AK-Wien Veranstaltung: Working poor – Wege aus der Armut sind Wege aus der Krise



Am 15. Dezember fand in der AK-Wien die Auftaktveranstaltung der Arbeiterkammer zum Europäischen Jahr der Armutsbekämpfung 2010 statt. Working Poor – also Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit in Armut leben – sind heute keine gesellschaftliche Randerscheinungen mehr. Der dramtische Anstieg schlecht abgesicherter und gering entlohnter Arbeitsverhältnisse stellt die Gesellschaft und die Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen vor ernorme Herausforderungen. In Impulsreferaten wurden dabei Ursachen dieser Entwicklung ebenso beleuchtet, wie politische Handlungsmöglichkeiten, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Neue Soziale Risken


Den ersten wissenschaftlichen Impuls lieferte Marcel Fink, Universitätsassistent und Politikwissenschafter wies vor allem darauf hin, dass die zunehmende Ausdifferenzierung von Risiken und Chancen am Arbeitsmarkt nicht konjunktureller – also die Folge krisenhafter Entwicklungen – sondern struktureller Natur ist. Die „Deindustrialisierung“ der Arbeitsmärkte – also die wachsende Bedeutung des Dienstleistungs- gegenüber dem Industriesektor – bringt Menschen mit geringer formaler Qualifikation immer schlechtere Erwerbs- und Beschäftigungschancen. Während früher industrielle Arbeitsmärkte häufig auch für niedrigqualifizierte ArbeitnehmerInnen relativ sichere, mit „armutsfesten“ Löhnen ausgestattete Beschäftigungschancen brachten, ist das im wachsenden Dienstleistungssektor nicht mehr so. Verstärkt werden die bekannten Problemlagen noch, wenn solche Beschäftigungsverhältnisse Teilzeitarbeitsplätze sind bzw. wenn mangelnde öffentliche Angebote – etwa für Kinderbetreuung und Pflege – lediglich Teilzeitarbeit erlauben.

Gleichzeitig weichen auch die beruflichen Ziele junger Menschen – nämlich ein sicherer Job, der gut bezahlt ist und ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht – von den Bedingungen flexibilisierter, postindustrieller Arbeitsmärkte deutlich ab.

In Österreich ist die Armutsgefährdung (Armutsgefährdungsschwelle: 60 % des auf Haushaltsebene gewichteten Medianeinkommens) bei Erwerbstätigen nach Sozialleistungen (z.B. Familienbeihilfe) und Haushaltstransfers (PartnerInneneinkommen) zwar relativ gering. Dennoch: in absoluten Zahlen handelt es sich bei Working Poor um eine vergleichsweise große Gruppe: rund 45.000 ganzjährig beschäftigte Frauen und ca. 75.000 so beschäftigte Männer sind „arm trotz Arbeit“. Diese Zahlen übersteigt die Anzal armutsgefährdeter Arbeitsloser bei weitem! (da. 39.000 Frauen und 51.000 Männer!)

Verläßt man/frau die Haushaltsebene und begibt sich auf die individuelle Ebene, so stellen sich die Zahlen noch deutlich höher dar: etwa 190.000 Frauen (davon 100.000 in Vollzeit) bezogen ein individuelles Nettoeinkommen (vor Transfers durch Sozialleistungen und Haushalt) das armutsgefährdend ist. Bei den Männern sind es ca. 110.000 Personen (davon 90.000 in Vollzeit). Soziale Transfers und Partnereinkommen („Haushaltstransfers“) reduzieren das Armutsproblem also beträchtlich. Angesicht immer instabiler werdender Formen familiären Zusammenlebens wird allerdings das System der Haushaltstransfers immer brüchiger.

