Die ÖVP, die Vermögenssteuern und der „Mittelstand“: Und täglich grüßt das Murmeltier oder…

… warum die Mittelschicht unbedingt vor der ÖVP gerettet werden muss

Vermögenssteuern sein Mittelstandssteuern tönt es tagaus, tagein aus der ÖVP, von der Parteizentrale auf- und abwärts. Der VP-Generalsekretär rückt neuerdings mit Rechenmodellen aus, wonach kleine „Häuselbauer“ künftig für ein Einfamilienhaus im Wert von 100.000 selbst nach Einrechnung von Freibeträgen 930 Euro/Jahr zahlen müssten, wer ein Sparbuch, auf dem 100.000 Euro besitzt auch gleich 800 Euro/Jahr usw. usf. – würden, tja würden etwa die SP-Vermögenssteuerpläne (welche sind den das???) durchgesetzt.

Ha! Das würd‘ den roten Teufeln wohl so passen – mit der ÖVP sicher nicht.

S-I-C-H-E-R N-I-C-H-T!

Dieses Konzept ist eine klassische Besteuerung des Mittelstandes,“ poltert Kaltenegger in der Tageszeitung ÖSTERREICH vom 19. Juli und außerdem halte die ÖVP nichts davon, den Menschen ins Nachtkastel zu schauen – etwa auf der Suche und der Bewertung von Vermögen.

Die Empörung in Schwarz läßt auch den österreichischen Landwirt nicht kalt: der ÖVP-Bauernbundpräsident Grillitsch entblödet sich doch tatsächlich nicht, in einer Presseaussendung die SPÖ aufzufordern, endlich den Terror auf Eigentum ein(zu)stellen.

Wo die ÖVP wettert, darf die Industriellenvereinigung nicht fehlen. Sie fehlt auch nicht: ihr wirtschaftspolitischer Koordinator Christian Wallner zieht gegen Erbschaftssteuern im STANDARD zu Felde. Mit den zwar ewig gleichen inhaltlich schlicht falschen wie dummen Argumenten (Doppelbesteuerung, trifft alle Haushalte gleichermaßen etc.), zusätzlich ziemlich wirr, aber das ist frau/mann von der IV schon gewöhnt.
Eine neue Qualität erhält die IV-Kampagne allerdings durch die persönliche Diffamierung eines OeNB-Mitarbeiters, der als zentraler Autor der OeNB-Untersuchungen zur Vermögenslage in Österreich fungiert (übrigens werden derartige Erhebungen derzeit von allen Zentralbanken in Europa durchgeführt). Dem OeNB-Experten wird da schlichtweg die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass der weithin anerkannte Autor und Vermögensexperte nicht ganz „ideologiefrei“ werke, so der IV-ler, seit jeher selbstverständlich über jeden Verdacht erhaben, einer bestimmten Ideologie verpflichtend zu sein und zu dienen.
(Wir moechten in diesem Zusammenhang auf den BLOG-Beitrag des BEIGEWUM verweisen).

Zurück zur ÖVP: Nun, weniger Problem hat die ÖVP bekannterweise im Rahmen des in Transparenzdatenbank umbenannten Transferkontos den Menschen ins Nachtkastel zu schauen – insbesondere jenen, die staatliche Transferleistungen erhalten – und einen Einkommensstriptease zu verlangen – Ausnahme, jene die nicht nur staatliche, sondern auch stattliche Transfers erhalten, also etwa Bauern, Selbständige etc. (wegen des Neids des Pöbels). Aber dass der ÖVP beim Kampf für ihr Klientel jedes Mittel Recht ist, und die Vermögenden natürlich ihr wichtigstes finanzstarkes und entsprechend unterstützendes Klientel darstellen, ist ja inzwischen hinlänglich bekannt.

Jedenfalls sind auf der ÖVP-Homepage entsprechend eindrucksvolle Rechenbeispiele, die das finanzielle Ausbluten des Mittelstands plastisch darstellen ebensowenig zu finden wie von konkreten Vermögenssteuerplänen der SPÖ. Besonders verdächtig ist es allerdings seit jeher, wenn wieder einmal vermeintliche Interessen eines ominösen, nicht näher definierten „Mittelstandes“ in eine Diskussion rund um die gerechtere Gestaltung eines Steuersystems eingebracht werden.

Was ist der Mittelstand?

