AK-Antrag gegen Stadtstraße und Lobautunnel abgelehnt


Unser Antrag „Gegen die Förderung von Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung – gegen die Stadtstraße und den Lobautunnel“ wurde bei der letzten Wiener AK-Vollversammlung am 5. Mai 2021 abgelehnt. Das zeigt einmal mehr, dass es  bei Fraktionen wie den FSG und den FCG-ÖAAB bei schönen Worten bleibt, wenn es um den Klimawandel geht.

Antrag „Gegen die Förderung von Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung – gegen die Stadtstraße und den Lobautunnel“

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt:
GA, GLB, Kom.: ja
Persp, FAIR, Türk-is: für Zuweisung
FSG, ÖAAB, FA, ARGE: nein

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

  • Die Arbeiterkammer Wien bekennt sich zur Klimahauptstadt Wien und fordert die Stadt Wien auf, umgehend die Pläne für die sogenannte „Stadtstraße“ und den Lobautunnel fallen zu lassen.
  • Die Arbeiterkammer Wien setzt sich im Namen der Arbeiternehmer*innen und Anrainer*innen gegen weitere Lärm-, Verkehr- und Feinstaubbelastung in Wien ein und stellt sich gegen den Bau der sogenannten „Stadtstraße“ und den Lobautunnel.
  • Die Arbeiterkammer Wien erarbeitet ein Konzept, wie man 460 Millionen für eine Joboffensive nutzen kann, die nachhaltige Jobs fördert, die die Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt.

Mitte April wurden im Mobilitätsausschuss des Gemeinderates der Stadt Wien die Mittel für die Stadtstraße, eine Verbindung zwischen dem Stadtentwicklungsgebiet Aspern und der Südosttangente, bewilligt. Damit hat die Stadtregierung ganze 460 Mio. € für den Bau der vierspurigen, autobahnähnlichen “Stadtstraße” in Aspern freigegeben. Neben vielen Stadtbewohner*innen, Anrainer*innen und Umwelt-NGOs meldeten sich auch viele Expert*innen und Wissenschafter*innen aus den Bereichen Verkehrs-, Klima- und Politikwissenschaften zu Wort.

Großteil der Wiener*innen ist umweltschonend mobil
60% der Wiener*innen fahren selten oder nie mit dem Auto. Das belegen Zahlen der Statistik Austria (Mikrozensus 2019). Wenn diese Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, steht ihnen aber nur ein Drittel der Verkehrsflächen in Wien zur Verfügung. Bislang gibt es keine angekündigten Maßnahmen, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
52,3% der Wiener*innen über 15 Jahren lenken höchstens einmal pro Monat ein Auto. Das sind über 820.000 Menschen, die im Alltag umweltschonend mobil sind: zu Fuß, mit dem Rad und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Hinzu kommen noch jene unter 15 Jahren, die kein Auto lenken dürfen. Das sind insgesamt 1,1 Millionen Menschen, deren Bedürfnisse hier ignoriert werden. 93,2% legen mehrmals pro Woche Wege zu Fuß zurück, 21,8% fahren täglich oder mehrmals wöchentlich mit dem Rad.

Leider bleiben auch Maßnahmen zur Stärkung der aktiven Fortbewegungsmittel trotz Budgeterhöhung aus. Die Stadtregierung stoppt laufende Umgestaltungen. Bereits akkordierte Projekte, wie die Praterstraße und die Reinprechtsdorfer Straße, wurden abgebrochen und vielen Bezirken werden Mittel zur Verkehrsberuhigung vorenthalten. Übrig bleibt ein Festhalten am autozentrierten Status Quo und kosmetische Begrünungsmaßnahmen. Die Zahlen der Statistik Austria belegen, dass mit dieser Politik an 60% der Wiener*innen vorbeiregiert wird.

Begrünung alleine reicht nicht, um die CO2-Emissionen zu reduzieren
Im Wahlkampf warb man noch mit großen Ankündigungen zum Radwege-Ausbau und im Koalitionsabkommen bekennt sich Rot-Pink zu einer fairen Neuverteilung des öffentlichen Raums. Man wolle Wien zur Klimamusterstadt machen. Bisher handelt es sich dabei nur um leere Worthülsen, zu denen keine konkreten Maßnahmen angekündigt wurden. Begrünung allein reicht nicht aus, um die CO2-Emissionen im Verkehr zu reduzieren.