Aus der zunehmenden Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse ergibt sich ein (zumindest) dreifaches Verteilungsproblem:

  • Die Sozialstaaten konservativ-kontinentaleuropäischen Typus (wie Österreich) orientieren sich hinsichtlich ihrer sozialen Sicherungssysteme an einer „männlichen“, industriellen „Normalerwerbsbiographie“. Sozialstaaten, die auf eine stärkere Gleichverteilung von Chancen und Risken unter postindustriellen Bedingungen anzielen würden, würden nach einer Umverteilung von Sozialausgaben n Richtung Bildung, aktive Arbeitsmarktpolitik und soziale Diensleistungen (Kinderbetreuung, Pflege etc.) verlangen, sowie stärker in Richtung mindestsichernder Elemente – weil soziale Ersatzleistungen bzw. Transfers wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pensionen etwa bei Teilzeit oder Niedriglöhnen nicht armutsvermeidend sind – angepasst werden.
  • Die Verteilung von Erwerbsarbeit und „Reproduktionsarbeit“ (Haushaltsarbeit, Kinderbetreuung und -erziehung etc.) muss neu geregelt bzw. organisiert werden. Österreich ist geprägt von einer starken Konzentration von Teilzeitarbeit auf Frauen und einem hohen Grad an Überstunden bei Männern. Damit sind entlohnte und unentlohnte Arbeit höchst ungleich verteilt und Geschlechterrollen determiniert.
  • Zugleich stellt sich die Frage der Struktur der Entlohnung bzw. generell der monetären Bewertung unterschiedlicher Tätigkeiten am Arbeitsmarkt. Österreicht kennt diesbezüglich keine starke Tradtition solidarischer Lohnpolitik, die Lohnunterschiede sind beträchtlich. Zwischen – u.a. auch männlich und weiblich dominierten – Branchen und zwischen Männern und Frauen überhaupt.

Um „Working Poor“ wenigstens ansatzweise politisch begegnen zu können müssen jedenfalls alle drei Dimensionen der Verteilung auf die politische Agenda gesetzt werden, so Fink. Und – eine breite Debatte über die Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums, etwa der Vermögen, muss offensiv geführt werden.

Working Poor und Frauen


Schnitt Fink bereits die Geschlechterdimension des Phänomens „Working Poor“ an, setzte sich Käthe Knittler, Ökonomin im Bereich Demografie und Arbeitsmarkt der Statistik Austria intensiver mit dem Thema auseinander.

Gründe für geschlechtsspezifische Lohnunterschiede sowie für die stärkere Armutsgefährdung von (erwerbstätigen) Frauen sind vielfältig und nicht alleine im Arbeitsmarkt zu finden sind. Eine Ursache liegt etwa in der Ungleichverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit.

Betrachtet frau/mann die Gesamtarbeitszeit – also bezahlte und unbezahlte Arbeit gemeinsam – so kommen Frauen (Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren über die Lebenszeit hinweg gerechnet) auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von 45 Stunden/Woche, Männer auf rund 35 Stunden. Frauen leisten 58 % der Gesamtarbeit (rund 81 % der unbezahlten und 40 % der bezahlten Arbeit), Männer entsprechen 42 % der Gesamtarbeit (19 % der unbezhalten und 60 % der bezahlten Arbeit). Männern verbleibt insgesamt zehn Stunden mehr Freizeit pro Woche. Frauen haben also nicht gereingere Einkommen als Männer weil sie weniger arbeiten, sondern weil sie mehr unbezahlte Arbeit leisten.

Frauen sind in einem höheren Ausmaß von „atypischer“ Beschäftigung betroffen als Männer. Vor allem im Bereich der Teilzeitarbeit und der geringfügigen Beschäftigung überwiegt der Frauenanteil deutlich:

  • Von 3,42 Mio. ArbeitnehmerInnen im Jahr 2008 waren 46,5 % weiblich.
  • Von 819.300 Teilzeitbeschäftigten waren 85,1 % Frauen.
  • Von 276.900 geringfügig Beschäftigten waren 67 % weiblich.
  • Unter 39.500 neuen Selbständigen waren immerhin 41,8 % weiblichen Geschlechts
  • bei den freien DienstnehmerInnen lag der Frauenanteil bei 52,3 %.
  • lediglich bei den LeiharbeiterInnen gibt es einen deutlichen männlichen Überhang (80,3 zu 19,7 %)