Erstens einmal wird gerne der Begriff „Mittelstand“ verwendet wo eigentlich „Mittelschicht“ gemeint ist. Eine exakte – gar gesetzliche – Definition von „Mittelstand“ gibt es nicht. Der Mittelstandsbegriff bezieht sich allerdings – so verlautet zumindest Wikipedia-Definition – quantitativ auf Unternehmen aller Branchen einschließlich des Handwerks und der Freien Berufe, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten:

„Hilfsweise werden zur Größenbestimmung die Kriterien Jahresumsatz, Anzahl der Arbeitsplätze und/oder Bilanzsumme herangezogen. Da es branchenspezifische Unterschiede in den oben genannten betriebswirtschaftlichen Kenngrößen gibt, ist eine standardisierte Festlegung von Größenkriterien schwierig. So werden die quantitativen Kriterien zumeist je nach Kontext definiert. Allgemeinhin ordnet das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Umsatz unter 1 Million Euro den kleinen Unternehmen zu, solche mit 10 bis 500 Mitarbeitern und maximal 50 Millionen Euro Umsatz den mittleren Unternehmen. Beide Größenklassen zusammen bilden gemäß dieser Definition den Mittelstand nach quantitativen Kriterien.“

Was ist die Mittelschicht?

Beim „Mittelstand“ handelt es sich also tatsächlich um Selbständige, FreiberuflerInnen, UnternehmerInnen und nicht um die „Mittelschicht“. Unter dem Sammelbegriff „Mittelschicht“ werden nämlich – wieder laut Wikipediadefinition – in der Soziologie diejenigen Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die sich in Bezug auf ihr Einkommen bzw. ihren Besitz weder der vermögenden Oberschicht noch der besitzlosen und einkommensschwachen Unterschicht zuordnen lassen.

Die Mittelschicht wird gelegentlich noch in „untere“, „mittlere“ und „obere“ Mittelschicht unterteilt. Während es sich beim Mittelstand also eher um einen Klassenbegriff handelt, wird die Mittelschicht entlang des Einkommens festgemacht, unabhängig davon, ob diese nun selbständig oder unselbständig ist. Auch wenn seitens politischer Parteien – verblüffenderweise auch von SPÖ und Grünen – meist unsauber und von der Bedeutung her falsch der „Mittelstand“ als Bezugsgröße eigenen politischen Handelns bezeichnet wird, ist tatsächlich die „Mittelschicht“ gemeint. Also jene breite Masse der Bevölkerung im mittleren Einkommenssegment.

Gerade wenn es allerdings darum geht, die „Mittelschicht“ vor dem Zugriff des gierigen Fiskus zu schützen, stellt sich nur allzu oft heraus dass das, was da als „Mitte“ bezeichnet wird, in Wirklichkeit ganz wo anders zu finden ist.

Und wo liegt die Mittelschicht?

Versuchen wir einmal, die Mittelschicht einzugrenzen. Wir suchen die Mitte in jenen Einkommensgruppen, wo sich 60 % der Bevölkerung befinden, schließen also die „untersten“ und „obersten“ 20 % aus. 60 % der Bevölkerung ist ein ganz brauchbarer Wert, stellt er doch die breite Masse der Bevölkerung dar.

Die Mittelschicht bei dem mittleren 60 % der EinkommensbezieherInnen zu suchen, findet eine Bestätigung durch da das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieses teilt etwa in einer Pressemitteilung vom 5. März 2008 mit, dass die „Mittelschicht in Deutschland schrumpft“. Anteilig würden nämlich die „Bezieher mittlerer Einkommen“ „von 62 Prozent im Jahr 2000 auf 54 Prozent im Jahr 2006“ zurückgehen. Die Mittelschicht wird also auch hier als jene rund 60 % BezieherInnen mittlerer Einkommen definiert. In welchen Einkommensklassen liegt nun diese ominöse „Mittelschicht“?

