„Schuldenbremse aktuell, Teil 2: Grüne Wirrungen

Blick ins Grüne. Dort ist mann/frau scheinbar noch ganz besoffen vom letzten EU-Gipfel. Zumindest einer: Peter Pilz. Wer solche Freunde hat, braucht kaum Feinde mehr. Nun, war die Position Zustimmung zu Schuldenbremse nur gegen Vermögenssteuern schon nicht unproblematisch – die Einführung von Vermögenssteuern macht den Unsinn einer Schuldenbremse nicht sinniger – hat sich die Frage einer Zustimmung Dank der Blockade in Schwarz ohnehin nicht gestellt. In Grün braucht es – im Gegensatz zu rot – keinen Nationalratsbeschluss, sondern da reicht ein EU-Gipfel-Beschluss. Wohlgemerkt: Da sitzen 27 Regierungschefs – von mehrheitlich konservativ-neoliberalen dominierten Regierungen – beinander und beschließen – wie zu erwarten ist – Konservatives. Da dieses Konservative allerdings auf EU-Ebene beschlossen wird, schaltet sich bei manchen Grünen eine der Schuldenbremse analogen Denkblockade ein, die da wie folgt lautet: wenn „die EU“ was beschließt, sind die Rechten dagegen. Wenn die Rechten dagegen sind, dann müssen Grüne dafür sein, weil, ja holla, wir sind ja Europa! Wir sind ja die Europapartei!

Und mag da noch so ein Quargel verabschiedet werden, den kein Grüner und keine Grüne auf Österreich-Ebene niemals nicht zustimmen würde, weil eben „konservativ“. Kommt’s aus Europa iss’es klass und suppi-duppi-heppi-peppi-toll und total Anti-Rechts-FPÖ-Strache. Da kann man sich doch nicht verweigern, da kann man doch nicht draußen stehen, nein, nein … Und so argumentiert auch Pilz – bezeichnenderweise mit „Grüne Verantwortung jetzt“ – in seinem BLOG:


„26 der 27 EU-Mitglieder sind bereit, gemeinsam aus der Krise zu kommen. Nur Großbritannien ist nicht dabei. Damit ist die EU den größten Mühlstein um den eigenen Hals vorläufig los.“

Nun, jeder einigermaßen fortschrittliche Ökonom wird so ziemlich das Gegenteil behaupten und eher davon ausgehen, dass das, was da beschlossen wurde KEIN Ausweg aus der Krise ist sondern eher das Gegenteil, aber 26 mehrheitlich konservative EU-Regierungen und ihre sozialdemokratischen Hampelmänner, die uns seit Jahren so erfolgreich in die nächste Krise hineinmanövrieren können nicht irren.


„Die Schwäche der Einigung ist allen bewusst. Einig ist man sich nur über das Sparen, und das ist sowohl notwendig als auch gefährlich. Notwendig ist es, weil überall die Schulden weit über der Verantwortungsgrenze liegen. Gefährlich ist es, weil falsches Sparen die Wirtschaft abwürgt und mit Bildung und Sozialem noch einmal die Falschen treffen kann.“


Na immerhin. Das Blöde ist nur: liest man das nicht einmal Kleingedruckt in den EU-Beschlüssen – egal von konservativ dominierter Kommission, von konservativ dominiertem Rat, oder konservativ dominiertem Parlament zielt quasi so gut wie alles, was da beschlossen worden ist, auf einen drastischen Rückbau von Sozialstaatlichkeit – insbesondere bei Pensionen und Gesundheit – ab. Auch bei der Arbeitsmarktpolitik, bei der sozialen Sicherheit, bei der Lohnfindung etc. geht es schnurstracks in die gleiche, neoliberale Krisenrichtung. Wer Augen hat zu sehen, der sehe, wer im EU-Rausch ist, werde bitte wieder nüchtern! Ach ja: Im EU-Parlament haben übrigens die Grünen gegen die Verschärfungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts mit automatischen Sanktionsmechanismen, rigiden Sparauflagen etc. gestimmt. In Österreich will Peter Pilz mit Grünen Stimmen eine Schuldenbremse in der Verfassung verankern.

Denn „… jetzt geht es um die Schuldenbremse,“ führt Pilz weiter aus. „Faymann und Spindelegger wissen, dass die Verfassungsmehrheit wahrscheinlich nur mit uns möglich ist, weil das BZÖ ein ebenso zerstrittener wie verantwortungsloser Haufen ist.“ Grüne dagegen „mit Verantwortung“ siehe oben. Für einen verantwortungslosen konservativen Kurs in Europa.

„Ich weiß, dass einige Grüne die Schuldenbremse kategorisch ablehnen.“ Pilz spielt den Verständigen. „Mit vielen ihrer Argumente haben sie recht. Trotzdem bin ich für die Zustimmung.“ Alles andere hätte auch überrascht. Und warum? „Erstens muss endlich intelligent gespart werden: bei der Hacklerregelung, bei der Verwaltung, beim Agrardiesel, bei den Bundesländern… Damit muss sofort begonnen werden.“ Aha. Und dafür brauch’ts eine Schuldenbremse? Für intelligentes Sparen?

