Aus dem heutigen ÖGB Bundesvorstand (9. Juni 2009)

Heute, am Dienstag den 9. Juni 2009, tagte wieder einmal der ÖGB-Bundesvorstand. Die Tagesordnung war kurz – schließlich findet Anfang Juli der ÖGB-Bundeskongress statt. Entsprechend wurde eine kurze Sitzung erwartet. Sie wurde dann doch länger. Und durchaus emotional geladen.

Erster Tagesordnungspunkt: der Bericht des geschäftsführenden ÖGB-Präsidenten – er ist ja noch nicht vom Bundeskongress gewählt – Erich Foglar. Bedauern über die niedrige Wahlbeteiligung bei den AK- und EU-Wahlen. Die Verortung eines Legitimationsproblems, wenn es nicht gelingt, die Wahlbeteiligung zu beiden Wahlen zu steigern. Foglar nimmt auf eine Causa, die im Rahmen des EU-Wahlkampf in die mediale Öffentlichkeit kam, Stellung: zur ÖGB-Solidaritäts-Privatstiftung, der ÖGSP, für die – so immer wieder von der ÖVP vorgebrachte Behauptung – der ÖGB keine Schenkungssteuer gezahlt hätte. Von Steuerschulden im Ausmaß von 40 Mio. Euro war da die Rede. Tatsächlich gestaltet sich die Causa so:

1. Im Jahr 2002 gründete der ÖGB die ÖGSP – kurz zusammengefasst ein Kernbestandteil des legendären Streikfonds – und hat einmal 75.000 Euro eingebracht. Die Mindesteinlage um eine Stiftung gründen zu können. Nun ist es so, dass Körperschaften öffentlichen Rechtes keine Schenkungssteuer bei Stiftungsgründung zahlen. Der ÖGB ist ein Verein – genießt aber, wohl vor allem als Teil der Sozialpartnerschaft und Interessensorganisation – weitestgehend die Rechte einer Körperschaft öffentlichen Rechtes. Das sah auch das Finanzministerium so: in Einem Bescheid wurde festgestellt, dass keine Schenkungssteuer anfallen würde.
2. Dann brachte der ÖGB die BAWAG-Anteile in die Stiftung ein. Wie zu erwarten gab es keinerlei Reaktion des Finanzamts hinsichtlich einer zu leistenden Schenkungssteuer weil, siehe oben, Behandlung als Körperschaft öffentlichen Rechts.
3. Dann kam es zu einer anonymen Anzeige gegenüber dem ÖGB. Die Finanz begehrte im Dezember 2007 – im Rahmen bzw. als Nachwehen der ganzen BAWAG-Krise Auskunft, die erhielt die Finanz auch. Bis Dezember 2008 war seitens der Finanz nichts zu hören. Dann schließlich meldetet sie sich doch: Der Bescheid aus dem Jahr 2002 würde nicht mehr der Rechtsauffassung entsprechen.
4. Termine mit dem Finanzministerium wurden immer wieder gesucht, verschoben abgesagt, waren jedenfalls bis zur EU-Wahl – noch – nicht möglich.

Konklusio: Vieles ist unklar, vor allem ist unverständlich warum ein Bescheid nun plötzlich nicht mehr Gültigkeit haben sollte. So long zum Thema ÖGSP. Wir werden weiter informieren.

Weitere Teile des Berichts: Nach der Demo vom 13. Mai sind die Kollektivvertragsverhandlungen wieder ins Laufen gekommen und haben teilweise einen Abschluss gebracht („Überall Schwerstarbeit,“ so Foglar). In der Chemische Industrie, in der graphischen Industrie, im Gastgewerbe, in der Elektroindurstrie etc. In Zeiten der Krise durchaus beachtlich. Denn die Krise verschärft sich weiter: im Vergleich zu 2008 ist ein Einbruch der Wirtschaft – so die OeNB – von – 4,2 % zu befürchten. Im Vergleich zum Mai 2008 ist die Arbeitslosigkeit im Mai 2009 um 30 % gestiegen. Große Befürchtungen gibt es auch hinsichtlich eines Ansteigens der Jugendarbeitslosigkeit. Und, wie gestern bekannt gemacht, nehmen viele Betriebe heuer keine FerialpraktikantInnen auf. Aussetzverträge steigen: d.h., ArbeitnehmerInnen werden mit Wiedereinstellungszusage in die Arbeitslose geschickt. Um die 20.000 Personen soll es sich handeln. Viele dieser Aussetzverträge haben dabei den Charakter von Umgehungsverträgen. Da gerät die Gewerkschaft gar nicht selten in Konflikt mit den BetriebsrätInnen, weil die keine Überprüfungen der Aussetzverträge haben wollen. Auch wenn diese rechtswidrig sind. Und die Arbeitgeberseite bohrt in diesen Konflikt hinein: da die sture Gewerkschaft, da die BetriebsrätInnen vor Ort. Entsprechend machen Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer Druck auf die Kurzarbeitsregelungen: die ist ihnen nämlich zu teuer. In einemBrief von Leitl und Sorger: fordern diese u.a. die Reduktion der SV-Beiträge, die Abschaffung der Behaltefrist, keine Zuzahlung zu AMS, keine Überstundenverbote und keine Einschränkung derLeiharbeit. Immer wieder werden ArbeitnehmerInnen unter Druck gesetzt, in billigere Teilzeitarbeit zu gehen. Das bringt den GewerkschafterInnen einiges an Kopfzerbrechen. Und eine Gewerkschafts- bzw. BetriebsrätInnenkonferenz zum Thema Kurzarbeit am 25. Juni, wo über Erfahrungen mit der Umsetung, Konsequenzen etc. beraten werden soll.