Auch auf Basis der Stundenlöhne zeigen sich markante Einkommensunterschiede. Als Niedriglöhne werden dabei jene Löhne verstanden, die unter 2/3 des durchschnittlichen Stundenlohns liegen. Frauen sind überproportional oft in Niedriglohnbranchen (Handel, Beherbungs- und Gaststättenwesen sowie im „Realitätenwesen, Vermietung beweglicher Sachen und Erbringung von unternehmensbezogenen Dienstleistungen“) beschäftigt, der Frauenanteil in diesen Branchen ist überdurchschnittlich hoch. Insgesamt arbeitet rund jede vierte Frau (24,2 %) aber nur rund 7 % der Männer zu Niedriglöhnen.

Zahlen, Daten, Fakten zu Armut und Erwerbseinkommen


Wie definiert sich überhaupt Armut? Was zeichnet Armut aus? Wie kann Armut trotz Erwerbstätigkeit entgegengewirkt werden? Sepp Zuckerstätter, Ökonom in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien gab Antworten.

Die gängige Armutsdefinition: „Armut ist ein Zustand in dem es den Betroffenen nicht möglich ist, ihre fundamentalen physischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse in einem (gesellschaftlich üblichen) Mindestmaß zu befriedigen.“ Armut ist damit relativ, abhängig von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen und Vorraussetzungen. Wenn die Industriellenvereinigung etwa behauptet, dass ein/e arme/r ÖsterreicherIn in Ungarn reich wäre, ist diese Aussage natürlich unzulässig, weil einfach die Lebensbedingungen und -verhältnisse, die Kaufkraft etc. in Ungarn natürlich eine andere ist als in Österreich. Zuckerstätter ironisch: in allen „zivilisierten“ Ländern und Organisationen würde diese Armutsdefinition anerkannt.

In der EU wird die Armutsschwelle bei 60 % des Medieanäquivalenzeinkommens (gewichtetes Einkommen, abhängig von Haushaltsgröße) festgelegt. In absoluten Zahlen für Österreich: das Medianäquivalenzeinkommen (50 % liegen darüber, 50 % liegen darunter) liegt in Ö bei Euro 1.303, 14 x jährlich. Die Armutsgefährdungsschwelle (Einpersonenhaushalt) liegt bei Euro 782, 14 x jährlich, in einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern bei Euro 1.642, ebenfalls 14 x. Als arm gilt, wer zwei von mehreren „Deprivationsmerkmalen“ (z.B. Wohnung angemessen warm halten, Miete rechtzeitig bezahlen können, unerwartete Ausgaben finanzieren können) aufweist. Nicht jede/r, der ein Einkommen an der Armutsgefährdungsschwelle aufweist ist arm (z.B. StudentInnen), dagegen liegen zwar 10,1 % der Bevölkerung hinsichtlich ihres Einkommens über der Armutsschwelle, sind allerdings arm. Manifest arm (4,8 % der Bevölkerung) sind vor allem Pensionistinnen und Alleinerzieherinnen, auch Erwerbstätige, vor allem jene, die nicht ganzjährig beschäftigt sind.

Wie sehr sozialstaatliche Umverteilung Armut entgegenwirkt zeigte Zuckerstätter in einer Graphik: von 3,1 Millionen ganzjährig Erwerbstätigen beziehen 1,156 Mio. ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. Nach Abzug von Steuern und Abgaben rutscht die Mehrheit der Erwerbstätigen unter die Schwelle. Bezogen auf den Haushalt und nach staatlichen Familientransfers reduziert sich Anzahl der armutsgefährdeten Erwerbstätigen auf 383.000 Personen, nach staatlichen Sozialleistungen auf 175.000 Personen.

Bezogen auf die Gesamtzahl von 3,5 Millionen Personen im Erwerbsalter (20-65 Jahre) gelten etwa 220.000 Menschen, (6 %) armutsgefährdet. Während bei ganzjährig Vollzeit-Erwerbstätigen die Armutsquote 5 % beträgt, liegt sie bei Teilzeitbeschäftigten bei 8 %, bei nicht ganzjährig Beschäftigten bei 11 % – die größte Gruppe der Armutsgefährdeten im Erwerbsalter.

