Pflegelehre – eine konzeptlose Forderung
8. März 2021 von auge/ug
UG-Arbeitsgruppe Pflege, Gesundheit und Soziales
Ein Beitrag von GeSoPfle, der Arbeitsgruppe für Gesundheit, Soziales und Pflege der UG
Die Wirtschaft – was immer konkret darunter zu verstehen ist – fordert lautstark eine Pflegelehre. Vordergründig, um der Pflegekrise entgegenzuwirken, nicht ganz so vordergründig, um durch billiges Personal Kosten im System zu sparen.
Diese Forderung ist wohl eher einem Reflex als einem Konzept geschuldet. Ein Lehrberuf unterliegt der Gewerbeordnung. Die Europäische Union sieht keine Lehrlingsausbildung in Gesundheitsberufen vor. Um eine Pflegeausbildung tatsächlich wie eine Lehre zu gestalten, müssten Gewerbeordnung, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Berufsausbildungsgesetz und EU Gesetze geändert werden. Soweit der theoretische Teil des Problems Pflegelehre.
Nun zum Alltag in der Pflege: Was bedeuten Lehrlinge im Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen, im Außendienst bei der Bevölkerung? Es braucht einen Ausbildner, in der Regel eine Ausbildnerin, die sich um diesen heranwachsenden Menschen intensiv bemüht. Das heißt, in einer Krisensituation soll den bestehenden KollegInnen noch eine Mehrbelastung zugemutet werden. Und sollten die KollegInnen das aufgrund der Arbeitsdichte nicht schaffen, werden sich diese jungen Menschen bald wieder aus diesem Bereich verabschieden, womit eines jedenfalls erreicht wird: viel Unruhe im System ohne Nutzen für erkrankte Menschen.
Die nächste Frage, die sich stellt, ist die nach den Aufgaben. Was soll das Tätigkeitsfeld dieser KollegInnen sein? Wodurch unterscheidet sich ihr Tätigkeitsbereich von der Tätigkeit der Heimhilfe, der Pflegeassistenz oder der Pflegefachassistenz?
Was ist der Mehrwert einer weiteren Hierarchieebene?
Pflege ist ein hochsensibler Bereich. Wir begegnen nicht selten Menschen im Ausnahmezustand. Hier braucht es medizinisches, pflegerisches und soziales Wissen, um eine gute Unterstützung und eine tatsächliche Hilfe sein zu können. Und deshalb ist in diesem Bereich Bildung – eine gute Ausbildung, die Menschen durch ihr Wissen befähigt, anderen zu helfen – absolut notwendig.
Ein BHS Modell als Gegenkonzept zum Lehrberuf als Ausbildungsweg für die Pflegeassistenzberufe ist ein guter Weg, den Abschluss einer Berufsausbildung mit der Hochschulreife zu verbinden und so Karriereperspektiven zu eröffnen. Ein BHS Modell würde zudem unmittelbar an die Sekundarstufe II des heimischen Bildungswesens anschließen, ohne dass ein zeitlicher Verlust in Kauf genommen werden müsste.
Der Diskurs zum Thema Pflegelehre zeigt jedenfalls, dass wieder einmal am eigentlichen Problem vorbei debattiert wird. Tatsächlich ginge es darum, diese Berufe – natürlich auch im Rahmen der Ausbildung – attraktiver zu gestalten und ihm damit mehr Anerkennung in der Gesellschaft zu verschaffen. Mit der derzeitigen Debatte wird man das wohl kaum erreichen.
Die Pflegeausbildung gehört gleich organisiert wie die Polizei-/Justizwache- und
(Unter)Offiziersausbildung. Das bedeutet Volljährigkeit, eine abgeschlossene
Ausbildung (Lehre, Matura) sowie eine entsprechende Entlohnung bzw. Anrechnung der Ausbildungsphase als Vordienst- und Pensionszeiten (z.B. wie bei der Polizei, …). In Tirol muss man für die Ausbildung bezahlen (€ 350,–/Semester) sowie für die Lebenshaltungskosten selbst aufkommen.
Während der Praktikumsphase (z.B. in Seniorenheimen), hat man nicht einmal Zugang zu einer begünstigten Verpflegung. Sooo funktioniert dies nicht.