Diskussion rund um Bericht: Ferialpraxis, Arbeitszeitverkürzung – durchaus erwünscht

Die Diskussion brachte einige interessante Blitzlichter: Einmal mehr wurde eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes gefordert – ein höheres Arbeitslosengeld brächte auch eine geringere Zuzahlung für die Betriebe bei Kurzarbeit.

Das Problem mangelnder Praktikaplätze – oder einfach auch von Ferialjobs – bringt vor allem für jene SchülerInnen oder StudentInnen Probleme mit sich, die verpflichtende Praktika machen müssen. Aber auch für Studis, die beispielsweise ein Stipendium beziehen, also aus keinem begüterten Elternhaus kommen, das 10 x jährlich ausbezahlt wird. Die sind auf das Einkommen in den Ferien angewiesen. Fällt dieses aus, wird die Situation sehr schwierig.

Spannend ein Bericht aus der VOEST in Linz – vor allem in der Causa Arbeitszeitverkürzung. Viele VOESTler wurden auf Kurzarbeit gesetzt, berichtet ein Betriebsrat. Sie arbeiten nun 33,5 Stunden, haben ihre Arbeitszeit also deutlich verkürzt, mussten auch Lohneinbußen hinnehmen. Die sind in der VOEST allerdings nicht existenzbedrohend, verdienen die VOESTler ja nicht schlecht. Und: die wollen gar nicht mehr zur Vollzeitarbeit zurück, sie wollen keine 5-Tage-Woche mehr – was nun den Betrieb vor gewisse Probleme stellt, weil die Auftragslage besser geworden ist, die Beschäftigten aber nicht länger arbeiten wollen. Nun gibt es keine 4-Schichten mehr, sondern 5er-Schichten zu 33,5 Stunden/Woche. Und weil im Unternehmen VOEST doch noch einen gewisse Unsicherheit herrscht, ob die Auftragsbücher auch noch im Herbst voll sind. Jedenfalls haben offensichtlich jede Menge ArbeiterInnen das mehr an Lebensqualität durch mehr Freizeit unter finanziell akzeptablen Rahmenbedingungen schätzen gelernt. Gerne erzählte uns der ÖGB in der Vergangenheit immer wieder, dass die ArbeitnehmerInnen keine Arbeitszeitverkürzung wollten. Nun zeigt sich das Gegenteil. Trotz Einkommensverlustes. Das ist natürlich nur dort möglich, wo die Beschäftigten tatsächlich auch gut verdienen. In anderen Bereichen ist eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich natürlich nicht denkbar. Aber nochmals: Arbeitszeitverkürzung wird also durchaus akzeptiert und geschätzt. Entgegen früheren Behauptungen zahlreicher ÖGB-VertreterInnen … wir fühlen uns jedenfalls in unserer Forderung nach Arbeitszeitverkürzung einmal mehr bestätigt.

Emotionen zu EU-Wahl

Ein erstes mal gingen die Wogen hoch, als die EU-Wahl zur Sprache kam. Für die FSG kandidierte auf der Liste der SPÖ die ausgewiesene und über alle Fraktionsgrenzen akzeptierte und beliebte EU-Expertin und Leiterin der Stabsstelle Internationales im ÖGB. Das EU-Parlament und die SP-Fraktion im EU-Parlament kann sich über Evelyn Regner, so heißt sie, glücklich schätzen. Koll. Jonischkeit, Sekretär der GLB im ÖGB wagte allerdings leicht kritisch anzumerken, dass seitens der überparteilichen VIDA (bei der überparteilichen GPA passierte ähnliches allerdings nicht für Koll. Regner, sondern für Koll. Greif, ebenfalls ausgewiesener EU-Experte und hoch geschätzt) an GewerkschaftsfunktionärInnen – auch anderer Fraktionen – eine Wahlempfehlung für die SPÖ verschickt wurde. Mehr hat’s nicht gebraucht und Koll. Haberzettel befiel ein göttlicher Zorn. Er hat’s nicht verstanden: ÖGB ist nicht SPÖ. ÖGB ist auch FCG, UG, GLB, Parteifreie etc. Es ist schlichtweg inakzeptabel, wenn die FSG ÖGB-Informationsstrukturen für Wahlwerbung für die SPÖ verwendet. Der ÖGB ist überparteilich, Punkt.

