Forschung in Zeiten der Budgetkonsolidierung – Konzerne Olé, Außeruniversitäre Forschung ade?

Die Bundesregierung schnürt Sparpakete. Die Bundesregierung beschließt Offensivmaßnahmen. Bis vor Kurzem von der Öffentlichkeit noch zu wenig beachtet: die Sparpakete im Forschungsbereich. Und die Offensivpakete im Forschungsbereich. Den einen wird weiter gegeben. Den anderen wird genommen – und zwar so viel, dass sie in ihrer Existenz bedroht sind. Die „Anderen“ sind dabei außeruniversitäre Forschungsinstitute – von denen einige  gerade auch für ArbeitnehmerInnen und deren Institutionen wertvolle Forschung und Grundlagenarbeit leisten.

Inzwischen steigen sie  auf die Barrikaden. Forschungsinstitute aus dem außeruniversitären Bereich wie FORBA (Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt), das ZSI (Zentrums für Soziale Innovation), das ÖIIP (Österreichische Institut für Internationale Politik) u.a. die sich zur Plattform WISSEN/SCHAFT/ÖSTERREICH zusammengeschlossen haben und gegen die drohende Streichung bzw. Kürzung der Grundfinanzierung durch das Wissenschaftsministerium. Bedroht sind auch Institute wie das IHS, das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) und das Internationale Forschungsinstitut Kulturwissenschaften (IFK).

Die Summen die dabei seitens des Wissenschaftsministeriums eingespart werden sollen sind gemessen am gesamten Sparpaket vergleichsweise gering – 2011 4 Millionen Euro, die Folgejahre je 8 Millionen Euro – für die einzelnen Forschungsinstitute, allerdings eine Katastrophe.

Im Aufruf „Gegen den budgetären Kahlschlag der Wissenschaft – Intellektuelle Infrastruktur Österreichs zerstört“ heißt es daher (der Aufruf kann übrigens unterschrieben werden):

„Der in der Loipersdorfer Regierungsklausur beschlossene Budgetentwurf eliminiert vollständig die Finanzierung der freien Wissenschaft und Forschung in Österreich. Alle Institute und Einrichtungen, die nicht im Eigentum von Bund oder Ländern stehen, werden ab 2011/12 budgetär auf NULL gesetzt! Hier geht es nicht um einen anteiligen Beitrag zum Sparen, sondern um eine Auslöschung von geistigem Kapital Österreichs und einer intellektuellen Infrastruktur, die über mehrere Jahrzehnte aufgebaut wurde.

Leistung für das Land: Systemrelevant

Die Zukunft unseres Landes hängt vor allem auch davon ab, wie es gelingt, Wissen in Wert zu setzen. Die Institute und Einrichtungen der extra-universitären Wissenschaft leisten dies in entscheidenden Bereichen, vom Wissenstransfer von Universitäten in Wirtschaft und Gesellschaft zur Analyse und Prognose wirtschaftlich/gesellschaftlicher Entwicklungen, von nationalen Dokumentationen bis zum internationalen Exzellenzaufbau. Sie bilden wissenschaftlichen Nachwuchs aus, forschen zielorientiert und sind unbürokratisch.

Finanzierung aus öffentlicher Hand

Die Institute der extra-universitären Wissenschaft erwirtschaften zwischen 30 und 80 % ihrer Finanzierung aus Aufträgen und auf dem wettbewerblichen Forschungsmarkt. Sie sind erfolgreich im Inland und entscheidend für die hervorragende Bilanz Österreichs in der Einwerbung von EU Forschungsmitteln in den Rahmenprogrammen wie auch in Spezialprogrammen. Sie erhalten eine Grundlagenfinanzierung bzw. substantielle Projektfinanzierung durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.

