Mindestsicherung: staatliche Krisenbewältigung – von Eliten für Eliten

Die Mindestsicherung soll nun also erst im Herbst 2010 kommen. Und in einer deutlich abgespeckten Variante. Statt 14 x soll es nur noch 12 x Euro 733,- im Jahr geben. Lagen schon die geplanten 14 x Mindestsicherung schon rund 45 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle von knapp Euro 900/Monat so liegen die 12 x natürlich noch deutlicher darunter. Eben rund Euro 170,-/Monat. Die SPÖ freut’s dennoch – zumindest den Sozial- und Arbeitsminister, den ehemaligen ÖGB-Boss Hundstorfer. Weniger freut’s die SP-LandespolitikerInnen. Und auch die Gewerkschaften.

Jedenfalls zeigt sich wieder einmal die Prioritätensetzung dieser SPÖ/ÖVP-Bundesregierung in Zeiten der Wirtschaftskrise. Armutsbekämpfung steht jedenfalls nicht ganz vorne. 200 Millionen Euro sollte die Mindestsicherung 14 x monatlich zusätzlich kosten. Sie wird nun billiger. Auf Kosten der Ärmsten.

Neiddebatte a la ÖVP

Die ÖVP ist stolz darauf, die SPÖ auf 12 x jährlich runter verhandelt zu haben. Nach ÖVP-Generalsekretär Kaltenegger gehe es schließlich darum, die Mindeststicherung nicht als „soziale Hängematte“ zu gestalten. Und außerdem fehle ohnehin das Geld, und das bißerl Geld was da sei, sollte dafür eingesetzt werden, Jobs zu schaffen, und nicht – eh schon wisse – „soziale Hängematten“. Die ÖVP setzt sich jedenfalls -wieder einmal – auf allen Linien sozialpolitisch durchgesetzt: keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, nicht einmal auf eine Nettoersatzrate von läppischen 60 %, wie von Hundstorfer und Gewerkschaften einmal sanft angedacht. Minisicherung statt Mindestsicherung. Keine Ausweitung der Negativsteuer, stattdessen deutliche Entlastung der einkommensstarken Gruppen. Und, und, und … die Liste läßt sich fortsetzen. Auch bei anderen Maßnahmen ist die ÖVP Gewinnerin: Bankenrettung ohne nennenswerte Auflagen. Staatshaftung für Unternehmenskredite – ebenso ohne nennenswerte Auflagen. Keine Börsenumsatzsteuer, keine Vermögenszuwachsbesteuerung, nicht einmal eine Diskussion darüber. „Neiddebatte“ heißt das Totschlagsargument. Neiddebatten darf nur die ÖVP führen. Und zwar nur gegen die unteren Einkommensschichten, gegen Arme, gegen diejenigen, die nicht wissen wie der finanzielle Alltag noch zu bewältigen ist. Die dringend eine Mindestsicherung brauchen. Die dürfen sich dann anhören, dass es für sie sicher keine „soziale Hängematte“ gibt. Die gibt’s nur für jene, die wunderbar von ihrem Vermögen und ihren Vermögenszuwächsen leben können. Die keine nennenswerten Steuern zu zahlen haben. Die SPÖ stimmt zu und knirscht mit den Zähnen. Allerdings nicht zu laut.

Großzügig gegenüber den Eliten – knausrig gegenüber allen Anderen

Die Bewältigung der Wirtschaftskrise verkommt zu einem Rettungsprogramm für die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten. Ist der Neoliberalismus schon ein Projekt der Umverteilung – von Einkommen, Vermögen, Macht – von unten nach oben, ein Projekt von den und für die Eliten, ist nun auch die staatliche Krisenbewältigung ein Projekt der Umverteilung von unten nach oben, ein Projekt von den und für die Eliten. Ulrich Brand, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Wien in einem Artikel unter dem Titel „Schlechter Markt – guter Staat?“ in der sozialdemokratischen Zeitschrift „ZUKUNFT“ dazu:

„Die tiefgreifende Transformation der Kräfteverhältnisse zeigt sich auch an den dominanten Formen aktueller Krisenintervnetion: Sie ist von oben gestaltet und setzt nicht auf die Umverteilung von Vermögen … und politischer Macht. In der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise dominieren staatsinterventionistische Politiken, die auf den ersten Blick nicht mehr neoliberal sind, aber bei genauerem Hinsehen eben jene mächtige Gruppen bevorzugen, die in den letzten zwanzig Jahren von den neoliberalen Entwicklungen profitierten … Am deutlichsten zeigt sich das bei den laschen Kontrollen im österreichischen ‚Bankensicherungspaket‘.“

Wer das Pech hat, nicht als wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitische Elite angesehen zu werden, kommt auch nicht in den Genuss der Rettung. Ein paar Brosamen fallen vielleicht ab. Die dürfen halt nur nicht zu teuer kommen. Denn die Elitenrettung ist bereits teuer genug. Ein kleiner Auszug:

