Präsidentschaftswahlen: Wie ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaftsmitglieder wählten

VDB16_Header_Desktop_Danke_FinalDie Präsidentschaftswahlen sind geschlagen. Knapp aber doch hat Van der Bellen die Wahlen gewonnen. Hofer – und damit ein extrem rechter, aus dem Burschenschaftermilieu kommender FP-Chefideologe – konnte als Staatsoberhaupt erfolgreich verhindert werden. Einen wesentlichen Anteil an Van der Bellens Sieg und Hofers Niederlage haben dabei die Frauen – und die Gewerkschaftsmitglieder.

Was wären Wahlen ohne Wahlanalysen. Wer hat wie gewählt? Was waren die entscheidenden Wahlmotive? Wie wählten ArbeiterInnen? Wie Angestellte? Haben Gewerkschaftsmitglieder ein vom Durchschnitt abweichendes Stimmverhalten? Die Nachwahlbefragung des SORA-Instituts und des Instituts für Strategieanalysen ISA liefert Antworten auf diese Fragen.
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Hofer stark bei ArbeiterInnen, Van der Bellen bei Angestellten und öffentlich Bediensteten
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War Hofer im ersten Wahlgang noch bei (fast) allen ArbeitnehmerInnengruppen der stärkste Präsidentschaftskandidat, erzielte Van der Bellen im zweiten Wahlgang sowohl bei den Angestellten (60 Prozent) als auch öffentlich Bediensteten (55 Prozent) eindeutige  Mehrheiten. Lediglich unter den ArbeiterInnen errang Hofer mit 86 Prozent eine – wenn auch sehr deutliche – Stimmenmehrheit. Interessant das Stimmverhalten bei den PensionistInnen: Wählten im ersten Wahlgang 34 Prozent Hofer aber nur 11 Prozent Van der Bellen, erzielte VdB beim zweiten Wahlgang mit 51 Prozent sogar eine knappe Mehrheit. Bei den Selbständigen blieb Van der Bellen mit 47 Prozent in der Minderheit. Ähnlich verhält es sich bei den ArbeitnehmerInnen insgesamt: aufgrund des massiven Überhangs bei den ArbeiterInnen lag der WählerInnenanteil bei den ArbeitnehmerInnen für Van der Bellen ebenfalls bei 47 Prozent.

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Pessimistische ArbeitnehmerInnen wählten Hofer
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ArbeitnehmerInnen, die sich eine Verbesserung der Lebensbedingungen in Österreich erwarten wählten relativ ausgeglichen Hofer (52 Prozent) und Van der Bellen (48 Prozent). Ausgesprochene PessimistInnen wählten dagegen in überwältigendem Ausmaß Hofer (71 Prozent). Einen  deutlichen Überhang für Van der Bellen (58 Prozent für VdB zu 42 Prozent für Hofer) gibt es bei jenen ArbeitnehmerInnen, die sich keine wirkliche Veränderung der Lebensqualität in Österreich erwarten.
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Gewerkschaftsmitglieder: Klare Mehrheit für VdB, aber …
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Wahlverhalten_Gew_1_WahlgangDeutliche Unterschiede zeigen sich beim Wahlverhalten von Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitliedern – sowohl im ersten wie auch im zweiten Wahlgang. Im ersten Wahlgang wählten etwa Gewerkschaftsmitglieder zu 26 Prozent (Nicht-Gewerkschaftsmitglieder: 6 Prozent) den ehemaligen ÖGB-Präsidenten und Sozialminister Hundstorfer. Mit 32 Prozent der Stimmen lag Hofer zwar auch in der Gruppe der Gewerkschaftsmitglieder vor Hundstorfer aber unter dem Bundesschnitt und deutlich unter den Hofer-Stimmen von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern (39 Prozent). Van der Bellen lag mit 17, Griss mit 15 Prozent bei den Gewerkschaftsmitgliedern unter dem Durchschnitt.