Als wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Armut nennt Zuckerstätter die Mindestlohnpolitik, die Arbeitszeitpolitik (Recht auf Teilzeit UND Recht auf Vollzeit, Erhöhung der Arbeitszeitsouveränität, Ausbau öffentlicher Infrastruktur gegen „unfreiwillige“ Teilzeit), sowie höhere Nettoersatzraten beim Arbeitslosengeld, da die deutlich höhere Armutsgefährdung bei nicht ganzjährig Beschäftigten vor allem auf zu geringe Nettoersatzraten in Phasen der Arbeitslosigkeit zurückzuführen sind.

Gewerkschaftliche Strategien gegen Armut


Eva Scherz, von der GPA-DJP und Kollektivvertragsverhandlerin, referierte über gewerkschaftliche Strategien gegen Armut. Auf kollektivvertraglicher Ebene konnten dabei durchaus Erfolge erzielt werden. Vor allem die Umsetzung des Mindestlohns von 1.000 Euro/Monat sowie gesetzliche Initiativen zur besseren sozialen Absicherung atypisch Beschäftiger (AL-Versicherung für freie DienstnehmerInnen) werden als wesentlicher Beitrag gegen Working Poor angesehen. In einzelnen Kollektivverträgen wurden neben prozentuellen Lohnzuwächsen auch Mindestbeträge ausverhandelt, was insbesondere niedrige Einkommensgruppen stärkt. Traditionelle Gehaltssysteme sind Veränderungen unterworfen, die zu einer Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen geführt haben: z.B. die Gleischstellung von (überwiegend männlichen) HTL-Abschlüssen mit anderen (eher frauentypischen) Abschlüssen von berufsbildenden Schulen hinsichtlich der Entgeltschemen in der Elektro- und Metallindustrie. Schwierig gestalten sich die KV-Abschlüsse bzw. überhaupt Verhandlungen für schlecht entlohnte Beschäftigte „freier“ Berufe wie bei Notaren oder Rechtsanwälten. Hier verweigern die hierfür zuständigen „freien“ Kammern vielfach Verhandlungen, die Beschäftigten sind schwer erreich- und organisierbar.

Bildung und soziale Inklusion


Im Rahmen dieser Einheit stellten Petra Völkerer, Ökonomin in der Abteilung Bildungspolitik der AK Wien sowie Petra Sauer, Studentin der Volkswirtschaft und Junior Fellow am WIFO u.a. die Fragen, inwieweit Bildung ein Motor für Gleichheit oder Ungleichheit sein kann, bzw. welche Merkmale ein Bildungssystem aufweist, das zur sozialen Inklusion beiträgt.

Bildung garantiert – so viel kann empirisch einmal festgehalten werden – dem/der Einzelnen ein höheres Einkommen sowie ein geringeres individuelles Risiko, arbeitslos zu werden.

So liegt das durchschnittliche Einkommen eines/einer Uniabgängers/gängerin in Österreich etwa um 74 % über dem/derjenigen mit Matura oder Lehre, während das Einkommen von ArbeitnehmerInnen, deren höchster Abschluss die Pflichtschule ist, um 29 % darunter liegt. Die Arbeitslosenquote liebt bei männlichen Pflichtschulabgängern bei 17,3 % (Frauen: 14,4 %), bei Maturanten bei knapp über 4 % (bei Frauen sogar noch darunter bei knapp über 3 %), bei AkademikerInnen noch niedriger (2,5 %).

Bildungssysteme mit einem „egalitären“ Charakter schaffen für einen Großteil der Bevölkerung höhere Einkommen und glätten so die Einkommensverteilung. Sie verringern die Armutsgefährdung und stärken den sozialen Zusammenhalt. Eine gewisse Ausnahme stellt dabei interessanterweise Österreich dar, das trotz eines tendenziell eher „elitären“ Bildungssystems – nach Sozialtransfers und Steuern – eine relativ egalitäre Einkommensverteilung und verhältnismäßig niedrige Armutsgefährdungsquote hat (wobei Länder wie Schweden, Dänemark oder Norwegen mit „egalitären“ Bildungssystemen besser abschneiden).