Massive Kritik an sogenannter „Stadtstraße“ und Lobautunnel von Expert*innen
Allein schon die Bezeichnung als „Stadtstraße“ sei irreführend, sagt Hermann Knoflacher, emeritierter Professor am Institut für Verkehrswissenschaften (TU Wien). Tatsächlich handle es sich um „eine vom lebenden Organismus der Stadt weitestgehend getrennte vierspurige Fahrbahn“, wie er in einer Stellungnahme des Wissenschaftsnetzwerkes Diskurs ausführte. Schon in den 1970er-Jahren sei bei der geplanten Gürtelautobahn versucht worden, mit dem Begriff „Hochleistungsstraße“ die Bevölkerung zu „täuschen“. Nach deren Widerstand habe die sozialdemokratische Regierung 1972 das Vorhaben gestoppt. Laut Knoflacher „eine kluge und weitblickende Entscheidung für die Stadt Wien“.
Knoflacher übte in der jüngeren Vergangenheit auch immer wieder Kritik am geplanten Lobautunnel und plädiert stattdessen für eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Maßnahmen für den Rad- und Fußgängerverkehr.
Auch Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin an der TU Wien, sagt: „Es ist erschreckend, dass Politiker immer noch mit dem Versprechen der Verkehrsentlastung solche kontraproduktiven Megaprojekte forcieren. In der Fachwelt ist das Phänomen des ‚induzierten Verkehrs‘ längst bekannt: Mehr Straßen führen zu mehr Autoverkehr.“

Klimaziele werden gefährdet!
Die Auswirkungen der sogenannten “Stadtstraße“ auf das Klima wären verheerend. Helga Kromp-Kolb, emeritierte Professorin am Institut für Meteorologie und Klimatologie (Boku), verwies darauf, dass die übergeordnete Verkehrsplanung in Wien vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele erfolgt sei. „Bevor weitere Beschlüsse zur Umsetzung dieses Verkehrsplanes getroffen werden, sollte das gesamte Konzept auf seine Verträglichkeit mit den Klimazielen überprüft werden.“ Für Laa ist es verantwortungslos, „dass mitten in der globalen Klimakrise diese immensen Summen für den Bau von neuen Schnellstraßen in Wien – teilweise sogar in Naturschutzgebieten -aufgebracht werden sollen. Der Bau würde über Jahrzehnte hinweg zu einem höheren CO2-Ausstoß führen.
Politikwissenschaftler Mathias Krams von der Universität Wien ist davon überzeugt, dass die Stadtstraße nicht geeignet sei, um die in den Entwicklungsstrategien enthaltenen Ziele der Reduktion der Pkw-Pendlerinnen- und Pendler, der Verschiebung des Modalsplits und der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Vielmehr stehe sie diesen diametral dagegen.
Er mahnt: „Um die Ziele in den Stadtentwicklungsstrategien zu erreichen, muss stetiges Verkehrswachstum hinterfragt und diesem mit einem umfassenden nachhaltigen Mobilitätsmanagement entgegengewirkt werden – das Projekt der ‚Stadtstraße‘ Aspern setzt hier genau die falschen Anreize. Der Wiener Gemeinderat erweist sich damit auf dem Weg zur ‚Klimamusterstadt‘ einen schwer revidierbaren Bärendienst.

Das „Großprojekt aus Alt-Betonzeit“, wie Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS den Lobautunnel nennt, schade Natur und Wirtschaft, führe zu mehr statt zu weniger Verkehr und konterkariere das Klimaziel, Österreich bis 2040 CO2-neutral zu machen.

FWU, Bürger*inneninitiativen, VIRUS sowie der WWF fordern daher einen Planungsstopp und ein alternatives Paket für den öffentlichen Verkehr. Die Arbeiterkammer Wien schliesst sich an und ist bereit, an einem alternativen Plan mitzuarbeiten. Denn eines ist klar: Ein Konzept von 460 Millionen für eine Joboffensive, das nachhaltige Jobs fördert, die Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt bringt der Stadt Wien und ihren Arbeitnehmer*innen langfristig viel mehr, als eine weitere zubetonierte Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung.

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