Wahlverhalten_GewIm zweiten, entscheidenden Wahlgang wählten die Gewerkschaftsmitglieder dagegen mehrheitlich Van der Bellen:  Während er bei den Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern mit 49 Prozent hinter Hofer zurückblieb, lag er bei den Gewerkschaftsmitgliedern mit 55 Prozent deutlich vor seinem rechten Konkurrenten. Aber: Mit 45 Prozent war allerdings Hofer als Kandidat einer ausgewiesen gewerkschafts- und AK-feindlichen Partei, die regelmäßig gegen Gesetze stimmt, welche die soziale Lage der ArbeitnehmerInnen verbessern, doch überraschend stark.
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Frauen für Van der Bellen
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Am signifikantesten sind allerdings die Unterschiede beim Wahlverhalten nach Geschlechtern: So haben nur 40 Prozent der Männer, allerdings 60 Prozent der Frauen Van der Bellen gewählt. Entsprechen umgekehrt verhält es sich bei der Wahl Hofers: für den FPÖ-Kandidaten haben sich 60 Prozent der Männer aber nur 40 Prozent der Frauen entschieden. Besonders viele weibliche Van der Bellen-WählerInnen gab es dabei unter den bis 29-Jährigen (67 Prozent), bei den Männern wählten überdurchschnittlich häufig die 30- bis 59-jährigen Hofer. Geschlechtsspezifisch ergab sich Altersunabhängig ein recht einheitliches Stimmverhalten: In allen Altersgruppen lag bei den Frauen Van der Bellen, bei den Männern Hofer vorne.
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Hofer-WählerInnen für autoritären Präsidenten
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77  Prozent der Hofer-WählerInnen stimmten der Aussage ganz oder ziemlich zu, wonach Österreich einen „starken Präsidenten“ braucht, „der Regierung und Parlament sagt, was sie zu tun haben.“ Bei den Van der Bellen WählerInnen liegt dieser Anteil nur bei 43 Prozent. Umgekehrt sehen die Van der Bellen WählerInnen eine stärkere Rolle beim Parlament als beim Bundespräsidenten. Demnach stimmen 71 Prozent der Van der Bellen WählerInnen der Aussage ganz oder ziemlich zu, dass, der Bundespräsident seine politischen Vorstellungen „immer der Mehrheit im Parlament unterordnen“ sollten. Bei den Hofer-WählerInnen liegt dieser Anteil bei  45 Prozent.
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Wahlmotiv „Verhinderung des Gegenkandidaten“
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Während bei den Hofer WählerInnen die Wahl des eigenen Kandidaten mit 39 Prozent an erster Stelle stand, war dieses Wahlmotiv unter den Van der Bellen WählerInnen mit 29 Prozent relativ gering. „Den Gegenkandidaten verhindern“ als alleiniges Wahlmotiv war für 29 Prozent der Hofer- und 23 Prozent der Van der Bellen-WählerInnen ausschlaggebend. Für 48 Prozent der VdB waren beide Wahlmotive gleich wichtig, dagegen nur für 31 Prozent der Hofer-WählerInnen. Den „Gegner zu verhindern“ war bei den Van der Bellen-WählerInnen jedenfalls treibenderes Motiv als bei den Hofer-WählerInnen – was angesichts der stärker ausgeprägten parteipolitischen Vielfalt der Van der Bellen-WählerInnen allerdings nicht sonderlich verwundert, wurde Hofer doch bei seinen parteipolitisch ungleich homogeneren WählerInnen stärker als „eigener“ Kandidat wahrgenommen, als Van der Bellen bei seinen UnterstützerInnen.
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Wahlverhalten nach formalen Bildungsabschlüssen – und warum dieses hinterfragt werden sollte
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Regelmäßig abgefragt wird auch das Wahlverhalten nach formalen Bildungsabschlüssen. Es ergibt sich aus bereits oben erwähnten Daten das naheliegende: Wenn ArbeiterInnen zu 85 Prozent Hofer wählen wird das Wahlverhalten von ArbeiterInnen typischen Bildungsabschlüssen nicht wesentlich anders ausfallen. Überraschend ist dabei, das PflichtschulabsolventInnen allerdings dennoch zu 45 Prozent Van der Bellen wählten, während FacharbeiterInnen – also ArbeiterInnen mit Lehrabschluss schon nur noch zu 33 Prozent ihre Stimme dem ehemaligen Grünen-Chef gaben. MaturantInnen und AbsolventInnen einer Hochschule wählten dagegen zu 73 bzw. 81 Prozent den neuen Bundespräsidenten. Wahlentscheidungen insbesondere auf Bildungsabschlüsse zurückzuführen, erscheint allerdings nicht zuletzt deshalb problematisch, weil mit dem Bildungsgrad eng zusammenhängende Arbeits- und Lebensbedingungen zu wenig Berücksichtigung finden.
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Hat gewirkt: Wahlaufruf der Initiative "GewerkschafterInnen für Van der Bellen".

