„Gefährder“ von Gewerkschaftsrechten

Mittlerweile seit zwei Wochen sorgt Innenminister Sobotka mit seinen Plänen zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit nun schon für Wirbel. So soll in Zukunft wegen „wirtschaftlicher Einbußen“ für „Geschäfte“, „Erwerbsfreiheit“ oder „wirtschaftliche Interessen Dritter“ Versammlungen an bestimmten Orten untersagt werden können. Dieser Vorstoß Sobotkas zeigt, welch autoritärer Geist inzwischen im Innenministerium Platz genommen hat.

Einschränkung der Versammlungsfreiheit als Angriff auf Gewerkschaften

Sobotkas Problem sind Demonstrationen.

Sobotkas Problem sind Demonstrationen.

Ein Blick in die vergangenen Wochen reicht, um festzustellen, dass eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit zugleich auch immer ein Angriff auf Gewerkschaften ist. So demonstrierte erst am 2. Februar die GPA-djp am Schwarzenbergplatz für einen guten Abschluss bei den Kollektivvertragsverhandlungen „Werbung und Marktkommunikation“. Am 16. Jänner demonstrierten Beschäftigte aus dem Wiener Gesundheits- und Sozialbereich für einen fairen Gehaltsabschluss und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Auf der ÖGB-Demonstration am 13. Mai 2003 demonstrierten über 200.000 Menschen gegen die Pensionsreform der Schwarz-Blauen Regierung.

Das Recht seine Meinung öffentlich und kollektiv auszudrücken und das Recht Arbeitskämpfe führen zu können (geregelt im Koalitionsgesetz), sind untrennbar miteinander verbunden. Versammlungen und Vereinigungen (Vereine) – und damit auch Vereinigungen im Sinne des Koaltionsgesetzes („koalitionsrechtliche Vereinigungen“), die ja nur ein Unterfall der „Vereinigung“ sind1 – müssen und können auch gar nicht genehmigt werden, sie werden den Behörden nur angezeigt und sind per se zulässig. Versammlungen und Vereinigungen sind gemeinsam durch einen simplen aber wirkmächtigen Satz in Artikel 12 des Staatsgrundgesetzes (StGG) geschützt: „Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden.“

Auch das Argument der „wirtschaftlichen Einbußen“ für „Geschäfte“, „Erwerbsfreiheit“ oder „wirtschaftliche Interessen Dritter“, kann und darf hier keine Gültigkeit besitzen – ist der Sinn eines Arbeitskampfes doch gerade (auch wirtschaftlichen) Druck auszuüben. Bis hin zum wirtschaftlichen Schaden (zB mittels Arbeitsniederlegung bessere Arbeitsbedingungen zu erzwingen). Soll das Recht von ArbeitnehmerInnen, sich für ihre Interessen starkzumachen, nicht nur eine leere Worthülse sein, so muss auch die Möglichkeit des kollektiven Drucks durch die ArbeitnehmerInnen uneingeschränkt möglich sein. Welcher Weg dabei beschritten wird, ob Arbeitsniederlegung oder Versammlungen, muss den Arbeitskampfparteien selbst überlassen sein.2

