Was ist „Hartz IV“?

„Hartz IV“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für tiefgreifende Arbeitsmarktreformen, die zu Beginn der 2000er Jahr in Deutschland durchgeführt wurden. Bekannteste Maßnahme ist die 2005 durchgeführt Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe – sie entsprach in etwa der Notstandshilfe mit der Sozialhilfe zum sogenannten Arbeitslosengeld II (ALG II) – vereinfacht als „Hartz IV“ bezeichnet. Als Hartz IV in Deutschland eingeführt wurde kam es zu monatelangen Protesten und Demonstrationen.

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Was macht nun Hartz IV aus?

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Arbeitslosengeld I bekommt man in Deutschland maximal für ein Jahr. Dann fällt man unter das Arbeitslosengeld II – also unter „Hartz IV“. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld ist Hartz IV aber keine Sozialversicherungsleistung – sie orientiert sich also nicht am zuletzt verdienten Einkommen – sondern eine Sozialleistung. Sie entspricht in der Höhe der „Sozialhilfe“. Als Hartz IV eingeführt wurde, mussten daher 57 Prozent der „alten“ ArbeitslosenhilfebezieherInnen finanzielle Verluste hinnehmen. Sie bekamen unter der neuen Hartz IV-Regelung rund ein Fünftel weniger Geld als zuvor. (Siehe Landeszentrale für Politisch Bildung Baden-Würtemberg, Kritik an Hartz IV)
Um Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV beziehen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es gilt eine Vermögensobergrenze: Wer Hartz IV beziehen will, dem steht nur ein bestimmter Vermögensgrundfreibetrag zu – 150 Euro pro Lebensjahr und Haushaltsmitglied. Eine Familie mit zwei rund 50jährigen Eltern und einem 15-jährigen Kind darf Ersparnisse bzw. Vermögen von rund 17.000 besitzen
  • Hausrat und Wohnung sind „Schonvermögen“ – auf sie darf also nicht zugegriffen werden, solange sie nicht zu groWas ist Hartz IV?ß sind.
  • Das Auto, dass man besitzt darf den Wert von 7.500 Euro nicht überschreiten

Mit der Umsetzung von Hartz IV untrennbar verbunden waren neben finanziellen Leistungskürzungen für Betroffene als Folge der Reform insbesondere auch die gelockerten Zumutbarkeitsbestimmungen: De facto muss jeder Job angenommen werden– auch unter Kollektivvertrag bezahlt („1 Euro Jobs“) und/oder geringfügig. Dabei wird auch keinerlei Rücksicht auf Qualifkation und Ausbildung genommen. Gewerkschaften befürchteten bei Umsetzung von Hartz IV daher einen steigenden Druck auf Löhne, insbesondere im unteren Einkommensbereich. Zusätzlich kritisierten ArbeitnehmerInnenvertreterungen der mit der Lockerung der Zumutbarkeitsbestimmungen verbundene Zwang zur Mobilität (gesamtes Bundesgebiet), der die Betroffenen aus der gewohnten Umgebung, aus Familien- und Freundeskreise reißt.

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Folgen von Hartz IV

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Die Befürchtungen bei Einführung von Hartz IV haben sich über weite Strecken bestätigt. Hartz IV hat in Deutschland nicht nur zu mehr Armut, sondern auch zu einer massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors geführt. Und: wer einmal Hartz IV bezieht, kommt kaum mehr raus.

Höchste Armutsgefährdung arbeitsloser Menschen in Europa

In Deutschland sind aufgrund der Hartz IV Gesetze 70,8 Prozent der Arbeitslosen armutsgefährdet. Das ist ein Spitzenwert in Europa und liegt deutlich über dem EU-Schnitt von 48,7 Prozent. 2006, also ein Jahr nachdem Hartz IV in Kraft trat, lag die Armutsgefährdung Arbeitsloser in Deutschland übrigens noch bei knapp 46 Prozent. In Österreich sind 47,3 Prozent der Arbeitslosen von Armut bedroht. Eine ebenfalls hoher Wert, aber deutlich unter jenem Deutschlands. (siehe auch Beitrag EU: Armutsrisiko Arbeitslosigkeit auf diesem Blog).

Grafik: eurostat

 

Größter Niedriglohnsektor der „alten“ EU-Staaten

Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor der „alten“, westeuropäischen EU-Staaten. Rund 22 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Deutschland arbeiten zu Niedriglöhnen. Im EU-Schnitt liegt der Anteil der NiedriglohnbezieherInnen bei rund 16 Prozent der ArbeitnehmerInnen, in Österreich sind 14,8 Prozent der unselbständig Beschäftigten im Niedriglohnbereich zu finden. Den geringsten Niedriglohnanteil in der EU hat Schweden – mit 2,6 Prozent der Beschäftigten.

Grafik: eurostat 2016, NiedriglohnempfängerInnen in den EU-Staaten 2014, in % der ArbeitnehmerInnen

Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

Hartz IV verfestigt Armut und Perspektivenlosigkeit

Hartz IV hat Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt. 70 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland beziehen Hartz IV. Der Verwertungszwang von Vermögen und Ersparnissen tut sein übriges dazu, dass die Betroffenen in Armut bleiben. Wer in Hartz IV landet, kommt nur  schwer heraus: nur 12 Prozent der Hartz IV-BezieherInnen gelingt der Sprung zurück in den ersten Arbeitsmarkt.
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Hartz IV ist kein nachahmenswertes Modell. Im Gegenteil: „Hartz IV“ ist längst ein Synonym für Sozialabbau, Niedriglöhne, Armut, Perspektivenlosigkeit und Stigmatisierung geworden. In Deutschland wird daher bereits ernsthaft über eine Ausstieg und eine Reform von Hartz IV diskutiert.
In Österreich will die schwarz-blaue Regierung dagegen Arbeitsmarktreformen nach dem Vorbild Hartz IV umsetzen. Hartz IV auf „österreichisch“ droht dabei noch härter zu werden, als sein deutschen Pendant. (Weiter zum Beitrag Was bedeutet Hartz IV auf österreichisch?)
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Und? Auch gegen Hartz IV auf österreichisch?
Auch dagegen, dass auf die Ersparnisse Arbeitsloser zugegriffen wird?
Dann sag’s der Ministerin!
Geht ganz einfach – Mit unserem Protestbrief!
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Linktipps:
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Warum Hartz IV alles andere als ein Erfolgsmodell ist, von Judith Pühringer und Josef Pürmayr auf A & W Blog
Hartz IV und das Hamsterrad von Erwerbsarbeitslosen und Beschäftigten, von Klaus Dörre auf A & W Blog
Hartz IV: Klassenkampf von oben, von Josef Wallner auf  A & W Blog
Was ist Hartz IV?, auf sozialhilfe.de
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Schwarz-Blaue Regierungspläne, Arbeitsmarkt:
Aktion 20.000: Murder at midnight, auf reflektive.at
Wenn Unternehmen Arbeitsmarktpolitik machen, auf reflektive.at
Schwarz-Blaue Arbeitsmarktpolitik (I): Bösartigkeiten jenseits von Hartz IV, auf arbeitszeitfairkuerzen.at
Schwarz-Blaue Arbeitsmarktpolitik (II): Geplanter Totalumbau, auf arbeitszeitfairkuerzen.at

Kommentar zu „Was ist „Hartz IV“?“

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