Hat gewirkt: Wahlaufruf der Initiative „GewerkschafterInnen für Van der Bellen“.

So sind MaturantInnen bzw. AkademikerInnen aufgrund des späteren Berufseintritts etwa noch nicht so rasch der tendenziell autoritär geprägten Betriebs- und Arbeitsrealität ausgesetzt, wie etwa Lehrlinge oder PflichtschulabgängerInnen. Der Betrieb ist nach wie vor ein System von Herrschaft und Kontrolle, eine weitgehend demokratiefreie Zone, in der jede Nichtbefolgung von Anweisungen ökonomische Sanktionen – nämlich den Verlust von Arbeitsplatz und damit Einkommen – zur Folge haben kann.  Im Gegensatz dazu stellen sich „höhere“ Bildungsinstitutionen bzw. ein höherer Bildungsweg – hinsichtlich Organisation wie auch Partizipation der unmittelbar betroffenen – bei allen bestehenden Demokratiedefiziten ungleich demokratischer bzw. selbstbestimmter dar. Dass unmittelbar erlebte Demokratie bzw. Nicht-Demokratie in der Arbeits- bzw. Lebenswelt unmittelbare Auswirkungen auf Wertehaltungen wie auch auf das Wahlverhalten hat, belegt längst eine Vielfalt wissenschaftlicher Untersuchungen. Wahlergebnisse sagen in diesem Zusammenhang mehr über die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft im Ganzen und einer Wirtschaft im Besonderen aus, als über den Einfluss von Bildungsabschlüssen auf das Wahlverhalten.
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Konklusio
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Aus einer gewerkschaftlichen Perspektive ist das Wahlergebnis natürlich außerordentlich erfreulich. GewerkschafterInnen aller Funktionsebenen haben klare Wahlempfehlungen für Van der Bellen ausgesprochen, mit der Initiative „GewerkschafterInnen für Van der Bellen“ haben auch an der Basis BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen und andere BelegschaftsvertreterInnen für Van der Bellen mobilisiert. Zuletzt erfolgreich. Dass Van der Bellen eine Mehrheit errungen hat, ist nicht zuletzt auch Verdienst der Gewerkschaften und Gewerkschaftsmitglieder.

13095927_10209542337778546_1239913746980508556_nDie Unterstützung Van der Bellens war – gerade aus einer gewerkschafts- und arbeitnehmerInnenpolitischen Sicht –  inhaltlich gut begründet, wie nicht zuletzt auf der Website der Initiative nachzulesen ist. Dass dennoch 45 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für Hofer gestimmt haben und sogar 85 Prozent der ArbeiterInnen insgesamt, zeugt allerdings von dringendem Handlungsbedarf. Denn auch wenn vorerst einmal eine Auseinandersetzung mit der extremen Rechten gewonnen wurde – die nächsten stehen bevor.

Was allerdings – trotz beinahe 50 Prozent Rechts-WählerInnen – nicht unberücksichtigt bleiben sollte: die extreme Rechte hat es einmal mehr nicht geschafft – in einer für sie politisch so vorteilhaften Situation: Spätestens seit Silvester und den Ereignissen in Köln waren die Medien  in eine phasenweise geradezu hetzerische Anti-Asylstimmung gekippt, waren die Zeitungen voll mit Artikeln über tatsächliche und vermeintliche „Hot-Spots“ der Gewalt und der Kriminalität, musste der Eindruck entstehen, in Österreich herrsche längst Chaos und Gesetzlosigkeit. Die Regierung tat das ihrige dazu, diese Stimmung auch noch zu verstärken – mit martialischen Aufmärschen und Aufmarschplänen an der Grenze, mit der Heraufbeschwörung eines drohenden Notstands und der entsprechenden Gesetzgebung. Die „Aufrüstung“ der österreichischen Privathaushalte ist da nur noch die gemeingefährliche Draufgabe zur allgemeinen Hysterisierung des Landes. Alles zusammen eine Mischung, worauf rechtsextreme Wahlsiege gebaut sind. Dass in diesem panischen, aufgeladenen Klima ein ausgewiesen (links-)liberaler, Ex-Grüner Präsidentschaftskandidat eine – wenn auch knappe – Mehrheit erreichen konnte und nun Bundespräsident der Republik ist, grenzt da beinahe an ein Wunder.

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