÖD, Mitglied der Bundesleitung der UGÖD und Sprecher der Initiative „Heimat ohne Hass“
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(1) Die Freiheitlichen Arbeitnehmer zeigten ihr Demokratieverständnis indem sie in einer Presseaussendung die Proteste gegen die sozialpolitischen Kürzungen bei der Rede der Sozialministerium als von „linken Extremisten“ abwerteten.

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