Schwarz-Blau will Mitbestimmung beschneiden


Bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit haben die schwarz-blauen Regierungspläne zur Beschneidung der betrieblichen Mitbestimmung bekommen. Die haben es allerdings in sich. FPÖ und ÖVP wollen nicht nur die Jugendvertrauensräte abschaffen, unter dem Titel der Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten sollen auch die Betriebsratskörperschaften gesetzlich zusammengeführt bzw. gelegt – im Programm steht „angeglichen“ werden.  Das droht die Mitbestimmungsmöglichkeiten der ArbeitnehmerInnen empfindlich einzuschränken.

Warum?

Derzeit haben ArbeiterInnen und Angestellte getrennte Betriebsratskörperschaften. Und bereits heute besteht schon die Möglichkeit, einen gemeinsamen Betriebsrat einzurichten, wenn die Belegschaft – Angestellte wie ArbeiterInnen – das wollen. Eine gemeinsamer Betriebsrat können in kleineren Betrieben z.B. Sinn machen, um rascher eine Freistellung für einen Betriebsrat zu erreichen.

Z.B.: Eine Freistellung für einen Betriebsrat gibt es ab 150 Beschäftigten. Im Falle getrennter Betriebsräte bei einer Beschäftigtenzahl von 100 Angestellten und 80 Arbeitern würde es keine Freistellung geben. Bei einem gemeinsamer Betriebsrat mit entsprechend 180 Beschäftigten insgesamt gäbe es eine Freistellung.

Die Mandatszahl der Betriebsratskörperschaft – also für den jeweiligen ArbeiterInnen- und/oder Angestelltenbetriebsrat – ergibt sich aus der Zahl der jeweiligen Beschäftigten – ArbeiterInnen und/oder Angestellte.

Ein Betriebsrat für 52 Angestellte hat z.B. 4 Betriebsratsmitglieder, ein ArbeiterInnenbetriebsrat der 250 ArbeiterInnen vertritt 6 Betriebsratsmitglieder.

Derzeit ist die Mandatszahl so gestaltet, dass mit zunehmender Beschäftigtenzahl die Sprünge für ein zusätzliches Betriebsratsmandat immer größer werden.

Während z.B. der Sprung von einem auf zwei BR-Mandate nur fünf Beschäftigte ausmacht, liegt dieser vom 5. auf das 6. Mandat schon bei 100 Beschäftigten. D.h.: ein Betrieb mit 101 Beschäftigten verfügt über 5 Betriebsräte, ein Betrieb mit 201 Beschäftigten hat nur einen Betriebsrat zusätzlich. Ab 1.000 Beschäftigten liegt der Sprung überhaupt bei 400 zusätzlichen MitarbeiterInnen, die es auf das nächste Mandat braucht.

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Protest der GPA-djp Jugend anlässlich der von FPÖ und ÖVP geplanten Abschaffung der Jugendvertrauensräte – der betrieblichen Interessensvertretung von Jugendlichen und Lehrlingen.

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Was bedeutet das nun für die einzelnen Betriebsratskörperschaften? Und was bedeutet das im Falle einer gesetzlich – und nicht freiwillig, durch Beschluss der Belegschaften – verordneten Zusammenlegung der Betriebsratskörperschaften.

Die GPA-djp rechnet das in einem Beispiel vor:

In einem Betrieb arbeiten 60 Angestellte und 55 ArbeiterInnen, insgesamt also 115 Beschäftigte. Es gibt getrennte Betriebsräte – also einen ArbeiterInnen und einen Angestellten Betriebsrat. Der ArbeiterInnenbetriebsrat verfügt nach derzeitiger Gesetzeslage über 4 Mandate, ebenso der Angestelltenbetriebsrat.

Würden die Betriebsräte nun zusammengelegt würde es bei geltender Gesetzeslage nur noch 5 Mandate geben, statt bislang 8. Mehr als ein Drittel der BR-Mandate gingen in diesem Fall verloren! Das würde die betriebliche Mitbestimmung natürlich deutlich erschweren und einschränken, wäre doch die Vertretungsarbeit auf weniger Köpfe verteilt.

Eine verpflichtende gesetzliche Zusammenlegung, wie sie aus dem Regierungsprogramm herausgelesen werden kann, ist daher sowohl aus einer gewerkschaftlichen, als auch demokratiepolitischen Sicht nur dann akzeptiert werden, wenn sicher gestellt ist, dass auch bei Zusammenführung die Anzahl an Betriebsratsmandaten in jenem Umfang erhalten bleibt, wie sie bei getrennten Betriebsräten gegeben war. Inklusive der bisher geltenden Regelungen zu Freistellungen. Das würde bedeuten, dass die Staffelung (Anzahl BR je Beschäftigte) neue geregelt werden müsste.

Tatsächlich müsste die betriebliche Mitbestimmung ausgeweitet werden (niedrigere Beschäftigtenzahl für Freistellungen, geringere Sprünge für zusätzliche BR-Mandate bei hohen Beschäftigtenzahlen, Kündigungsschutz und Bildungsfreistellungen auch für Ersatz-BetriebsrätInnen, neue Formen der betrieblichen Interessenvertretung wie Cluster- oder StandortbetriebsrätInnen usw.) – das ist allerdings von dieser Regierung definitiv nicht zu erwarten. In den nächsten Jahren gilt es dafür zu kämpfen, bestehende Mitbestimmungsrechte – betriebliche wie überbetriebliche – zu verteidigen und Perspektiven für weitere Demokratisierungsschritte in Betrieben und Arbeitswelt zu schaffen.

Einen umfassende Analyse über die schwarz-blauen Regierungspläne betreffend Betriebsräte, Gewerkschaften, Jugendvertrauensräte und AK gibt’s auf unserem Verteilungsgerechtigkeits-Blog, Beitrag Schwarz-Blaues Regierungsprogramm (II): Autoritärer Neoliberalismus.

 

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