Isolieren, Einsperren, Abschieben

Die neueste Gesetzesnovelle soll es leichter machen, abgelehnte AsylwerberInnen abzuschieben.

Ein Gastkommentar von Herbert Langthaler

Es ist Wahlkampf. Seit einem viertel Jahrhundert bedeutet das: von Halblinks über Rechts bis Ganzrechts werden die Flüchtlinge als Quell allen Übels vorgeführt. Waren es in den 1990er Jahren die Rumänen, später Afrikaner, dann Tschetschenen sind es zuletzt Afghanen. Bisher betraf es immer nur die „jungen Männer“ weil hormongesteuert und Gefahr für „unsere“ Arbeitsplätze. Insofern ist der Angriff auf Sozialleistungen, die geflüchteten Familien zustehen, eine neue Qualität, erklärt sich aber leicht aus dem eigentlichen Ziel der Kampagne: Sozialleistungen für alle bedürftigen Familien zu kürzen, auf ein Maß, das ein Überleben – von einem Leben in Würde ganz zu schweigen – kaum noch ermöglicht. In mehreren Bundesländern wurde die Mindestsicherung für Flüchtlinge bereits drastisch eingeschränkt und dieses Werk ist wohl noch nicht vollendet.

Restriktive Gesetze

Das In-Kraft-Treten des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes am 1. Oktober wird wahlkampftechnisch von der ÖVP sicherlich weidlich ausgeschlachtet. Erst nach der Wahl, am 1. November, werden die jüngsten Gesetzesverschärfungen im Asyl- und Fremdenrechtsbereich in Kraft treten /wirksam/ für neue Restriktionen sorgen. Worin bestehen diese Verschärfungen und welche Auswirkungen drohen in der Praxis?

Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Da sind einmal verschiedene Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit von AsylwerberInnen einschränken. Schon bei der Zulassung zum Asylverfahren kann „aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder für eine zügige Bearbeitung des Antrags“ dem/der AsylwerberIn ein bestimmtes Grundversorgungsquartier zugewiesen werden (Anordnung der Unterkunftnahme).

Betroffen sind davon vor allem Flüchtlinge, die ihren „Mitwirkungspflichten“ nicht nachgekommen sind oder einen neuen Asylantrag stellen obwohl sie ausreisen müssten. Die Agenda Asyl kritisierte in einer Stellungnahme die unklare Formulierung, die einen sehr weiten Anwendungsbereich ermöglicht.

Zweck dieser Regelungen scheint es zu sein, Flüchtlinge im Schnellverfahren in gesonderten Quartieren in allen Bundesländern unterzubringen.

Darüber hinaus dürfen alle AsylwerberInnen nur noch in jenem Bundesland wohnen, in das sie zur Grundversorgung zugewiesen werden (Wohnsitzbeschränkung). Ob sie in diesem Bundesland tatsächlich Grundversorgungsleistungen beziehen ist nicht von Bedeutung, die Wohnsitzbeschränkung gilt beispielsweise auch, wenn einem Asylwerber Grundversorgung entzogen wurde.

Dahinter scheint der Versuch zu stehen, insbesondere den Zuzug nach Wien zu erschweren. Hier haben sich im Laufe der Zeit viele nicht abschiebbare abgelehnte AsylwerberInnen niedergelassen und wurden aus humanitären und sicherheitspolitischen Überlegungen in die Grundversorgung aufgenommen.

Druck zu „freiwilliger“ Ausreise

Nach einem rechtskräftig negativen Bescheid und einer damit verbundenen Rückkehrentscheidung können Flüchtlinge zukünftig in Ausreisezentren des BMI (vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes) eingewiesen werden und dürfen sich dann nur noch in dem politischen Bezirk aufhalten, in dem diese Quartiere liegen. Die Strafen, mit denen ein Zuwiderhandeln drohen, können saftig sein: bei erstmaliger Übertretung 100 bis 1.000 Euro, im Wiederholungsfall mindestens 1.000 bis 5.000 – bei Uneinbringbarkeit drohen Haftstrafen bis zu drei Wochen.