„Zweitens haben sich jetzt 26 EU-Staaten auf die Schuldenbremse festgelegt. Da können wir nicht einfach „Nein“ sagen.“

Und warum nicht? Man nehme einmal an, die 26 EU-Staaten würden sich auf eine rabiate Verschärfung des Asylrechts mit de facto Abschaffung und für Massenabschiebungen einigen. Dafür bräuchte die Österreichische Bundesregierung eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Na, da wäre ein täteretäää in grün der Fall! Niemals nicht, da wären die Grünen die ersten NEIN-Sager und stolz darauf und recht hätten sie … Aber bei der Schuldenbremse? It’s economy, stupid! 26 konservativ dominierte Regierungen haben sich auf ein konservativ-neoliberales Wirtschaftsprogramm geeinigt. Ein Programm, mit dem sich jede Menge grüne Forderungen von Bildungsoffensive bis Klimaschutz, von Armutsbekämpfung bis green jobs nicht und nicht umsetzen lassen. Warum bitte sollen für die Verwirklichung desselben die Grünen Stimmen hergeben?? Geht’s noch irgendwie?


„Und drittens spielen Symbole manchmal eine übermächtige Rolle. Europa hat sich jetzt geeinigt. Da kann man erklären, dass gerade diese Einigung unsinnig ist. Oder man kann sie als Brückenkopf betrachten und versuchen, sie zu einer gemeinsamen, spekulantenfesten Fiskalpolitik auszubauen. Dafür bin ich.“


Man kann sich natürlich auch alles schön reden oder, wie Pilz es gerne tut, zur „historisch einmaligen Chance“ erklären. Was schiaches wird nicht schöner, weil man es sich schöner ausmalt, als es ist. Eine unsinnige Einigung wird nicht sinniger, nur weil Grüne derselben zustimmen. Eine „spekulantenfeste“ Fiskalpolitik lässt sich so natürlich „nicht ausbauen“ – dafür aber eine Batzen Krise: eine ökonomische, eine gesellschaftliche, eine politische, eine demokratische. Das weiß natürlich auch Pilz. Aber er muss Tabus brechen um des Bruchs willen.


„Niemand kann von uns verlangen, der ÖVP jetzt einen Blankoscheck für ihre Sparpläne auszustellen. Aber eines können wir garantieren: dass wir als einzige Oppositionspartei in den kommenden Verhandlungen die gemeinsamen Interessen über die taktischen Vorteile des Neinsagens stellen.“

Taktischer Vorteil des NEIN-Sagens? Andere würden das als logische Konsequenz anbetrachts einer derartigen unsinnigen und gefährlichen Maßnahmen bezeichnen, die nie auf der politischen Agenda der Grünen gestanden hat. Es ist keine Schande NEIN zu sagen, wo NEIN gesagt werden muss. Das darf man/frau. Wirklich. Egal ob in asylrechtlichen oder ökonomischen Fragen. Es ist gerade in Sachen Schuldenbremse in hohem Maße „verantwortungsvoll“ und im Sinne „gemeinsamer Interessen“ NEIN zu sagen. Wer im richtigen Moment verabsäumt Opposition zu zeigen, wo Opposition zu zeigen ist, darf sich nicht wundern, wenn ihm künftig selbst die Oppositionsrolle versagt bleibt.

Weil das WählerInnenvolk zum Beispiel „verantwortungsvoller“ Politik für eine konservative Agenda überdrüssig ist und halt auch einmal NEIN sagt. Am Wahltag zum Beispiel …

PS: Übrigens – vor lauter Verantwortungsbewusstsein, und die lastet ja schwer auf einen – hat der liebe Peter Pilz selbst die Vermögenssteuern vergessen. Ein Schelm, wer Böses denkt. Wer wird schon kleinlich sein, wenn es um historische Dimensionen geht …

Kommentar zu „„Schuldenbremse aktuell, Teil 2: Grüne Wirrungen“

  1. diethelm gauster sagt:

    wenn du nur wüsstest, wie recht du hast. Die daraus resultierende Depression müsste dich am Leben abgrundtief verzweifeln lassen. Aber Du hast halt, ich nehme an, ähnlich wie ich, immer noch eine, wenn auch irrationale Hoffnung, ein wenig im unrecht zu sein; vielleicht auch in dem fast religiösen Glauben, der narrischen Schwammerln wären nur wenige.

    Taktischer Vorteil des NEIN-Sagens? Ist eine logische Inkonsequenz anbetracht des überaus quälenden Bedürfnisses an der Macht teilhaben zu können, und sei’s auch nur als deren Tascherlträger. Da ist es taktisch zielführender „Ja“ zu sagen, auch wenn es gar nicht nötig ist, selbst wenn es vorgegebenen Überzeugungen oder Wertevorstellung widerspricht.

    Es gab da ja eine Zeit, wo die Grüne Alternative zu allem nein sagte, wovon sie nicht überzeugt war. Aber dann wurde ihren Mandatsträgern erfolgreich eingeredet, dass man nie Regierungsverantwortung übernehmen könne, wenn sie sich nicht vorher den Mächtigen andienen.

    Da sind wir eben.

    lg, diethelm

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