Neugebauer, Ikrath und ihr Gang zum Verfassungsgerichtshof. Oder: Wenn zwei das Gleiche tun …

… ist es noch lange nicht dasselbe

Fall 1: Fritz Neugebauer, der GöD-Chef und die Pensionen

Wer kennt ihn nicht. Fritz Neugebauer, mächtiger Vorsitzender der GöD, Zweiter Nationalratspräsident, entsprechend Nationalratsabgeordneter der ÖVP. Mit seinem „Betoniererimage“ kokettiert er in Interviews ganz gerne: Beton sei ein besonders solider Baustoff … Einer breiten Öffentlichkeit gilt er vor allem als Prototyp eines ewigen Neinsagers und Reformverweigerers, und wenn die Beamten in der Öffentlichkeit sich nicht ungeteilter Beliebtheit erfreuen, erfreut sich ihr Gewerkschaftsvorsitzender derselben noch weniger.

Neugebauer goes Verfassungsgerichtshof …

Nun, nachdem das Budget mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ beschlossen wurde, kündigt Neugebauer – jetzt nicht ÖVP-Abgeordneter sondern Gewerkschaftsboss – den Weg zum Verfassungsgerichtshof an, und zwar wegen der Pensionsreform: Das Antrittsalter für die Langzeitversichertenregelung – vulgo „Hacklerregelung“, die auch von BeamtInnen in Anspruch genommen wird, soll ab 2014 schlagartig von 60 auf 62 Jahre angehoben, in der Korridorpension die Abschläge für StaatsdienerInnen auf bis zu 15 % erhöht werden, eine Angleichung an die Bestimmungen im ASVG, aber gleichzeitig eine massive Verschlechterung – Nivellierung nach unten halt. Neugebauer rechnet sich gute Chancen aus, dass diese geplanten Pensionsreformen aufgrund ihrer Abruptheit vor dem Verfassungsgerichtshof als „unverhältnismäßig“ aufgehoben wird. Im Politmagazin des ORF Report konkretisierte Neugebauer den „Gang“ zum Verfassungsgerichtshof: GöD-Mitglieder, die eine entsprechende Beschwerde einbringen, werden von der GöD dahingehend voll rechtlich unterstützt. Und er habe – wie der ÖGB – schon im Vorfeld des Budgetbeschlusses darauf hingewiesen, dass die Reform der „Hacklerregelung“ nach gewerkschaftlichem Dafürhalten verfassungswidrig sei.

… und eine empörte ÖVP

Mehr hat’s nicht gebraucht. Vor allem in der ÖVP selbst gab es aufgeregte Empörung ob des Verhaltens von Neugebauer. Innenministerin Fekter zu Neugebauers Ankündigung: „Sich in Gremien nicht zu äußern und dann nach einer Woche aufzuwachen und eine Verfassungsklage anzukündigen halte ich für eine seltsame Vorgangsweise.“ ÖVP-Generalsekretär Kaltenegger: „Wenn jemand im Parlament etwas beschließt, und dann zum Verfassungsgerichtshof rennt, kann ich das nur als Selbstanzeige werten.“ Der zweite Nationalratspräsident müsse „für sich die Frage beantworten, wie er mit seinem Gewissen und seinem Mandat umgeht.“ Josef Pühringer, ÖVP-Landeshauptmann von Oberösterreich weiss nicht, „was Neugebauer da geritten hat. Wenn der zweite Nationalratspräsident einem Gesamtpaket seine Zustimmung gibt, muss das halten. Man kann sich nicht die Rosinen herauspicken.“ Kein Verständnis zeigt auch ÖVP-Klubobmann Kopf, der Kärntner ÖVP-Chef Martinz legt Neugebauer überhaupt den Rücktritt – als Gewerkschaftschef – nahe. Die allgemeine Medienschelte für Neugebauer war gewaltig, Spott und Hohn – vielfach berechtigt – waren ihm sicher.

Fall 2: Herr Ikrath, die Wertpapiersteuer, der VfGH …

Herr Michael Ikrath ist einer breiten Öffentlichkeit schon gleich viel weniger bekannt als der Herr Neugebauer. Michael Ikrath ist ebenfalls ÖVP-Abgeordneter. In seinem Hauptberuf – oder Nebenberuf, wer weiß das schon genau – ist er Generalsekretär des Sparkassenverbandes, manche würden ihn als „Bankenlobbyist“ bezeichnen, und diese Bezeichnung ist wohl auch zutreffend. Unter anderem zeichnet er für das Bankenrettungspaket verantwortlich, das den Banken Milliarden an Eigenkapitalzuschüssen und Garantien ohne entsprechend harte Auflage beschert hat. Auch Herr Ikrath hat als ÖVP-Nationalratsabgeordneter dem Budget und den entsprechenden Begleitgesetzen zugestimmt (dem Budgetbegleitgesetz zur Wertpapier-KESt nach eigener Aussage nicht, ebensolches Nicht-Abstimmen behauptet Neugebauer von sich selbst, weil er gerade den Vorsitz führte). Und auch er ist mit einzelnen Beschlüssen nicht ganz glücklich. Ihm haben es vor allem Bankensteuer und die neue Wertpapier-KESt angetan. Also kündigt er an, dass gegen die neue Wertpapier-KESt mit einer Verfassungsgerichtshofklage zu Felde gezogen wird, weil für die Banken viel zu teuer und unzumutbar.