  • Laut integrierter Lohn- und Einkommenssteuerstatistik der Statistik Austria gab es 2007 insgesamt 6,428 Mio. EinkommensbezieherInnen in Österreich. Nicht enthalten sind in dieser Statistik die Selbständigen, sehr wohl allerdings PensionistInnen. Weiters finden Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Pflegegeld, Familienbeihilfe und sonstige Beihilfen Eingang in diese Statistik. In welchen Einkommenskategorien liegt nun die Mittelschicht?Das Ergebnis wird einige doch überraschen: Grob geschätzte 60 % (exakt: 58 %) der mittleren EinkommensbezieherInnen beziehen ein Einkommen von 8.000 bis 30.000 Euro/Jahr. Brutto, wohlgemerkt.
  • Sucht frau/mann die Mittelschicht „nur“ bei den rund 6,235 Mio. ArbeitnehmerInnen und lohnsteuerpflichtigen PensionistInnen, liegt sie bei Einkommen von 8.000 bis 35.000 Euro verschiebt sich also leicht nach oben.
  • Bei den ArbeitnehmerInnen (4,016 Mio.) liegen 60 % aller EinkommensbezieherInnen in Lohn- und Gehaltsgruppen von 8.000 bis 40.000 Euro jährlich.

Vermögen anhäufende ‚Mittelschicht‘?

Die „Mittelschicht“ beginnt – quantitativ – nach diesem Rechenbeispiel bei einkommensschwachen, armutsgefährdenden 8.000 Euro – brutto! – jährlich und reicht nicht einmal bis zu Lohneinkommen jenseits der Höchstbeitragsgrundlage (Euro 4.020/Monat).

Um einen weiteren Eindruck von „Mitte“ zu bekommen, empfiehlt es sich, die „mittleren“ Einkommen zu betrachten, also jene Einkommen um die sich die breite Masse tummelt – also die „Median-“ (50 % der EinkommensbezieherInnen liegen exakt unter, 50 % exakt über diesem statistischen Wert) und „Durchschnittseinkommen“ (Summe der Einkommen dividiert durch Zahl der EinkommensbezieherInnen, dieses liegt regelmäßig über dem Medianeinkommen, weil sich Einkommen ungleich verteilen, also oben stärker konzentrieren).

  • Das „Medianeinkommen“ lag im Jahr 2008 bei den unselbständig Beschäftigten bei 24.257 Euro/brutto (Durchschnittseinkommen: 28.262 Euro). Männer verdienten dabei im „Median“ 29.938 Euro/brutto (Durchschnitt: 34.787 Euro), Frauen 17.704 Euro/brutto (Durchschnitt: 20.864 Euro)
  • Interessant die Nettoeinkommen, also jene Einkommen nach Steuern und Sozialversicherungsabgaben, die für Konsum bzw. Sparen verwendet werden kann. Das Nettoeinkommen lag 2008 im „Median“ bei 17.759 Euro/Jahr (Durchschnitt: 19.421 Euro), bei Männern bei 20.006 Euro (Durchschnitt: 21.974), bei Frauen bei 14.009 Euro (Durchschnitt: 14.979).

Wenden wir wieder unsere Gleichung „Mittelschicht = mittlere 60 %“ an, kommen wir bei den unselbständig Beschäftigten hinsichtlich ihrer Nettoeinkommen auf folgende Zahlen:

  • Die mittleren 60 % der unselbständig Beschäftigten verdienten 2008 netto zwischen 6.696 (!) und 27.569 Euro/Jahr. (Männer zwischen 10.341 und 31.532 Euro, Frauen zwischen 4.740 und 22.468 Euro).
  • Ziemlich weit „unten“ – was die Einkommen betrifft – ist die „Mittelschicht“ bei den ArbeiterInnen angesiedelt: Die mittleren 60 % der ArbeiterInnen liegen bei Nettoeinkommen zwischen Euro 3.932 und 21.131. Zum Vergleich: die mittleren 60 % der Angestellten liegen zwischen 8.423 und 31.707 Euro, mittlere 60 % Vertragsbedienstete zwischen 11.920 und 26.467 Euro, mittlere 60 % der BeamtInnen zwischen 24.104 und 38.618 Euro.

Wer ausgerechnet in – vor allem in den unteren und mittleren Segmenten – dieser „Mittelschicht“ jene VermögensakkumuliererInnen ortet, die vor dem Zugriff des Fiskus durch Vermögenssteuern besonders zu schützen wären, muss schon einiges an Phantasie haben oder tut sich mit den Grundrechnungsarten schwer.