  • Das Bankenrettungspaket: Da hat die Bundesregierung Partizipationskapital – also staatliche Eigenkapitalzurschüsse für Banken ohne Mitspracherecht beschlossen. 10 Mrd. Euro sind dafür bereits budgetiert und auch schon vergeben. Dafür erhält die Republik Zinsen. Allerdings nur, wenn die Bank auf Gewinne schreibt. Bei zwei Banken ist dies schon mal nicht der Fall. Ob andere folgen werden, weiß frau/mann noch nicht: bei der Hypo-Alpe-Adria und bei der Volksbankengruppen. Die machen keine Gewinne und zahlen daher auch nicht. Nach Oberösterreichischen Nachrichten heißt das: rund 150 Millionen Euro Zinseinnahmen gehen der Republik Österreich verloren. Für immer. Weil nachgezahlt – wenn die Zeiten besser sind – muss nicht.
  • Oder Steuerreform, Pardon, Steuertarifreform. Da gewinnen die reichsten acht Prozent aller EinkommensbezieherInnen 21 % des Entlastungsvolumens. In absoluten Zahlen 440 Millionen Euro. Familienpaket noch gar nicht dazu gerechnet. Erb- und Schenkungssteuer im Ausmaß von rund150 Mio Euro wurden bereits im letzten Jahr abgschafft. Privatvermögen aller Art, Erbschaften und Schenkungen egal in welcher Höhe und gewisse Arten von Vermögenszuwächsen bleiben weiterhin unbesteuert.
  • Oder Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz: hinter diesem Wortungetüm stecken Haftungen für Unternehmenskredite, für größere Unternehmen ab 250 Beschäftigten. Übrigens ein Herzenswunsch der Industriellenvereinigung, die dieses Gesetz auch gleichmal bejubelt hat. Gesamtvolumen: 10 Mrd. Euro, aus dem Bankenrettungspaket umgewidmet. Einzelhaftung: bis 300 Mio. Euro. Wie beim Bankenpaket ohne entsprechende Auflagen, Bedingungen etc. Bundeskanzler Faymann ist bereits vor Beschlussfassung davon ausgegangen, dass wohl so manche Garantien fällig und nicht mehr einbringbar sein werden.

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten müssen sich für all das nicht rechtfertigen. Sie bekommen es einfach. Wie selbstverständlich. Sie können sich auch ruhig weigern, ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise, die sie entschieden mitverursacht haben zu leisten. Wie selbstverständlich. Sie bekommen für ihre Verweigerung auch politische Rückendeckung, von ÖVP über BZÖ bis FPÖ und ihre publizistischen und professoralen Speerspitzen. Zinsausfälle aus dem Bankenrettungspaket – nicht so schlimm, ohnehin berücksichtigt.

Wer Mindestsicherung braucht, der muss sich dagegen schon einmal anhören, sich nicht einbilden zu dürfen, künftig in der „sozialen Hängematte“ zu liegen. Dem wird sie schon einmal gleich zu Beginn von 14 auf 12 Monate zusammengestrichen. Der/die wird einen Einkommensstriptease hinlegen müssen und vermutlich rund um die Uhr, allzeit für jeden möglichen Job zur Verfügung stehen müssen. Der/die, ja der/die muss sich rechtfertigen. Schließlich gebe es ja genug, die um das selbe Geld arbeiten. Und der Finanzminister lässt in seinem Ministerium auch schon fleißig rechnen: Anreize würden geboten die Arbeitszeit zu verkürzen, dafür weniger Lohnsteuer zu zahlen und Mindestsicherung abzucashen, läßt Pröll über seinen Pressesprecher verlautbaren ( DER STANDARD, ORF). Nun könnte frau/mann sagen, wie der Schelm denkt … Das ist ja jedem/jeder Teilzeitbeschäftigten gegenüber ungerecht, der/die um ein paar hundert Euro monatlich einem Job nachgeht!