Ikrath kündigt Individualbeschwerden beim Verfassungsgerichtshof an. Dafür bedürfe es nur der Kundmachung des Gesetzes, keines Bescheides. Stellvertretend für die ganze Branche würden wahrscheinlich aus jedem Sektor zwei bis drei Kreditinstitute Beschwerde führen, berichtet das Wirtschaftsblatt. In dem Fall dabei: die Erste/Sparkassengruppe. Und: Ikrath hofft, dass der Fall dann noch in der Frühjahrssession der VfGH entschieden wird. Mit Sicherheit freut ein derartiges Vorgehen auch die Raiffeisengruppe.

… und die Reaktionen der ÖVP und der Medien

Reaktion der ÖVP-Spitzen, auf die Ikrath-Ankündigung einer Verfassungsklage? Geharnischte Kritik der sonst um keine Wortspende verlegenen ÖVP- Landeshauptleute? Vom Klubobmann, der aus der WKÖ kommt? Von Martinz? Oder gar der „Schotter-Mizzi“? Wo sind Spott und Hohn seitens der Medien, die über Ikrath ausgegossen werden? Z’erst zustimmen und dann zum VfGH. Bruhaaa, weiß der nicht, was er tut? Der sonst bar nicht mundfaule Kaltenegger hüllt sich in diskretes Schweigen. Tja, beim Geld hört sich bekanntlich die Liebe auf – und wie man sieht auch Kritik, Spott und Hohn. Denn hier geht es nicht um einen bladen Gewerkschafter, sondern um eine straighten Banker. Der Eine wird diskret behandelt, sein Verhalten neutral oder gar nicht bewertet, schon gar nicht moralisch. Der Andere wird zum willkommenen Feindbild hochstilisiert. Sie beide vertreten Interessen. Wessen Interesse nicht nur in der ÖVP mehr zählt, wird offensichtlich.

Ein kleiner Schwenk: Von der Unvereinbarkeit von Partei- und Gewerkschaftsmandat …

Das offensichtlich unstillbare Bedürfnis sozialdemokratischer wie auch christdemokratischer SpitzengewerkschafterInnen, unbedingt ein Mandat für „ihre“ Parteien im Parlament einnehmen zu müssen, stößt seit je auf heftige Kritik seitens der Unabhängigen GewerkschafterInnen. Wir Unabhängigen GewerkschafterInnen halten es nämlich für schlicht unvereinbar, dass SpitzengewerkschafterInnen – vor allem Vorsitzende an sich überparteilicher Gewerkschaften – für Parteien im Parlament sitzen. Das spricht NICHT gegen GewerkschafterInnen im Parlament, ganz im Gegenteil. Es ist gut, wenn NR-Abgeordnete einen gewerkschaftlichen, ArbeitnehmerInnen-Hintergrund haben. Allerdings verträgt sich halt nicht jede Gewerkschaftsfunktion mit jeder Parteifunktion. Entweder überparteilicher Gewerkschaftsvorsitzender oder Nationalrat für eine Partei. Das sehen die Wichtigsten der Wichtigen unter den GewerkschaftsfunktionärInnen, die Unentbehrlichsten der Unentbehrlichen natürlich ganz anders, offensichtlich weil sie arbeitsmäßig mit der Funktion eines Gewerkschaftsvorsitzenden nicht ausgelastet sind.

Sie argumentieren, dass die Stimme der Gewerkschaften im Nationalrat natürlich unbedingt gehört werden müsse, und natürlich sie – ob sie jetzt Neugebauer oder Katzian heißen – am besten dazu geeignet sind, die Stimme zu erheben, weil sie ja als Vorsitzende besonders mächtig sind und entsprechend besonderes innerparteiliches Gewicht haben. Ihre Mandate sind allerdings für die Gewerkschaftsmitglieder meist – wie es im Volksmund heißt – „Nüsse“ wert. Hartnäckige Gerüchte behaupten sogar, die GewerkschafterInnen im Parlament – selbst jene im jeweiligen Klub – seien nicht einmal in der Lage, gewerkschaftliche Interessen abzustimmen und zu vertreten. Das können wir zwar so nicht überprüfen, wir glauben’s allerdings sofort. Denn die Erfahrung zeigt’s: Wenn’s bei Abstimmungen hart auf hart geht, sind diese GewerkschafterInnen entweder nicht im Plenum, oder sie unterwerfen sich wie selbstverständlich dem Klubzwang ihrer Partei und stimmen vielfach gegen Forderung ihrer Gewerkschaft oder des ÖGB. Als Vorsitzende von Gewerkschaften wären sie an deren Beschlusslagen gebunden, als Abgeordnete von Parteien – schmeck’s! Gewerkschaftskapperl runter, Parteikapperl rauf. Und umgekehrt: „Draußen bei die Leut’“, ja da wird natürlich gepoltert, was das Zeug hält. Drinnen, im Hohen Haus, sind sie dagegen überraschend leise. Aber wenn irgendwer ihr Verhalten anspricht, oder gar kritisiert – dann sind sie tödlich beleidigt. Ein Trauerspiel …