Es ist wohl nicht besonders gewagt, die These aufzustellen, dass die BesitzerInnen großer Vermögen wohl eher in „oberen“ Einkommensgruppen zu finden sind, als in „mittleren“ geschweige den „unteren“. Schließlich sind die Einkommen ungleich verteilt:
die „ärmsten“ 20 % aller LohnbezieherInnen erhielten 2009 gerade einmal 2,2 % (!) der gesamten Lohnsumme. Die „reichsten“ 20 % der unselbständig Beschäftigten dagegen 46,7 %. Die mittleren 60 % teilen sich die restlichen 51,1 % der Lohnsumme. Und tatsächlich belegen die aktuellen Vermögensstudien der OeNB: Je höher das Einkommen (bzw. jenes der Eltern, der Eltern-Eltern etc.), also je weiter oben in der Einkommenshierarchie, desto – Überraschung, Überraschung! – größer in der Regel auch das Vermögen.

Wie sich Vermögen tatsächlich verteilen

Wie bereits erwähnt führen derzeit die europäischen Nationalbanken – auch die OeNB – Erhebungen zu Vermögen und wie sich diese verteilen durch. Die Ergebnisse dieser Erhebungen zeigen eines ziemlich klar und deutlich: von Vermögenssteuern wäre gerade die ständig und gerne vorgeschobene Mittelschicht nur rudimentär betroffen. Das ergibt sich aus der Verteilung der Vermögen.

  • Bei der Verteilung des privaten Geldvermögens (geschätzte 420 Mrd. Euro an Ersparnissen, Anleihen, Aktien etc.) stellt sich die Situation wie folgt dar: Das durchschnittliche Nettogeldvermögen (= Bruttogeldvermögen – Schulden) beläuft sich demnach auf 51.790 Euro pro Haushalt (Median: 21.855 Euro). Haushalte, deren monatliches Nettoeinkommen unter 750 Euro liegt, halten durchschnittlich ein Geldvermögen von Euro 6.621 (Median: 3.583), Haushalte, deren Nettoeinkommen über Euro 3.000/Monat liegt halten ein durchschnittliches Nettogeldvermögen von Euro 117.779 (Median: 53.039).
    Interessant stellt sich die Verteilung des Geldvermögens zwischen den „Klassen“ dar: so hält ein UnternehmerInnenhaushalt ein durchschnittliches Nettovermögen von Euro 189.778 (Median: 38.372, d.h. das Geldvermögen ist auch unter den UnternehmerInnen höchst ungleich verteilt), ein ArbeiterInnenhaushalt dagegen durchschnittlich 24.539 Euro an Nettogeldvermögen (Median: 15.528). Mooslechner/Schürz, die OeNB-StudienautorInnen in einem Beitrag für das BMASK: „Erkennbar ist vor allem auch, dass von einer Mittelschicht beim Geldvermögen nur schwer gesprochen werden kann.“ Denn: das reichste Drittel hält rund vier Fünftel, also rund 80 %, die reichsten 10 % der Haushalte 54 % des   Geldvermögens, das reichste 1 % hält 27 %, das oberste Promille – also 0,1 % der Haushalte halten 8 % des Geldvermögens.
  • Wie verteilt sich das Immobilienvermögen? Insgesamt wird das Immobilienvermögen der privaten Haushalte in Österreich auf mindestens 690 Mrd. Euro geschätzt. 50 % der Haushalte sind EigentümerInnen ihres Wohnsitzes, haben also (zumindest) selbst bewohntes Immobilienvermögen, ArbeiterInnen und Angestellte deutlich seltener als FreiberuflerInnen, UnternehmerInnen und BeamtInnen. Hinsichtlich des „eigenen Hauptwohnsitzes“ – also des eigenen Einfamilienhauses, der eigenen Eigentumswohnung – beläuft sich das durchschnittliche Immobilienvermögen auf 130.000 Euro (alle Haushalte, also inkl. jener 50 % die kein Wohnsitzeigentum besitzen!). Betrachtet frau/mann allein die Eigentümerhaushalte – also werden alle jene Haushalte hinausgerechnet, die kein Wohneigentum besitzen – beläuft sich das durchschnittliche Vermögen auf Euro 260.000 (muss so sein, wenn 50 % Wohneigentum besitzen). Wie verteilt sich das gesamte Immobilienvermögen? Schließlich wird ja nicht nur eigener Wohnraum besessen, sondern auch Häuser bzw. Wohnungen die weitervermietet werden. Hier hält der durchschnittliche Haushalt ein Gesamtimmobilienvermögen von Euro 250.000. Die tatsächlichen Eigentümerhaushalte – also jene Haushalte die Hauptwohnsitzeigentum und/oder andere Immobilien halten – besitzen Immobilienvermögen in Höhe von durchschnittlich 420.000 Euro! Werden die Top-1-Prozent Haushalte herausgerechnet beläuft sich der Durchschnittswert an Immobilien auf 330.000 Euro. „Die Differenz der Mittelwerte von 90.000 EUR zeigt besonders deutlich, welchen Einfluss das oberste Perzentil der Verteilung auf derartige Berechnungen hat. Der Wert aller Immobilien, das heißt der Wert des Hauptwohnsitzes und die Werte der anderen Immobilien insgesamt, ist noch deutlicher ungleich verteilt als die im Eigentum stehenden Hauptwohnsitze,“ so die StudienautorInnen. Im Gegensatz zu Geldvermögen besitzen schließlich 40 % der Haushalte überhaupt kein Immobilienvermögen – keines das sie selbst bewohnen, keines das sie z.B. an andere vermieten. Dagegen hält das oberste – also das reichste – Fünftel aller Haushalte 75 % der gesamten Immobilienvermögens, die obersten 10 % immer noch 61 % ! Geht es um Immobilienvermögen, das nicht selbst bewohnt wird – also keinen Hauptwohnsitz darstellt – halten die reichsten 10 % sogar 85 % des Immobilienvermögens! Immobilienvermögen ist also – entgegen des Mythos des „kleinen Häuselbauers“ – noch ungleicher verteilt als Geldvermögen und noch stärker in den reichsten Haushalten konzentriert (Pirmin Fessler/Martin Schütz, „Informationen zum ‚kleinen Häuselbauer’“ in Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 2, 36. Jahrgang 2010)
  • Die höchste – der untersuchten – Vermögenskonzentrationen ergibt sich allerdings bei Unternehmensbeteiligungen an GmbH. Das gesamte in GmbH veranlagte Eigenkapital in Österreich beträgt 18,6 Mrd. Euro. Beteiligungen an GmbH halten nur 3 % aller privaten Haushalte. Innerhalb dieser ohnehin schon verschwindend kleinen Minderheit von 3 % halten die noch verschwindend kleineren reichsten 10 % allerdings gleich einmal 92 % – sprich 17,1 Milliarden – an Beteiligungsvermögen. Und zehn (!) Personen besitzen Unternehmensbeteiligungen im Umfang von 5 Mrd. Euro, also über ein Viertel des Wertes aller als GmbH organisierten Unternehmen! Sag mir, wo die „Mittelschicht“ ist ….

