FPÖ-Wirtschaftsprogramm wie gehabt: Steuergeschenke für die Reichen, Kürzungen für den Rest

Markus Koza, Bundessekretär der AUGE/UG und Ökonom hat auf Facebook eine erste Bewertung des „neuen“ Wirtschaftsprogramms der FPÖ vorgenommen. Über weite Strecken liest es sich wie ein „Wünsch dir was“ der Industriellenvereinigung, ist doch von radikalen Steuersenkungen für Unternehmen bis Arbeitszeitflexibilisierung und Ablehnung der Pflichtmitgliedschaft so ziemlich alles drinnen, was das Industriellenherz so begehrt.

Gleichzeitig findet sich die schlechte alte freiheitliche „Sozialpolitik“ darin wieder – mit ihrer klar nationalistischen und fremdenfeindlichen Ausrichtung, die vorgibt, die Interessen der InländerInnen besonders zu schützen, tatsächlich aber alle ArbeitnehmerInnen trifft. Ja, und jede Menge Sozialabbau – nämlich 3,8 Mrd Euro (!) – die findet sich auc. Und die kann es tatsächlich nur bei den großen Brocken Pensionen und Arbeitsmarkt geben, will die FPÖ doch zusätzlich bei Gesundheit auch noch einmal 1 Mrd. Euro einsparen!

Gar nichts wissen will die FPÖ dagegen von Steuern auf hohe Vermögen, Erbschaften oder Spitzeneinkommen. Ganz im Gegenteil: sie will das österreichische Steuersystem noch weniger „progressiv“ machen, als es ohnehin schon ist – wegen hoher Konsumenten- und geringer Vermögenssteuern.

Mit ihrem Wirtschaftsprogramm hat sich die FPÖ jedenfalls einmal mehr klar positioniert – und das nicht auf Seiten der ArbeitnehmerInnen. Mit ihrem Wirtschaftsprogramm hat die FPÖ auch klar die Segel in Richtung schwarz-blau gesetzt. Viel Unterschiede zur weit nach rechts gerückten ÖVP unter Kurz lassen sich auch wirtschafts- und sozialpolitisch nicht mehr finden. Es ist ein Programm für die oberen 5 Prozent, gegen die restlichen 95 Prozent.

Mehr zu alledem in der Erstbewertung:

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Auf die Schnelle eine erste Bewertung des FPÖ-Wirtschaftsprogramms:

1. Die FPÖ wandelt hinsichtlich der Einschätzung des Wirtschaftsstandorts auf Leitls Spuren. Österreich sei „wirklich abgesandelt“, so das FPÖ-Programm. Fakt ist: Mit einem BIP pro Kopf von 36.700 Euro 2016 lag Österreich auf Platz 4 in der EU – hinter LUX, Irl und den NL, vor DK, S und D und 26 % über dem EU-Durchschnitt. Bei den verfügbaren Haushaltseinkommen (Medianeinkommen nach Steuern und Sozialtransfers) lag Österreich 2015 mit 22.989 Euro auf Platz 2 vor Schweden.  (Quelle: Markus Marterbauer, A & W Blog) „Abgesandelt“ schaut anders aus. Tatsächlich gilt es allerdings Augenmerk auf besondere Problemlagen zu richten – auf die steigende Ungleichverteilung bei den Einkommen, bei der Vermögenskonzentration, bei der mangelnden Chancengleichheit, bei der Arbeitsmarktspaltung. Davon ist im FPÖ-Wirtschaftsprogramm allerdings wenig zu finden.

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2. Lieber spricht die FPÖ von einer „erdrückenden“ Steuer- und Abgabenlast. Die will die FPÖ bekanntlich auf unter 40 % senken. U.a. durch Lohnnebenkostensenkung, Reduktion von Unternehmenssteuern (z.B. bei nicht entnommenen Gewinnen bis hin zur Steuerbefreiung), Streichung der Mindestköst, Kürzung bei Kammerbeiträgen, Lohnsteuersenkungen, und, und, und. Insgesamt 12 Mrd. Euro, immerhin nicht sofort, sondern stufenweise. Eingespart – sorry „optimiert“ – werden soll bei Förderungen, Sozialausgaben (3,8 Mrd. Euro!), Gesundheit (1 Mrd. Euro!), Verwaltungsreform und „Privilegienabbau“. Und dann soll natürlich die Selbstfinanzierung von einem Viertel (!), also 3 Mrd. Euro diese Steuersenkungen noch gegenfinanzieren! Vollkommen unrealistisch.

Wer rund 12 Mrd. Euro einsparen will kann das natürlich nur bei den besonders großen Brocken machen. Die 3,8 Mrd. Euro im Bereich Soziales werden kaum über kleine „Optimierungen“ erreicht werden, sondern über Kürzungen bei den großen Brocken wie Pensionen oder Arbeitslosenversicherung. Kürzungen im Sozialbereich – wie etwa bei Pensionen, Familienbeihilfe, beim Arbeitslosengeld oder bei der Mindestsicherung stellen allerdings Einkommenskürzungen dar und gehen auf Kosten der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage. Sie wirken nicht nur armutssteigernd, sondern über den negativen Konsumeffekt auch konjunkturschwächend. Eine schwächere konjunkturelle Entwicklung wird allerdings kaum einen Beitrag zu einer Selbstfinanzierung leisten. Die massive Ablehnung von Vermögenssteuern und die Bevorzugung eines proportional wirkenden Steuersystems (das klingt nach Flat Tax) zeigt einmal mehr, dass die FPÖ mit Umverteilung von reich zu arm und Steuergerechtigkeit in dem Sinne, dass jene, die ökonomisch am stärksten sind, auch einen entsprechenden Beitrag zum Steueraufkommen leisten sollen, nichts am Hut hat. Im Gegenteil: obere Einkommen und Vermögende sollen entlastet werden.