Die ausreisepflichtigen Personen erhalten kein Taschengeld oder sonstige Zuwendungen, sondern nur noch Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. In solchen „Ausreisezentren“ soll Rückkehrberatung und Rückkehrvorbereitungen angeboten werden. Das Innenministerium hat die Standorte dreier Ausreisezentrum bekannt gegeben: Krumfelden in Kärnten, Fieberbrunn in Tirol und Steinhaus am Semmering in der Steiermark.

Erreicht werden soll damit in Verbund mit anderen Maßnahmen (siehe unten) die Zermürbung von abgelehnten AsylwerberInnen, die jeder Handlungs- und Bewegungsfreiheit beraubt, ihre Ausreise selbst organisieren sollen.

Durch mehrere Bestimmungen wird die Verpflichtung, an einer Rückkehrberatung teilzunehmen, verstärkt.

Ab 1.November droht eine Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro, wenn jemand mit einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nach Ablauf einer Ausreisefrist nicht ausgereist ist. Wer nicht bezahlt, kann bis zu 6 Wochen in Haft genommen werden. Ebenso ist zu bestrafen, wer trotz Einreiseverbot wieder einreist.

Bisher kam es immer wieder vor, dass Flüchtlinge zwar weder internationalen Schutz noch einen humanitären Aufenthaltsstatus zuerkannt bekamen, aber nicht abgeschoben werden konnten, weil sie keine Reisedokumente besaßen und die Botschaft des Herkunftslandes auch keine Heimreisezertifikate für eine Abschiebung ausstellte. Hier wird jetzt in der jüngsten Gesetzesnovelle ein Zwangsmittel eingeführt: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) kann per Bescheid dem abgelehnten Flüchtling den Auftrag erteilen, selbst bei der Botschaft ein Reisedokument zu beantragen und die Ausreise vorzubereiten. Wer nicht mitwirkt, kann mit Beugehaft (die im Verwaltungsvollstreckungsgesetz § 5 verankert ist) bestraft werden. So wird – zumindest gegenüber der Botschaft – aus einer Abschiebung eine „freiwillige Rückkehr“.

Wenn die Botschaft keine Papiere ausstellt bzw. wenn sich ein „Fremder“ der Abschiebung entzieht oder widersetzt (das betrifft nicht nur abgelehnte AsylwerberInnen), kann bis zu 18 Monate lang Schubhaft verhängt werden. Auch für Fälle, in denen die Abschiebung weniger schwierig ist, weil z.B. Dokumente vorliegen, wurde die Schubhaft verlängert (nunmehr drei Monate für mündige Minderjährige und sechs Monate für Erwachsene).

Abschiebungen und Widerstand

Die seitens der Behörden manchmal geäußerten Vorbehalte gegen ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge, bestätigten sich in den letzten Monaten wieder einmal: Wenn die Leute Flüchtlinge näher kennen lernen und eine menschliche Beziehung, ja Freundschaft entwickeln, wollen sie Abschiebungen nach rechtskräftig negativen Asylbescheiden nicht mehr akzeptieren.

Seien es Dublin-Rückführungen nach Kroatien, Abschiebungen nach Afghanistan oder auch ins vergleichsweise friedliche Armenien: der „gesunde Menschenverstand“ begehrt auf, vor allem dann, wenn Menschen nach jahrelanger Verfahrensdauer abgeschoben werden sollen.

Durch die neuen gesetzlichen Regelungen sollen AsylwerberInnen leichter isoliert, durch erheblichen Druck zur „freiwilligen“ Ausreise gezwungen oder schnell abgeschoben werden.

Widerstand gegen Abschiebungen seitens Freunden und FlüchtlingshelferInnen war bisher fast immer ein vereinzelter, Erfahrungen und Strategien wurden kaum ausgetauscht. Es wäre an der Zeit, dass sich aus den vereinzelten Aktionen so etwas wie eine Bewegung entwickelt, die strategisch vorgeht, und die Behörden unter Druck setzt. Gemeinsame Ziele könnten sein: Stopp aller Abschiebungen in Krisenregionen, eine vermehrte Anwendung der gesetzlichen Möglichkeiten für ein humanitäres Bleiberecht und ein Bekenntnis für das Ende des heillosen Dublin-Systems.

Die asylkoordination sucht dringend Menschen, die Flüchtlinge im Rahmen des Projekts connecting people als PatInnen unterstützen wollen. Infos und Anmeldungen unter www.connectingpeople.at

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