Fazit

Wer also davon spricht, dass vermögensbezogene Steuern – also Erb- und Schenkungssteuern, eine allgemeine Vermögenssteuer oder Grundsteuern – bzw. Steuern, die auf Vermögenszuwächse abzielen, insbesondere die „Mittelschicht“ treffen würden, kennt entweder die Fakten, will sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen oder kennt sie und sagt einfach die Unwahrheit. Insbesondere Freibeträge, bis zu denen keine Steuer anfällt, können sicherstellen, dass kleine und mittlere Vermögen entweder aus einer Steuerpflicht ausgenommen oder nur gering belastet werden.

Insbesondere soll ja auch nur das Nettovermögen, also Vermögen abzüglich Schulden besteuert werden. WIFO-Ökonom Stefan Schulmeister schlägt etwa in seinem Vermögenssteuermodell („Schulmeister-Modell“) einen Steuerfreibetrag von 100.000 Euro pro erwachsener Person (weiters Euro 25.000 pro z.B. mitbewohnendes Kind), der das entsprechende Vermögen gehört und einen einheitlichen Steuersatz von 0,5 % (Prinzip der Individualbesteuerung) vor. Einen entsprechenden individuellen Steuerfreibetrag sieht Schulmeister auch bei Erbschaften und Schenkungen vor. Das würde etwa bedeuten, dass zwei Ehepartner, die je zur Hälfte ein Nettovermögen von Euro 400.000 besitzen würden nur zwei mal je 500 Euro an Vermögenssteuern zu zahlen hätten. Selbst die „gehobene“ Mittelschicht wäre von diesen neuen Steuern keineswegs über Gebühr belastet. Die GPA-djp schlägt noch großzügigere Freibeträge vor – nämlich gleich Euro 500.000 – dafür allerdings einen progressiv gestaffelten Steuersatz. Auch GPA-djp Berechnungen ergeben, dass kleine und mittlere Vermögen gar nicht, oder kaum betroffen wären.

