Gescheiterte KV-Verhandlungen im Sozial- und Gesundheitsbereich … reden wir über Streik!

„Reden wir über Streik“ – meint Stefan Taibl, Betriebsratsvorsitzender der PSZ GmbH und Vertreter der AUGE/UG im Bundesausschuss des Wirtschaftsbereichs 17 – Sozial- und Gesundheitsberufe – der GPA-djp.

Am 24. Jänner scheiterten einmal mehr die KV-Verhandlungen für die Sozial- und Gesundheitsberufe. Eine „Nulllohnrunde“ für die Beschäftigten im (privaten!) Sozial- und Gesundheitsbereich scheint zwar einmal abgewendet, allerdings will die Arbeitgeberseite nicht einmal die Inflationsrate abgelten. Erhöhungen von unter 2,4 % – wie angeboten – stellen tatsächlich Reallohnverluste dar. In diesem Falle wäre selbst ein Plus noch ein Minus! Und das in einer Branche, die – laut aktuellem Einkommensbericht des Rechnungshofs

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  • mit einem mittleren Jahreseinkommen von 20.263 Euro/brutto um über 20 % unter den mittleren ArbeitnehmerInneneinkommen insgesamt liegt
  • mit Platz 13 von 18 Branchen wohl als „Niedriglohnbranche“ zu bezeichnen ist
  • mit einem Frauenanteil von 78 % und einem Teilzeitanteil von 56 % dagegen unter allen Wirtschaftsbereichen an der Spitze liegt!

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Kurz: die ArbeithemerInnen im Sozial-und Gesundheitsbereich haben nichts zu verschenken. Um die Einkommenslücke zu den anderen „Branchen“ zu schließen bräuchte es tatsächlich ordentliche Lohn- und Gehaltserhöhungen. GPA-djp und vida fordern jedenfalls eine „3“ vor dem Komma und haben zum Aktionstag am 30. Jänner 2012 aufgerufen. Wir unterstützen diesen Protest natürlich uns hoffen auf eine zahlreiche Teilnahme – auch von KollegInnen aus den öffentlichen Diensten die im Sozial- und Gesundheitsbereich arbeiten und denen immer noch Nulllohnrunden drohen – wie übrigens auch jede Menge privater sozialer Vereine – etwa im Jugendbereich – deren Einkommensentwicklung an jene des öffentlichen Dienstes gekoppelt ist.

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Nur: was, wenn auch diese Proteste nichts bringen und die Arbeitgeberseite sich wenig verhandlungs- bzw. kompromissbereit zeigt? Dann sollte über Streik geredet werden, meint Stefan Taibl in einer Presseaussendung zum Aktionstag am 30. Jänner. Möglichst laut. Und nicht nur geredet.

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Ein Streik im Sozial- und Gesundheitsbereich – geht das denn überhaupt? Ist das denn KlientInnen, Familien, sonstigen Betroffenen zumutbar? Abgesehen davon, dass selbst in als nicht besonders „streikwütend“ geltenden Ländern wie Deutschland Streiks in Kindergärten, Krankenhäusern, Sozialeinrichtungen etc. inzwischen schon fast an der Tagesordnung stehen  –  es muss wohl. Denn:

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  • Machen öffentliche Hand – in ihrer Förderpolitik, und Geschäftsführungen – in ihrem Umgang mit den Beschäftigten, deren Einkommen und den Arbeitsbedingungen so weiter, dann herrscht im Sozial- und Gesundheitsbereich ohnehin bald Notstand. Dagegen gilt es sich genau JETZT zu wehren, damit es nicht schlimmer wird. Ein Streik, eine – teilweise – Arbeitsniederlegung, weil ein Notdienst natürlich bestehen bliebe wäre gegenüber sozialen Diensten, den Beschäftigten, den KlientInnen, den Angehörigen gegenüber geradezu „verantwortungsvoll“ um Schlimmeres abzuwehren.

 

  • Streiks machen dann Sinn, wenn sie spürbar sind, wenn sie „weh tun“. Das ist nun mal so. Kündigen Eisenbahner einen Streik an, ohne Züge zu bestreiken, bringt das wenig bis gar nix, wird eine derartiger Streik nicht wahrgenommen. Logisch.  Wenn BehindertenbetreuerInnen, PflegerInnen, SozialarbeiterInnen „Dienst nach Vorschrift“ machen, bzw. nur einen Notdienst aufrecht erhalten, für Pflege und Betreuung auf einmal die Familien, die Angehörigen zuständig sind, wird das natürlich für diese spürbar. Und für die Wirtschaft, weil plötzlich viele in Pflege“urlaub“ gehen müssen. Und je länger dieser Zustand andauert, desto bewusster wird der Wert sozialer Arbeit, der derzeit – zumindest hinsichtlich der Entlohnung – nicht besonders hoch eingeschätzt wird. Das erhöht dann den Druck der Betroffenen auf die Fördergeber.

 

  • Auch wenn ein Streik im Sozialbereich „weh tun“ würde. Es ist keineswegs gesagt, dass er nicht auf Verständnis stoßen würde. Beschäftigte in sozialen Berufen arbeiten vielfach „selbstausbeuterisch“, weil ihr Job eben Engagement verlangt, weil sie „an“, besser „mit“ Menschen, nicht an Maschinen arbeiten. Die hohen Burn-out Raten in sozialen Berufen zeugen von diesem Engagement, das an die psychische wie physische Grenze geht. Dass Pflegeberufe schlecht bezahlt ist, ist inzwischen auch weitestgehend bekannt. Pflegeberufe sind unterbezahlt, die „Billaverkäuferin“ als klassische Niedriglohnbezieherin hat inzwischen Konkurrenz durch „die Pflegerin“ bekommen. Und wie Einkommen der „Billaverkäuferinnen“ als ungerecht empfunden werden, gilt das zunehmend auch für „Pflegerinnen“ – nicht zuletzt, wo diese Arbeit doch als belastend, schwer und nicht immer als ganz einfach anerkannt wird. Ein Streik im Sozialbereich für faire Arbeits- und Einkommensbedingungen kann durchaus auf Sympathien stoßen.

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Soziale Arbeit ist mehr wert. Sie ist mehr wert als derzeit dafür gesellschaftlich aufgewandt wird. Sie muss entsprechend bezahlt werden und braucht Arbeitsbedingungen die „gute“ Arbeit ermöglichen. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand und der sozialen Vereine entsprechende Mittel und einen entsprechenden Rahmen sicherzustellen. Das Geld dazu wäre da: es bräuchte nur den entsprechenden politischen Willen über vermögensbezogene Steuern, die entsprechenden Mittel „abzuholen“. Für faire Arbeitsbedingungen – zu denen auch anständige, dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit annäherungsweise entsprechende Einkommen zählen – zu kämpfen, lohnt sich allemal – für die Beschäftigten, für die KlientInnen, Angehörige und Betroffenen und die Zukunft der sozialen Dienste überhaupt.

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Zur Presseaussendung: „Reden wir über Streik!“

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