Nachlese zur Veranstaltung: Verpflichtende Testung, verpflichtende Impfung, geht das, soll es das geben?


Vera Koller, Arbeiterkammerrätin der AUGE/UG und Vorsitzende der Unabhängigen GewerkschafterInnen

Am 17.12 hat eine digitale Veranstaltung der unabhängigen Gewerkschafter_innen zu diesem Thema stattgefunden. Betriebsrät_innen der UG haben sich darüber ausgetauscht was rechtlich möglich ist, im Betrieb sinnvoll und welche Fragestellungen uns noch bevorstehen. In den Betrieben zeigt sich kein einheitliches Bild. Dort wo Homeoffice möglich und gelebt wird, sind Testungen kaum Thema. Im Sozial-, Gesundheits-, und Pflegebereich dafür umso mehr. Viele Kolleg_innen haben lange darauf gewartet Testungen zu erhalten. Manche meinen es passiert noch immer zu wenig. Andere stört nicht die Testung an sich, sondern die Verpflichtung.

Obwohl verpflichtende Testungen arbeitsrechtlich eigentlich nicht zulässig sind, ist es durch den Kunstgriff der Regelung der 2. Covid Schutz-Maßnahmenverordnung (den Betreibern den Einlass von nicht getesteten Mitarbeiter_innen zu verbieten) gelungen, eine defakto verpflichtende Testung über die Hintertüre einzuführen. Damit bleibt den Beschäftigten gar nichts anderes über als sich testen zu lassen. Und obwohl diese Maßnahme durchaus sinnvoll ist, wird damit eine weitere Grenze während dieser Pandemie überschritten.

Auch das jetzt angekündigte „Freitesten“ am Ende des dritten Lockdowns bringt die Testverpflichtung durch die Hintertüre. Oft genug hören wir: „Ach, gegen eine kleine Testung ist doch nichts einzuwenden.“ Das mag stimmen und trotzdem handelt es sich bei der Frage testen oder nicht, grundsätzlich um eine persönliche Entscheidung. Selbst wenn die Meisten über die Möglichkeit des Testens froh sind, stößt ihnen das „Wie“ sauer auf.

Gerade jetzt vor Weihnachten zeigt sich, die Menschen sind eigenverantwortlich genug um dann, wenn sie es für notwendig betrachten einen Test durchzuführen. Um die Verwandten bei etwaigen Weihnachtsfeiern nicht zu gefährden, wollen mehr als bewältigbar eine kostenlose Testung bei den zahlreichen Teststraßen in Anspruch nehmen. Ohne große Kampagne, ohne großes Bewerben.
Auch bei der bevorstehenden Impfung wären alle handelnden Personen gut beraten, Verunsicherungen ernst zu nehmen und nicht ständig über Druck und Zwang zu philosophieren. Zur Zeit ist eine verpflichtende Impfung rechtlich ausgeschlossen. Es gibt keine diesbezügliche rechtlich Grundlage, aber wir wissen, das kann sich ändern. Solange nicht klar ist, ob eine Impfung die Weitergabe der Erkrankung hemmen kann, wäre eine arbeitsrechtliche Verpflichtung allgemein wohl schwer durchsetzbar.
Allerdings werden in Teilen des Gesundheitsbereiches schon länger nur Beschäftigte aufgenommen, die über die, auf der Liste der empfohlenen Impfungen, gelisteten Impfungen verfügen. Damit unterscheidet sich die Theorie von der Praxis. Zwar ist eine Gesamtanordnung rechtlich nicht zulässig, aber es bleibt den Beschäftigten oft nichts anderes über, als den Eingriff in ihre körperliche Integrität zuzulassen.

Eine Anordnungsmöglichkeit bietet § 17 Abs 3 für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen nur bei anzeigepflichtigen Krankheiten.

Viele begrüßen die Möglichkeit der Impfung, stören sich allerdings an einer Pflicht. Im privatrechtlichen Bereich ist eine Verpflichtung leichter umzusetzen als im Arbeitsrecht. Schon machen sich die ersten Flugunternehmen Gedanken über die Flugvoraussetzung Corona Impfung. Dabei könnten punktgenaue Testungen die Sicherheit vor Ansteckungen auch erhöhen.

Warum sind solche Verpflichtungen problematisch:
Nicht nur, dass eine Pflicht, meistens die Akzeptanz einer Maßnahme nicht erhöht, sondern das Gegenteil verursacht, leitet sich der Wunsch bzw. die Forderung nach einer Impflicht vom Gedanken der absoluten Sicherheit ab. Natürlich ist es sinnvoll, wenn sich möglichst viele impfen lassen. Natürlich wünschen wir uns alle, dass die Zeiten der Ungewissheiten und Einschränkungen vorbei sind. Aber aus diesem verständlichen Wunsch, aus einer moralischen Verpflichtung, einen rechtlichen Zwang abzuleiten ist höchst problematisch. Auch wenn wir uns den einfachen Weg der moralischen Entscheidungsgrundlage wünschen, birgt diese die Gefahr unterschiedlicher Moralvorstellungen. Wenn eine Grenze einmal überschritten ist, gibt es oft kein zurück. Ganz zu schweigen von den gesellschaftspolitischen Problemen, wie zb der Frage des gleichberechtigten Zugangs zur Impfung, der Frage der Beschränkung von EU Freiheiten…., die eine Impfpflicht mit sich bringen würde.

Für unsere Betriebsrät_innen ist klar, Impfen muss freiwillig bleiben. Und wenn man den Unsicherheiten und Fragestellungen auf Augenhöhe begegnet, wird sich auch hier zeigen, die Menschen handeln eigenverantwortlicher als es ihnen so mancher zutraut.

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