Menschenrechte sind unteilbar?

Eigentlich macht’s sprachlos. Trifft wie eine kalte Watsche ins Gesicht: die Stellungnahme von ÖGB und BAK zur Änderung des Asylgesetzes, inkl. „Notstandsverordnung“. Weder in Charakter noch in Inhalt spiegelt diese Stellungnahme die Stimmung und Diskussionen in den Gremien von AK und ÖGB wider – in weiten Teilen widerspricht sie sogar bisherigen Positionierungen.

 

Der ÖGB bekennt sich kompromisslos zum Menschenrecht auf Asyl! Dieses Menschenrecht ist unteilbar und daher unabhängig von Religion oder Herkunftsland zu gewähren,

hat der ÖGB-Bundesvorstand im Herbst 2015 einstimmig(!) beschlossen. Und weiter:

Keinesfalls dürfen wir in eine Zeit zurückfallen, in der Stacheldrahtzäune zwischen den europäischen Staaten wieder aufgezogen werden und Militär die Grenzen innerhalb Europas bewacht (…) Europa darf nicht zu einer Festung gemacht werden! Menschen auf der Flucht müssen Asyl beantragen können und dabei auf eine menschenwürdige Behandlung vertrauen können. (ÖGB-Position zur aktuellen Flüchtlingskrise, 29.10.2015)

Ganz anders liest sich dagegen die Stellungnahme zur Asylrechtsänderung:

Allerdings ist darauf zu achten, dass die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge mit den wirtschaftlichen, infrastrukturellen und sozialen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen ist (…) dass die relevanten Systeme (…) gesichert und vor Überlastung geschützt werden (…) Vor diesem Hintergrund verstehen ÖGB und BAK die Bemühungen der Bundesregierung, auf nationaler Ebene für eine Entlastung zu sorgen.

Während die Beschlusslage des ÖGB klar und deutlich ausdrückt:

Wir verwehren uns dagegen, das Ängste geschürt werden, um die Gesellschaft zu polarisieren, (ÖGB-Position zur aktuellen Flüchtlingskrise)

findet sich in der Stellungnahme von ÖGB/BAK kein einziges Wort der Kritik, dass dies gerade mit diesem Gesetzesentwurf und dem herbeigeredeten „Notstand“ passiere und Katastrophenstimmung geschaffen werde. Während der ÖGB im vergangenen Herbst noch gewusst hat

Angst kann man nicht verbieten, nur abbauen

und

für Menschlichkeit verbunden mit einer nachhaltigen politischen Strategie, welche die ArbeitnehmerInnen nicht auseinanderdividiert (ÖGB-Position zur aktuellen Flüchtlingskrise)

eingestanden ist, leistet man jetzt mit dieser Stellungnahme genau diesem Auseinanderdividieren Vorschub und macht sich damit zum Erfüllungsgehilfen der schmutzigen Geschäfte der extremen und autoritären Rechten.

Völlig fassungslos macht die protestlose Akzeptanz einer „Notstandsverordnung“ gerade durch die ArbeitnehmerInnenvertretung. Mensch muss nicht mal Geschichtsbücher wälzen, um sich zu erinnern:

Am 11. März 1933 beschäftigte sich die Vorständekonferenz der freien Gewerkschaften mit der verschärften politischen Lage (Ausschaltung des Parlaments) und erklärte ihre Entschlossenheit zum Kampf. Doch die Entschlossenheit wurde durch die Beschränkung der Bewegungsfreiheit (Streikverbot) und Notverordnungen, die allesamt die Lebens- und Arbeitsverhältnisse verschlechterten, geschwächt. (VÖGB-Skriptum „Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung bis 1945“, Seite 87)

Vermeintliche Staatsnotstände werden in autoritären Regimen immer wieder gerne herangezogen um wichtige Grund- und auch Gewerkschaftsrechte – etwa das Streik-, Demonstrations- und Versammlungsrecht – außer Kraft zu setzen. Wir erinnern uns auch noch, als 2009 freiheitliche Unternehmervertreter angesichts der Wirtschaftskrise den Notstand ausrufen wollten, um Bestimmungen des Arbeitsrechts, des ArbeitnehmerInnenschutzes, von Kollektivverträgen u.ä. als vermeintliche „Unternehmerkillergesetze“ für ungültig zu erklären. Hier jetzt als ArbeitnehmerInnenvertretung vorauszusetzen und blind darauf zu vertrauen,

dass ein solches Verordnungsrecht mit dem gebotenen Augenmaß

und

einer vertretbaren Verhältnismässigkeit (ÖGB/BAK-Stellungnahme zur Asylrechtsänderung)

ausgeübt werden würde, klingt schon grob fahrlässig. „Aus der Geschichte nichts gelernt?“, fragt sich die entsetzte Gewerkschafterin.

Keineswegs beruhigt es da, dass ÖGB und BAK davon ausgehen, dass dieses Verordnungsrecht

ausschliesslich im Asyl- und Fremdenrecht zur Anwendung gelangen (ÖGB/BAK-Stellungnahme zur Asylrechtsänderung)

. Hallo? Haben wir nicht in unserem ÖGB-Grundsatzprogramm (S. 115) stehen:

Der Kampf für die Menschenrechte muss auch weiterhin einer der wichtigsten Eckpfeiler gewerkschaftlicher Arbeit bleiben (…) Damit verbunden ist auch das entschiedene Auftreten der Gewerkschaften gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung

Haben wir uns nicht beim ÖGB-Bundesvorstand gegen das Auseinanderdividieren von ArbeitnehmerInnen ausgesprochen?

So nicht, meine Herren Präsdidenten der BAK und ÖGB! Welcher Teufel euch da auch immer geritten haben mag: Die Stellungnahme von ÖGB/BAK zur Asylrechtsänderung mag eure Position sein – sie ist nicht die Position von ÖGB/BAK! Wir haben gesagt:

Wir in Österreich haben die politische und moralische Verpflichtung zu helfen. Zur Erinnerung: Erst vor ein paar Jahrzehnten waren es viele Millionen Menschen (auch viele ÖsterreicherInnen), die vor den Gräueln des Nationalsozialismus fliehen mussten und in anderen Staaten aufgenommen wurden (…) Wir können diese Herausforderung bewältigen. (ÖGB-Position zur aktuellen Flüchtlingskrise)

Für uns sind Menschenrechte unteilbar – und nicht nur die Überschrift über einer Resolution. Schönen Dank auch an die GÖD-RichterInnen und StaatsanwältInnen, die in ihrer Stellungnahme ganz klar schreiben:

„Durch den vorliegenden Entwurf wird der Zugang zum Recht, also das zentrale Grundrecht eines Rechtsstaates erschwert, wenn nicht sogar eingeschränkt.

Ein entsprechendes NEIN der GewerkschafterInnen zur Asylrechtsänderung erwarte ich mir heute im Parlament.

 

Kommentar zu „Menschenrechte sind unteilbar?“

  1. Danke für diese Klarstellung.
    Dies Aussagen der Präsidenten bedürfen einer offiziellen Rüge , eventuell sogar eines Misstrauensantrages wegen Anbiederung an menschenrechtswidrige Positionen. Sehr bedauerlich, dass auch ÖGB und AK von Politikdarstellern präsidiert werden, statt von zukunftsweisenden Politikern.
    Es ist nicht nur hoffnungslos mit diesen Repräsentanten, sondern es könnte ernst werden mit blauem Präsidenten und blau-schwarzer Regierung.
    keine Freundschaft!
    Peter Degischer

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