Emotionen bei Statutenänderungen

Wer in politischen Zusammenhängen tätig ist, weiß, dass kaum wo die Emotionen so hochgehen, wie bei Statutendiskussionen. Diesesmal lief das Matsch ÖGB-Landesorganisationen gegen ÖGB-Bundesorganisationen. Im ÖGB ist es wie folgend: Anträge an den ÖGB-Bundeskongress jedenfalls Gewerkschaften und der ÖGB-Bundesvorstand stellen. Nicht jedoch die ÖGB-Landesorganisationen und die Fraktionen. Die ÖGB-Landesorganisationen wollen antragsberechtigt werden. Und sie wollen zwei Sitze im Vorstand. Beides bekamen sie vom ÖGB-Vorstand nicht zugestanden. Was Sigi Pichler, ÖGB-Vorsitzender von Salzburg aufbrachte: er kenne keine demokratischen Organe – z.B. von Parteien – wo RegionalvertreterInnen aus den geschäftsführenden Organen ausgeschlossen wären. Es sei auch absurd, wenn ÖGB-Landesorganisationen das Antragsrecht verweigert würde, schließlich kämen Landesanträge durch die Landesgerwerkschaften (also Landes-GPA, Landes-GöD etc.) zustande, die im Landes-ÖGB vertreten seien. Das sei kein Widerspruch zur ÖGB-Systematik (ÖGB ist Dach der Gewerkschaften, nicht der Länderorganisationen). Und: sollte der Bundesvorstand diesem Wunsch nicht nahe treten, wolle frau/mann aus den Bundesländern entsprechende Initiativen beim Bundeskongress setzen. Zustimmung kam von anderen Ländervertretern.

Katzian, GPA-DJP Chef reagierte als erster: Im Rahmen der ÖGB-Reform habe frau/mann sich – gegen seine Vorstellungen – für starke Einzelgewerkschaften unter dem Dach des ÖGB entschieden, nicht für einen ÖGB. Daher entsprächen ÖGB-Länderdelegierungen nicht der Logik der ÖGB-Reform. Und: man möge doch von einer Strukturdebatte im ÖGB beim Bundeskongress Abstand nehmen – die Menschen hätten andere Sorgen, die Gewerkschaft müsse sich vor allem inhaltlich positionieren. Franz Riepl, ein Metallergewerkschafter schlug in die gleiche Kerbe in der Wortwahl allerdings schärfer und kompromissloser: frau/mann brauche überhaupt keine Strukturdebatten, die würden ohnehin niemanden interessieren. Goschen halten, Hände falten auch gewerkschaftlich. Nun wogte die Debatte so richtig hoch („lassen uns keine Diskussionsverbote aufzwingen“, „keine Denkverbote“, etc.). Klaudia Paiha von der UG: Form – also Struktur – lasse sich nicht von Inhalt, also von Politik trennen. Welche Organisation braucht es, um schlagkräftig zu werden. Und: die Organisation, vor allem die demokratische Verfaßtheit einer Organisation sei hoch politisch. Die Statuten wurden abgestimmt. UG und die Vorsitzende des ÖGB-Burgenland dagegen. Der Rest dafür. Ob nun Initiativen der ÖGB-Länder kommen, oder nicht, ist unbekannt. Jedenfalls hat sich einmal mehr gezeigt: die ÖGB-Reform stockt. Weder hat es eine tiefgreifende Demokratisierung noch Öffnung der Gewerkschaften gegeben. Heute sitzen ÖGB-SpitzenfunktionärInnen wieder in den Parlamenten, wo regelmäßig Partei- vor Gewerkschaftsdisziplin geht. Vergessen die guten Vorsätze von anno dazumal. Vergessen alle Reformversprechungen. Eines kann sicher sein: das wird – mögen es so manche auch am liebsten nicht haben – Thema sein. Weil organisatorische Frage hoch politisch sind. Und vor allem auch massiven Einfluß auf die Zukunft der Gewerkschaft haben. Ob sich die ArbeitnehmerInnen von morgen in einer Struktur, die oft Züge von gestern hat, wiederfinden können.

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