Elende versus Elende

Die lassen sich leider auch allzu oft selber gerne für eine „Neiddebatte“ instrumentalisieren. Den Verteilungskampf sollen die Elenden unter sich selbst ausmachen, damit die Eliten bloß unbehelligt von irgendwelchen Verteilungsdebatten bleiben. Das System funktioniert gerade auch in Österreich bestens, sei es zwischen Hacklern und Arbeitslosen, zwischen In- und AusländerInnen oder unter den unterschiedlichsten MigrantInnengruppen. Das eigene Arbeitselend läßt sich immer noch am besten verkraften, wenn das Elend anderer noch schlimmer ist. Darauf setzt die Klassenpartei ÖVP. Darauf setzen FPÖ und BZÖ schon seit langem. Nur: Ungerechtigkeiten – Niedrigstlöhne, unfreiwillige Teilzeit, Armut trotz Arbeit, Druck am Arbeitsmarkt, miese Arbeitsbedingungen – lassen sich durch andere Ungerechtigkeiten – wie etwa der Verweigerung einer existenzsichernden Mindestsicherung, sozialstaatlichen Maßnahmen gegen Armut etc. – nicht beseitigen.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Wer am Arbeitsmarkt, beim Einkommen, also bei Fragen der nackten Existens für sich und seine/ihre Familie, Kinder etc., extrem unter Druck kommt, ist der/die beste GarantIn für steigenden Lohn- und Sozialdruck. Er/sie ist sicher nicht der/diejenige, die auf Löhne und Arbeitsbedingungen pochen kann, die eine menschenwürdige Existenz garantieren. Und bringt damit alle anderen Arbeitsverhältniss noch weiter unter Druck. Womit genau das passiert, was es ja durch „Neiddebatten“ angeblich zu verhinder galt.

Wer das Neidgeschäft von ÖVP, FPÖ und BZÖ besorgt, besorgt das Geschäft genau jener, die eine/n im Elend halten wollen. Die einen – FPÖ und BZÖ – leben gut davon, weil es ihre politische Geschäftsgrundlage ist, die Elenden gegeneinander auszuspielen und zu instrumentalisieren. Ein Ende des Elends wäre vielfach ein Ende ihrer politischen Agitationsbasis. Die anderen, die ÖVP braucht die Neidkomplexe der Unteren gegen die noch Unteren um erfolgreich von der verteilungspolitischen Schieflage ablenken zu können, und das Geschäft derjenigen zu bersorgen, denen die Konservativen als letzte Klassenpartei Österreichs im Wort ist. Nämlich das Geschäft der Eliten, die, nachdem sie über Jahrzehnte hinweg vom Neoliberalismus profitiert haben, sich nun auch über die großzügigen Mittel staatlicher Krisenbewältigung erfreuen wollen. Für welche die Elenden wie selbstverständlich aufzukommen haben …

3 Kommentare

  1. guter kommentar, ich werde auch dazu verlinken, bei https://www.ceiberweiber.at/index.php?type=&area=1&p=articles&id=1328

    (minisicherung oder das leben der anderen)

    ich denke, die ungleiche behandlung von reichen und armen, was man am so ungeheuer verständnisvollen umgang mit miesen manager sieht, hat auch damit zu tun, dass reiche ein gesicht haben, selber in die medien kommen, während über die armen geredet wird, sie daher als masse wahrgenommen werden.

    bezeichnend gestern im mittagsjournal aua-manager zu den 167 mio € halbjahresverlust (1 jahr mindestsicherung = 170 mio €), dem wurden keine kritischen fragen gestellt, er konnte alles auf rahmenbedingungen schieben. ist aber anzunehmen, dass jemand wie er die bedingungen eher kennt und auch eher verändern kann als arme. arme sollen aber rahmenbedingungen verändern, man redet auch über sie – im mittagsjournal war experte zu gast, der xmal danach gefragt wurde, ob nicht jemand die mindestsicherung ausnützen könnte.

    ich weiss, es ist schwer zu sagen, dass man arm ist, es ist schande, während miesen managern, die durch die von ihnen verursachten kosten die eigentlichen sozialschmarotzer sind, der rote teppich ausgerollt wird, aber es müssen leute sagen, dass sie betroffen sind, sie müssen auch zu pressekonferenz von kaltenegger und co. gehen, denn ein teil des drüberfahrens liegt auch daran, dass man die leute nicht kennt.

    und bei den banken ist wieder mal empörend, dass die bank austria den staatskredit damit rechtfertigt, dass die kunden ja kredite nicht zurückzahlen – verdammt noch mal, die banken nehmen den kunden alles weg, wenn sie kredite nicht zurückzahlen! bei uns werden auch viele menschen ihre wohnungen verlieren, mit staatlicher unterstützung, wie in den usa, denn die banken geben nichts von dem an die kunden weiter, was ihnen der staat großzügigerweise ermöglicht!

    bin bald selber betroffen, journalistin ohne job, ohne al-geld, kann wegen wohnung abbezahlen auch keine sozialhilfe kriegen – ich versuche alles, um arbeit zu finden, ich wollte mir auch schon das leben nehmen. und muss mir den scheiss von politik und managern anhören.

  2. Gertrude sagt:

    Mindestsicherung hin –
    Mindestsicherung her –
    Die Armut der Bevölkerung nimmt täglich zu!
    Viele Menschen wissen am 1. des Monates nicht von was Sie leben sollen!
    Die Armen werden immer mehr,…
    Die Reichen immer reicher,…
    Wo ist die gute alte Mittelschicht???

Dein Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.