Bildung kann allerdings nicht nur Motor von Gleichheit, sondern auch von Ungleichheit sein: der Zugang zu (höherer) Bildung ist Vielfach abhängig von der sozialen, kulturellen und finanziellen Herkunft. Bildungseliten reproduzieren sich somit immer wieder selbst. In diesem Zusammenhang spricht frau/mann von „Vererbung von Bildung“. Hinsichtlich einer „Bildungskarriere“ ist nicht nur die Herkunft, sondern auch der Eintritt ins Bildungssystem essentiell: die Herausbildung kognitiver Fähigkeiten im frühen Kindesalter sind die Basis künftiger Lernerfolge und damit Basis für höhere Einkommen, Aufstiegschancen sowie Wege aus der Armut.

Für das österreichische Bildungssystem kann belegt werden, dass dieses Ungleichheiten verfestigt bzw. verstärkt. EU-Silc belegt das für Österreich

  • Bildung wird in Österreich intergenerational vererbt: Kinder aus Haushalten mit höherer Bildungsabschlüssen gehen eher auf die Universität als Kinder aus Haushalten, wo die Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Bildungssysteme in Dänemark, Schweden und Norwegen weisen dagegen eine hohe soziale Durchlässigkeit auf.
  • Die soziale Selektion beginnt allerdings nicht erst auf den Unis. Auch das österreichische Schulsystem weist eine starke soziale Selektion auf. Mit der „Vererbung“ von Bildung findet auch eine „Vererbung“ von Armutsrisiken statt.
  • Personen mit lediglich Pflichtschulabschluss sind zu 22 % armutsgefährdet, mit Lehre/bzw. BHS-Abschluss zu 8 %, mit Matura zu 10 %. Fachhochschul- oder UniversitätsabsolventInnen sind nur zu 6 % armutsgefährdet.
  • Wenn die frühe Kindheit erwiesenermaßen ausschlaggebend für die künftige Bildungskarriere ist, ist es um erfolgreiche Bildungskarrieren für möglichst viele in Österreich schlecht bestellt: während in Schweden knapp über 40 %, in Dänemark sogar knapp über 70 % und in Frankreich immer noch knapp über 30 % aller Kleinkinder bis 2 Jahre in Kinderkrippen untergebracht sind, liegt der Anteil in Österreich bei unter 5 %. Etwas besser ist es bei den 3 bis 6-jährigen: rund 70 % der Kinder in Österreich besuchen in diesem Alterssegment einen Kindergarten. In Schweden, Dänemark, Frankreich, ja selbst Deutschland liegt der Anteil allerdings bei über 90 %.

Die Schlußfolgerungen der ExpertInnen Völkerer und Sauer: Bildung kann viel, wenn sowohl Chancen- als auch Ergebnisgerechtigkeit verwirklicht sind. Elitäre Bildungsstrukturen sind dagegen Motor der Ungleichheit, unabhängig von den finanziellen Mitteln, die diesen Bildungsstrukturen zufließen. Und: Umverteilung durch monetäre Sozialtransfers reichen nicht, um soziale Ungleichheiten auszugleichen. Im Gegenteil: es braucht eine umfassende, integrierte Bildungs-, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Einige bildungspolitische Maßnahmen die hierzu notwendig sind: gemeinsame, ganztägige Schulen, eine Individualisierung des Unterrichts und Ausbau schulischer Fördermaßnahmen, kostenloser Kindergarten, sowie mehr Geschlechtergerechtigkeit im Bildungssystem.