In Summe brächte eine – etwa nach dem „Schulmeister“-Modell – gestaltete Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung – nach Schulmeister geschätzte Mehreinnahmen von 3,8 Mrd. Euro. Gemeinsam mit Börsenumsatz-, Vermögenszuwachssteuer sowie einer Reform der Stiftungsbesteuerung wären zusätzliche vermögensbezogene Steuern von rund 4,5 Mrd. Euro möglich, garantiert sozial treffsicher. Damit entpräche das gesamte Vermögenssteueraufkommen endlich in etwa dem EU-15-Durchschnitt von knapp über 2 % des BIP (Vermögenssteueraufkommen 2005 in Prozent des BIP: EU-15 2,1 %, Österreich 0,6 %, damals noch inkl. Erb- und Schenkungssteuer). Geld das auch dringend gebraucht wird: für eine Sozialmilliarde, für eine Bildungsmilliarde, für eine finanzielle und infrastrukturelle Grundsicherung, die diesen Namen auch verdient, für Investitionen in Klima- und Umweltschutz, für eine behutsame Budgetkonsolidierung ohne tiefe Einschnitte ins soziale Netz. Maßnahmen, von denen vor allem die „Mittelschicht“ – die untere, die mittlere, wie die obere – profitiert, allerdings natürlich nicht nur diese.

Die ÖVP will das offenbar alles nicht. Die ÖVP verhält sich tatsächlich in höchstem Maße nicht nur „unterschichts-“, sondern auch „mittelschichtsfeindlich“. Ausgabekürzungen in den Bereichen Soziales, Bildung, Kindergärten, Pensionen, Transferleistungen und öffentliche Infrastruktur, Privatisierung von Pensions- und Gesundheitssystemen bei gleichzeitiger Erhöhung von Verbrauchs- und Massensteuern, Liberalisierung und Deregulierung der Arbeitsmärkte und arbeits- wie sozialrechtlicher Schutzbestimmungen, der Kampf gegen die gemeinsame Schule, sowie der seit Jahren betriebene Personalabbau im öffentlichen Dienst – programmatische Linie der Konservativen – trifft nicht nur die einkommensschwächsten Gruppen besonders, sondern auch die Mitte in ihrem ökonomischen und sozialen Status, ist diese doch massiv vom gesellschaftlichen „Abstieg“ bedroht. Die Mittelschicht ist für die ÖVP nur hinsichtlich ihrer Instrumentalisierbarkeit für die Interessen ganz anderer interessant. Die ÖVP betreibt Politik von Eliten für Eliten. Die Mittelschicht darf für die ÖVP dann denn nützlichen Idioten geben, wenn es darum geht, die Privilegien der Oberschicht zu verteidigen. Die Mittelschicht ist daher unbedingt aus der Geiselhaft der ÖVP zu befreien.

Retten wir die daher die Mittelschicht vor der ÖVP – bevor es für die Mittelschicht zu spät ist!

2 Kommentare

  1. Wolfgang sagt:

    Die eigene Klientel sind halt Bauern, Beamte und Unternehmer, die bilden zusammen das, was sich die ÖVP unter Mittelstand vorstellt. Diese sind vor zusätzlichen Abgaben besonders zu schützen.

  2. Michael sagt:

    Tja der Mittelstand – ist der jenige Stand der fast die gesamte Steuerlast in Österreich trägt …

    Mal dran denken was es bedeutet die Unternehmer zu besteuern – sie wandern ab ..
    Eine Zahl:1 Abwanderung ergibt X Arbeitslose – X Arbeitslose kosten X * Y Geld dem Staat, der von der „Mittelschicht“ getragen wird. Sprich eine Abwanderung ergibt eine Verteilung auf M (gesamte Mittelschicht) / X*Y „Mehrkosten“ = zwar nicht viel – aber doch ein wenig …

    und bekanntlich macht Kleinvieh Mist…

    Mir geht es da nicht um ideologischen oder Parteikram – mir geht’s um den Wirtschaftsstandort Österreich, seine Kaufkraft, seine Visionen, seine Zukunftsperspektiven für den einzelnen.

    Und das denkt wohl keiner – ob jetzt die ÖVP hier oder die SPÖ da schreit und der Strache Sagt ich wusste es sowieso immer besser …

    Es geht um „Österreich“ – es geht um UNS … es geht um Kinder / Pensionisten und um die Mittelschicht …

    Geschrieben von einem der der „Mittelschicht“ angehört als „Unternehmer“ ….

    lg

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