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3. Die Sozialquote – also die Ausgaben für Soziales von Gesundheit über Pensionen bis Arbeitslosigkeit (inklusive der Löhne der Beschäftigten in diesem Bereich!) – will die FPÖ senken. Daher sind hier die größten Einsparungen vorgesehen. Sozialleistungen sollen dabei einmal mehr insbesondere bei AusländerInnen gekürzt werden, geht es nach der FPÖ: Arbeitsmarktpolitik soll vorrangig für InländerInnen stattfinden, AusländerInnen nach 52 Wochen Arbeitslosigkeit sämtliche Leistungen – inklusive Mindestsicherung – gestrichen werden. AsylwerberInnen sollen keiner legalen Tätigkeit nachgehen dürfen – kurioserweise ausgerechnet um „Lohn- und Sozialdumping“ zu verhindern. Und: wieder einmal tauchen die eigenen Sozialversicherungen („eigene Rechnungskreise“) für ÖsterreicherInnen und unterschiedliche MigrantInnengruppen auf. Sozialleistungen an das Ausland (Welche? Die Familienbeihilfe? Die Pensionen?) sollen möglichst auf Null gestellt werden.

Wie bereits oben erwähnt, stellen diese Kürzungen im Sozialbereich Einkommenskürzungen für die unmittelbar Betroffenen dar – ausgerechnet für Gruppen mit ohnehin niedrigem Einkommen, wo jeder zusätzliche Euro sofort nachfragewirksam und wirtschaftsbelebend wäre. Zusätzlich schaden Sozialkürzungen bei „AusländerInnen“ tatsächlich allen. Sie „schützen“ keineswegs die InländerInnen. Im Gegenteil: verlieren ausländische Arbeitslose an sozialer Absicherung wie z.B. Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung, werden sie in die Schwarzarbeit getrieben um ihre Existenz absichern zu können. So wird tatsächlich Lohn- und Sozialdumping gefördert! Schlechtere Sozialleistungen gehen auch nicht mit gleichen zu leistenden Beiträgen zusammen. Wenn AusländerInnen also schlechtere – sprich niedrigere – Sozialversicherungsleistungen erhalten, dann müssen konsequenterweise auch die SV-Beiträge niedriger sein. Dadurch würden ausländische Arbeitskräfte aber billiger als inländische, sie würde also einen „Kostenvorteil“ für Unternehmen darstellen. Eine Maßnahme die definitiv nicht der Beschäftigung von inländischen Arbeitskräften förderlich wäre – eher das Gegenteil! So manche „Österreich zuerst!“-Slogans entpuppen sich so als kontraproduktive Rohrkrepierer, würden sie tatsächlich umgesetzt.

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4. Sehr unkonkret bleibt das FPÖ-Programm bei der Rolle der öffentlichen Hand in der Wirtschaftspolitik – außer eben wenn es um radikale Steuer- und Abgabesenkungen geht. Da wird zwar der Ausbau von Infrastruktur, Schiene, Straße, Hochschulen gefordert, wie das allerdings angesichts drohender notorischer Unterfinanzierung funktionieren soll, bleibt unerwähnt. Soziale bzw. öffentliche Dienste als zentrale wirtschaftspolitische Player und Beschäftiger, deren Rollen und Aufgabe, sowie die Funktion öffentlicher Investitionstätigkeit, bleiben im FPÖ-Programm überhaupt weitgehend ausgeblendet.

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5. Ein kurioses Detail soll nicht unerwähnt bleiben: natürlich ist im Programm – wie angekündigt – die Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgliedschaften Thema. Um 50 % will die FPÖ die Beiträge kürzen, sollte die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft nicht möglich sein. Anderorts wurde schon vielfach erwähnt, dass die Abschaffung des Kammersystems, wie wir es kennen, massive Auswirkungen auf die Lohnsysteme und auf die Kollektivvertragsabdeckung hätte und auf Kosten der Entwicklung der ArbeitnehmerInneneinkommen gehen würde. Lohnerhöhungen sind nämlich Ergebnisse von Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Gewerkschaften und AG-Verbänden und fallen nicht vom Himmel. Und die Pflichtmitgliedschaft der Betriebe in der WKO sichert auch ab, dass allen Beschäftigten einer Branche diese Lohnerhöhungen auch zugute kommen. Etwas anders sieht das scheinbar die FPÖ. Die verschweigt nämlich tunlichst das Wort „Kollektivverträge“, „Gewerkschaften“ etc. im Zusammenhang mit Lohnerhöhungen. Im Programm heißt es nur: „Viele Steuerzahler bekommen jährlich eine Lohnerhöhung, die sich an der Teuerungsrate orientiert.“ Ja, aber sicher nicht von der FPÖ. Nicht vom Himmel. Sondern im Rahmen von mehr oder weniger konfliktgeladenen Verhandlungen, als Ergebnis gewerkschaftlichen Einsatzes mit Unterstützung der AK-Expertise. Eine Expertise, die die FPÖ lieber heute als morgen weg haben will! Das werden wir zu verhindern wissen.

PPS: Ansatzpunkte für einen sozial-ökologischen Umbau unseres Wirtschaftssystems waren von der FPÖ ohnehin nicht zu erwarten.

 

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