Widerstand aus der Gewerkschaft

Cotton Dress Workers Union on strike

Und so verwundert es auch nicht, dass es scharfen Widerstand aus der Gewerkschaft gegen Sobotkas autoritäre Fantasien gibt. „Aus Sicht des ÖGB ist die Versammlungsfreiheit nicht verhandelbar,“ betont ÖGB-Präsident Erich Foglar und: „Das Recht, im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen oder bei unwürdigen Arbeitsbedingungen zu protestieren, lassen wir uns sicher nicht nehmen. Gesetzliche Einschüchterungsversuche lehnen wir ab.“ Der Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) im ÖGB, Wolfgang Katzian, verweist darauf, dass die Versammlungsfreiheit ein „insbesondere von Gewerkschaften hart erkämpftes Grundrecht ist“. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung und somit auf Demonstrationen“, so Katzian weiter, „ist aus gutem Grund in der Verfassung verankert und kann glücklicherweise nicht auf Zuruf geändert werden.“ Auch Klaudia Paiha, Bundessprecherin der Alternativen, Grünen und Unabhängigen GewerkschafterInnen – AUGE/UG verweist darauf, dass Kundgebungen „als öffentliche politische Meinungsäußerungen und Willensbekundung auch für die ArbeitnehmerInnenschaft unabdingbar“ sind. Zeigen doch gerade jüngste Beispiele wie die Drogeriekette „Müller“ die Problematik, so Willi Mernyi, FSG-Bundesgeschäftsführer: „Hier werden Angestellten schikaniert, die einen Betriebsrat gründen wollen. Es kann ja wohl nicht sein, dass aufgrund von Geschäftsinteressen kein gewerkschaftlicher Protest gegen eine derart fragwürdige Vorgehensweise möglich ist“ und erinnert dabei an die vielen „Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die ihr Leben lassen mussten, um genau diese Rechte zu erkämpfen.“

Die Gewerkschaft ist eine Kampforganisation

Der erste dokumentierte Streik der Menschheitsgeschichte im ägyptischen Arbeiterdorf Deir el-Medina, der im 29. Regierungsjahr von Ramses III. am 10. Peret II (4. November) 1159 v. Chr.[A 1] begann.

Der erste dokumentierte Streik der Menschheitsgeschichte im ägyptischen Arbeiterdorf Deir el-Medina, am 10. Peret II (4. November) 1159 v.u.Z.

Aber es ist nicht der erste Angriff auf das Versammlungs-, Vereins- und Koalitionsrecht. In autoritären Regimen der Vergangenheit und Gegenwart werden diese drei Freiheiten grundsätzlich nicht zugelassen. Der Absolutismus kannte keine Vereinigungsfreiheit und selbst der frühe Liberalismus versuchte die Koalitionen des Arbeitslebens von der Vereinigungsfreiheit ausnehmen, war doch bekannt, dass diese der Erwerbsfreiheit Schaden zufügt. Im Austrofaschismus und im Nationalsozialismus wurden diese drei Freiheiten verboten. Versammlungs-, Vereins- und Koalitionsfreiheit können somit nur in Gesellschaften existieren, die Interessensgegensätze anerkennen und auch Interessenskonflikte akzeptieren. In Sobotkas autoritärer Gedankenwelt haben diese Freiheiten offensichtlich keinen Platz. Und sollte wieder eine Zeit kommen, in der diese Freiheiten eingeschränkt werden und offizielle Gewerkschaftsarbeit erschwert bis verunmöglicht wird, so werden wir GewerkschafterInnen uns doch immer an die Worte von Eduard Rabofsky, Autoschlosser, Kommunist, Widerstandskämpfer und „Jurist der Arbeiterklasse“, erinnern:

„Mit oder ohne Recht – immer für die Arbeiter(Innen)klasse!“

PS: Dass autoritäre Fantasien sich inzwischen nicht nur im Innenministerium wiederfinden, sondern auch im Justizministerium, zeigt die Idee von Justizminister Brandstetter. Er will Demonstrationen auf Facebook verlagern. „Diese neue Möglichkeit“ Anliegen publik zu machen, „wird man in diese Interessensabwägung einbeziehen können und vielleicht auch müssen“, so Brandstetter zur möglichen Einschränkung des Versammlungsrechts. Der Grund der Überlegung ist wieder eine persönliche Befindlichkeit, so habe sich Brandstetter „selbst schon mehr als einmal geärgert“ als er wegen einer Versammlung im Stau stand.

Wollen wir festhalten: Ein Justizminister will verfassungsrechtlich geschützte Versammlungen auf die Website eines gewinnorientierten Unternehmen verlagern, weil dieser Justizminister sich ärgert, wenn er wegen Versammlung im Stau stehen muss.


[1] Reissner, Arbeitsrecht; Tomandl, Arbeitsrecht I
[2] vgl. Eisenberger/Marx, Verfassung und Arbeitskampf

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