Das war bei der Reform des ArbVG so (wir berichteten). Nun, halt auch beim letztjährigen Budgetbeschluss am 22. Dezember mit den beschlossenen Sparpaketen. Da war’s nicht viel anders. Viel Gepoltere seitens Katzian, Neugebauer und Co. im Parlament selbst war nicht zu vernehmen, SPÖ und ÖVP beschlossen das Budget nebst entsprechenden Begleitgesetzen. Gegenstimmen gab’s keine. Neugebauer als gerade „amtierender“ Vorsitzender konnte gar nicht mitstimmen.

Wieder zurück zu ÖVP-GÖD-Neugebauer : jedenfalls kritisierenswert, aber …

Auch von Seiten der Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GöD setzt es immer wieder heftige Kritik am Gewerkschaftschef – ob in Fragen der untätig abwartenden Budgetpolitik, ob in der eines gemeinsamen Bundesdienstrechts der LehrerInnen, der gemeinsamen Schule oder bei Bildungsreformen insgesamt, oder wenn es um sein überholtes Verständnis von Gewerkschaftspolitik im öffentlichen Dienst geht. Denn die GöD ist angesichts zahlreicher Ausgliederungen und der wachsenden Zahl privatrechtlicher, auch atypischer und selbst prekärer Dienstverhältnisse im öffentlichen Dienst schon lange keine „Beamtengewerkschaft“ mehr, allerdings scheint das noch nicht in die GöD-Zentrale vorgedrungen zu sein. Auch in Sachen Anerkennung der Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GöD als Fraktion – die UGöD erzielte bei den letzten PV-Wahlen erneut rund 9 % der Stimmen – tat und tut sich nichts in der Ära Neugebauer.

… typisch ÖVP: wenn zwei das Gleiche tun …

Der GÖD-Vorsitzende Neugebauer wurde von den Unabhängigen GewerkschafterInnen auch dafür heftig kritisiert, dass er – wie alle anderen GewerkschafterInnen im Nationalrat auch – nicht gegen das unsoziale Budget und die entsprechenden Begleitgesetze gestimmt hat. Das gilt aber nicht für sein nunmehr gewerkschaftliches Agieren gegen die beschlossene Pensionsreglung. Die ÖVP-Kritik an Neugebauer, der als Nationalratsabgeordneter zuerst zustimmt, um dann als GÖD-Chef dagegen zu sein, ist vom Parteistandpunkt nachvollziehbar.

Als Gewerkschaftschef kündigt er allerdings an, das zu tun, wofür Gewerkschaft eigentlich da ist: nämlich Klagen von Gewerkschaftsmitgliedern, die durch die geplanten Pensionsreformen negativ betroffen sind zu unterstützen und auch den Gang zum Verfassungsgerichtshof zu beschreiten. Neugebauer mag einem/einer unsympathisch sein, man/frau mag BeamtInnen mögen oder nicht, Neugebauer kündigt das an, was sich Gewerkschaftsmitglieder von einem Gewerkschafter erwarten dürfen.

Die ÖVP hat Neugebauer in den Nationalrat geholt, sie muss mit ihm leben. In Summe hat Neugebauer der Glaubwürdigkeit der Gewerkschaftsbewegung wieder einmal einen Bärendienst erwiesen. Die Kritik der Unabhängigen GewerkschafterInnen, dass ein Spitzenmandat im Gewerkschaft und Partei unvereinbar ist und dem Ansehen der Gewerkschaften schadet, hat er einmal mehr bestätigt. Die ÖVP hat mit Gewerkschaftsforderungen aber generell ein Problem. Sie billigt einem Gewerkschaftsvorsitzenden offensichtlich nicht zu, gegen Verschlechterungen im Pensionsrecht für ArbeitnehmerInnen zum Verfassungsgerichtshof zu gehen, aber wenn´s um Banker und deren Interessen geht, ist alles ganz anders. Wie die Causa Ikrath zeugt.

… ist es noch lange nicht dasselbe

Gleiche Empörung in Schwarz im Fall des Bankenlobbyisten wie beim schwarzen Gewerkschaftsvorsitzenden? Aber woher! Für Banken und deren Anliegen zeigte die ÖVP schon immer mehr Verständnis, als für ArbeitnehmerInnen und ihre Altersvorsorge. Und natürlich auch die Medien. Welche ArbeitnehmerInnen, welche PensionistInnen, welche öffentlich Bedienstete, schalten schon Inserate in Zeitung, schalten Werbung in Radio und Fernsehen.

Im Gegenteil: Treichl und Co. sind wieder willkommene Gesprächpartner, dürfen in Interviews immer noch Ratschläge aller Art geben, geht es jetzt um Budgetkonsolidierung, Sparen, wirtschaftliche Notwendigkeiten, was auch immer …. als ob nichts gewesen wäre. Real existierende ÖVP. Real existierende Medienwelt. Real existierendes Österreich ….

Aber nicht mit uns!

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