Pflegereform: Es ist 5 nach 12


Vera Koller, Landessprecherin der AUGE/UG Wien und Juristin

sagt die Offensive Gesundheit, eine Initiative von Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Ärztekammer.
„Auf Grund von Personalknappheit sowie unzumutbaren Arbeits-, Aus- und Weiterbildungsbedingungen ist das gesamte Personal seit Jahren überlastet, so dass ein systemkritischer Punkt bereits überschritten wurde.“

Schleunigst braucht es eine Pflegereform, eine ausreichende Finanzierung und den Ausbau der Ausbildungskapazitäten. Nur so kann auch neues Personal gewonnen und die immer wieder geforderte Aufstockung des Personals und Dienstplansicherheit umgesetzt werden.

Aber nicht nur Interessensvertretungen stellen diese Forderungen auf, sondern auch immer mehr Arbeitgeber*innen stimmen in den berechtigten Kanon ein. In einer selten da gewesenen Allianz sind sich alle darüber einig, dass es dringend nachhaltiger Reformen bedarf, um zu retten was noch zu retten ist. Die noch verbliebenen Beschäftigten müssen gehalten und neue dringend gewonnen werden.

Der gleiche Arbeitgeberverband, der jetzt nach schnellen Reformen ruft, hat es aber über Jahrzehnte verabsäumt, nachdrückliche Forderungen an die Politik zu stellen. Viele Verschärfungen, die sich durch Corona ergeben haben, sind mitverursacht durch ein Unterbieten und die Maximierung des Outputs der Betreuungsorganisationen. Schon lange scheitern zielführende Kollektivvertragsverhandlungen dran, dass Fördergeber nicht mit am Tisch sitzen und Arbeitgeber*innen, um weiterhin förderwürdig zu bleiben, so günstig wie möglich anbieten. Immer auf Kosten des Personals (und der Klient*innen).

Auch Bundesländer (Fördergeber!), die sich derzeit mit Jubelmeldungen von bezahlten Praktikumsstellen überbieten, hätten es in der Hand gehabt, den Wert von Pflege- und Betreuung in ihren Bundesländern nachhaltig zu sichern. Stattdessen wurden ganze Versorgungslinien in die Privatwirtschaft verschoben, um finanziell auf dem Papier gut dazustehen. Mit neoliberalen Managern ausgestattete Agenturen stehen seit Jahren im Widerspruch zur Versorgungssicherheit. Auch da: Kostendruck ausgetragen auf dem Rücken des Personals.

Ganz bewusst wurden sowieso schon schwierige Gehaltsstrukturen weiter nach unten nivelliert und ständig versucht, noch kostengünstiger betreiben zu können. Von den vorwiegend weiblichen Beschäftigten wurde immer mehr, für immer weniger Einkommen verlangt und Corona hat diese Situation zugespitzt. Viele dieser Frauen verlassen die sinkenden Schiffe, weil sie es nicht mehr schaffen, aber auch, weil sie es vielleicht nicht mehr einsehen unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Bei sowieso schon knappen Personalsituationen führen diese Abgänge zur weiteren Eskalation. Die jetzige Situation ist nicht überraschend, sie ist ein Ergebnis jahrzehntelanger bewusster und versäumter Politik.

Alle Beteiligten, insbesondere die Fördergeber, die ja den finanziellen Rahmen zur Verfügung stellen, sollten sich dessen bewusst sein und endlich die Schritte umsetzen, die es braucht. Es ist Zeit, dass Pflege als Leistung verstanden wird, die qualitativen Kriterien entsprechen muss und dafür auch etwas kostet!

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