Entzug der Existenz – Kein Sparen sondern Kahlschlag

Den Instituten und Einrichtungen der extra-universitären Wissenschaft wird nun die Existenzgrundlage entzogen. Das vorliegende Budget spart nicht, sondern setzt die Grundlagenfinanzierung einfach auf Null. Damit wird der Wissenschaftsstandort Österreich in einem entscheidenden Bereich kahl geschlagen, das Gesamtsystem ungeheuer geschwächt und die Entwicklung der Wissensgesellschaft in diesem Lande nachhaltig torpediert.“

Gerade aus ArbeitnehmerInnensicht leisten dabei Institute wie die FORBA oder das ZSI immer wieder auch das IHS wertvolle wissenschaftliche Grundlagenarbeit. Grundlagenarbeit, die – kann sie aus ökonomischen Gründen nicht mehr erbracht werden – dramatisch fehlen wird. Abgesehen davon, dass für aktive wie künftige SozialwissenschafterInnen wertvolle Arbeitsplätze verloren gehen.

Unsere Unternehmen, unsere Regierung: Wo es für Forschung nicht an Geld mangelt

Gleiches Budget, andere Baustelle, oder doch nicht ganz? Nein, auch hier geht es um Forschung. Gleichzeitig hat die österreichische Bundesregierung nämlich auch Offensivmaßnahmen beschlossen, darunter auch eine Erhöhung der Forschungsförderung. Die außeruniversitäre Forschung dürfte davon allerdings nichts haben, wird da nicht noch massiv umgeschichtet und umgewidmet. 100 Millionen Euro ist dieses Forschungspaket schwer und umfasst vor allem die Erhöhung der Forschungsprämie von 8 auf 10 % was geschätzte mindestens 80 Millionen ausmachen dürfte (die Differenz auf 100 Mio. Euro soll in den FFG fließen).


Interessant ist dabei, dass im Jahr 2010 bereits 35 % der F & E (Forschung und Entwicklung) – Ausgaben vom Bund finanziert werden (2007: 28 %), auf den Unternehmenssektor fallen 43 % (2007: 49 %), auf das „Ausland“ (d.s. z.B. Aufträge ausländischer Konzernmütter an Konzerntöchter in Österreich) 15 % (2007: 18 %). Der Rest entfällt auf Bundesländer (5 %) sowie den Sektor „Sonstige“ (knapp 2 %).


Öffentliche Förderung bedeutet natürlich entweder frei machen von Steuermitteln oder eben Steuerausfälle. Und die sind doch ganz beachtlich: die Forschungsprämie brachte 2007 Steuerausfälle von 303 Mio. Euro (2005: 211 Mio Euro.), 2011 bis 2014 sind mit der Offensivmaßnahme „Erhöhung der Forschungsförderung“ Steuerausfälle von rund 320 Millionen Euro zu erwarten!
Obwohl frau/mann Österreich – glaubt man RepräsentantInnen der IV oder WKÖ in ihrem ständigen Ruf nach mehr öffentlicher Förderung unternehmerischer F & E – international bei Ausgaben für F & E bestenfalls im Mittelfeld vermuten würde, nimmt die Alpenrepublik tatsächlich bei der Förderung von unternehmerischer F & E international bereits einen Spitzenplatz ein. Schibany/Gassler vom Joanneum Research  (April 2010) dazu:

„Nun ergibt sich auf Basis … neuer Daten ein völlig neues Bild bezüglich der Steigerungsraten, aber vor allem bezüglich der schon 2002 bestehenden Höhe des unternehmensbezogenen staatliche Fördervolumens. Die Steigerung von 404 Mio. € (2002) auf 598 Mio. € (2007) ergibt eine Steigerung von 48 %. Es ist aber weniger die Steigerung, welche erstaunt, als vielmehr die schon seit 2002 bestehende Höhe des Fördervolumens. Das Ausmaß der öffentlichen Förderung unternehmerischer F & E wurde also in der Vergangenheit unterschätzt. Auch zeigt (die Tabelle, Anm.) sehr deutlich, dass der Steuerausfall durch die beiden Freibeträge (alt und neu, Anm.) eher gering ist und der Großteil auf die Forschungsprämie entfällt. Daher würden auch die Kosten einer Erhöhung der Forschungsprämie nicht unbeträchtlich sein. Die steuerliche F & E-Förderung betrug 2007 anteilsmäßig bereits 55 % der gesamten unternehmensbezogenen F & E-Förderung. Insgesamt nimmt Österreich dabei im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein.“ (Forschung und Entwicklung vor und nach 2010)

Und diese Forschungsprämie für Unternehmen soll nun eben tatsächlich trotz alledem noch einmal erhöht werden. Während außeruniversitäre Forschung kaputtgespart wird.