Die Bedeutung von Wohnintegration für soziale Eingliederung


Ist Armut „soziale Exklusion“ so beinhaltet der Kampf gegen Armut Kampf für „sozial Inklusion“. Der Bericht der EU-Kommission über soziale Eingliederung definiert entsprechend auch Wohnen als Grundbedürfnis und Grundrecht und den Kampf um menschenwürdiges Wohnen (mit dem Einkommen der Haushalte preislich vereinbar in einem sicheren, dynamischen Umfeld, das einen angemessenen sozialen Halt und einen Rahmen bietet, in dem Kinder in ordentlichen Verhältnissen aufwachsen etc.) als zentrale Dimension sozialer Inklusion. EU-Indikatoren zum Thema Wohnen umfassen bislang Überbelag sowie zumutbare Wohnkosten (nicht mehr als 40 % des Einkommens). In Österreich wurden folgende Eingliederungsindikatoren festgelegt: Überbelag, Unzumutbarer Wohnungsaufwand (mehr als 25 % des Einkommens), prekäre Wohnqualität (Substandard, Schimmel, dunkel, keine Waschmaschine).

Die Wohndimension war bislang in der Armutsdebatte unterbelichtet, referierte Ursula Till-Tentschert, Soziologin in der Statistik Austria, Projektleitung EU-SILC. Tatsächlich erhöhen die Wohnkosten nämlich die Einkommensungleichheit um 4 Prozentpunkte. Armutsgefährdete Personen wenden 42 % ihres Haushaltseinkommens für Wohnkosten bei Mietobjekten (inkl. Energiekosten auf), nicht Armutsgefährdete 21 %. Bei Eigentum liegt der Wohkostenanteil bei 26 % (Armutsgefährdete) bzw. 12 % (nicht Armutsgefährdete). Armutsgefährdete leben zu 53 % in Mietwohnungen und zu 39 % in Eigentum.

Dabei zahlen Arme – und das überrascht – gleich viel Miete wie „Reiche“ und zwar in absoluten Zahlen: Die Wohnkosten pro m² sind vom untersten Einkommenszehntel bis hin zum 8. Einkommenszehntel annähernd gleich und steigen signifikant erst im obersten Einkommenszehntel. Hinsichtlich der Wohnungskosten bei Eigentum gibt es zwischen jenen ganz unten und jenen ganz oben praktisch überhaupt keinen unterschied.

Von „Wohnarmut“ (zwei von vier Mängeln) sind 6 % der armutsgefährdeteten aber nur 2 % der Nichtarmutsgefährdeten betroffen. „Energiearmut“ herrscht bei 9 % (kann meine Wohnung nicht angemessen warm halten) bzw. 12 % (Rückstand bei Strom- und Heizrechnung in den letzten 12 Monaten) der armutsgefährdeten Haushalte (nicht armutsgefährdet: 2 bzw. 1 %).

Die Schlussfolgerungen: Über die Wohkosten entstehen starke Umverteilungseffekte. Wohnen hat eine geringere Dynamik als Einkommen, d.h. Wer Einkommen verliert – etwa durch Arbeitslosigkeit – ist mit weiterhin hohen Wohnkosten belastet, da ein schneller Umzug in eine billigere Wohnung nicht möglich ist. Das Einkommen geht, die Fixkosten bleiben. Die sozialen Teilhabechancen von Kindern sind bei Wohnexklusion nicht gewährleistet, Armutsgefährdete haben nur einen beschränkten Zugang zu leistbarem und adäquaten Wonraum, steigende Kosten bei Energie und Miete belasten besonders die Einkommensschwachen.

Zusammenfassend kann zur AK-Veranstaltung festgehalten werden: ein guter Überblick – insbesondere auch hinsichtlich Zahlen, Daten, Fakten zur Lage der „Working Poor“ wurde gegeben. Ein gelungener thematischer Einstieg ins Jahr der Armutsbekämpfung gesetzt. Nachfolgeveranstaltungen, welche sich mit den angeschnittenen Themen intensiver auseinandersetzen sind bereits geplant und tw. Auch terminisiert.

Referate, Präsentationen sowie weitere Unterlagen zur Auftaktveranstaltung „Working Poor – Wege aus der Armut sind Wege aus der Krise“ mit umfassenden, gut aufbereiteten Datenmaterial gibt es auf der Homepage der AK Wien.

 

2 Kommentare

  1. walter wohl sagt:

    danke markus, supper

  2. markus koza sagt:

    bitte gerne!

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