Von der Forschungsprämie – bzw. entsprechend von der Erhöhung der Forschungsprämie – profitieren dabei vor allem einige wenige große Unternehmen, sind doch die F & E Ausgaben auf relativ wenige, vor allem große Unternehmen konzentriert:


Hinsichtlich der Betriebsgröße entfallen 70 % der Forschungsprämie auf Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.

Hinsichtlich der absoluten Zahlen entfallen bei insgesamt in etwa 2.500 Unternehmen, die F & E betreiben …

  • … rund 34 % der gesamten unternehmerischen F & E Ausgaben auf 10 Großunternehmen.
  • … 50 % der F & E Ausgaben auf 33 Unternehmen.
  • … und schließlich 75 % der F & E auf 176 Unternehmen

Budgets – auch im Bereich Forschung in Zahlen gegossene (Gesellschafts-)Politik

Das Budget ist in Zahlen gegossene gegossene Politik. Die Politik, die politischen EntscheidungsträgerInnen in Regierung und Parlament entscheiden darüber, was ihnen wichtig genug ist, finanziert oder steuerlich gefördert – also genauso finanziert – zu werden. Das zeigt sich nicht nur in der Sozial- und der Bildungspolitik. Sondern eben auch an den Forschungsausgaben. Wir mit Forschung hier, wie mit Forschung da umgegangen wird.


Hier außeruniversitäre – sozial-, geistes- und kulturwissenschaftliche – Forschung mit rund 2.300 Beschäftigten, der bis 2014 28 Millionen Euro an Basissubventionen gestrichen werden sollen.  Betroffen von diesen Streichungen wären rund 70 Institute mit ca. 500 Beschäftigten. 28 Millionen Ersparnis die eine zerstörte außeruniversitäre Forschung hinterläßt, deren wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, Analysen, Prognosen vielfach auch von Gewerkschaften, Arbeiterkammern, NGO, Parteien, von einer interessierten Öffentlichkeit genutzt werden. Forschung, die sich die Politik nicht mehr leisten will.


Denn von „nicht leisten können“ kann natürlich keine Rede sein. Denn gleichzeitig ist es kein Problem, die Forschungsprämie von 8 auf 10 % weiter zu erhöhen und so bis 2014 mindestens 320 Millionen Euro an weniger Unternehmenssteuern in Kauf zu nehmen. Das bringt den Unternehmen doppelten Profit: nämlich weniger Gewinnsteuern um gewinnsteigernde Forschung und Entwicklung zu fördern, auf dessen Ergebnisse die Öffentlichkeit nur in den seltensten Fällen zugreifen kann. Unternehmensförderung trotz ohnehin niedrigster Unternehmenssteuern, trotz einer bedenklichen verteilungspolitischen Wirkung und trotz einer bereits bestehenden großzügigen Förderpraxis bei F & E.


Es kann, ja darf gerade Gewerkschaften, Arbeiterkammern und einer kritischen Öffentlichkeit bzw. Zivilgesellschaft nicht egal sein, wenn außeruniversitärer, sozialwissenschaftlicher Forschung die Existenzgrundlage entzogen wird während unternehmerische F & E über Steuerausfälle noch großzügiger gefördert wird. Geld, das dann nicht nur bei außeruniversitärer Forschung sondern auch bei universitärer Grundlagenforschung fehlt.


Zum Nachlesen:


Andreas Schibany, Joanneum Research: Das österreichische Forschungsförderungssystem: Systemevaluiert

Andreas Schibany, Helmut Gassler, Joanneum Research: Forschung und Entwicklung vor und nach 2010

Anfragebeantwortung des BM für Finanzen betreffen Forschungsförderung durch den Grünen Parlamentsklub

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