Solidarische Grundsicherung statt Sozialhilfe „neu“


„Die Sozialhilfe neu ist schlimmer als die Sozialhilfe alt,“ kommentiert Karl Öllinger, künftiger AK-Rat der AUGE/UG in Wien die soeben von schwarz-blau beschlossene Abschaffung der Mindestsicherung.

Es ist keineswegs so, dass die Mindestsicherung das „Gelbe vom Ei“ war. Sie lag hinsichtlich der Höhe unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle. Es gab keinen Rechtsanspruch auf Beratung und Betreuung, auf Bildung und Qualifikation. Es wurde zu schnell auf Erspartes zugegriffen, was nicht unbedingt den Weg aus der Mindestsicherung beschleunigte und vielfach in kurzfristigen Notlagen die Beantragung der Mindestsicherung verhinderte.

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Dennoch: Die Mindestsicherung war das „Mindeste“ das gegen Armut absicherte. Und sie hätte Ausbaupotential gehabt. Die schwarz-blaue Bundesregierung hat die Mindestsicherung nun abgeschafft. Und mit ihr das Ziel der „Armutsvermeidung“. Die Sozialhilfe NEU kürzt bei armen, kinderreichen Familien und bei Menschen mit unzureichenden Deutschkenntnissen. Sie legt Höchstgrenzen der Sozialhilfe fest und liegt auch weiterhin unter der Armutsgefährdungsschwelle. Höhere Leistungen für AlleinerzieherInnen – von der Regierung als sozialpolitischen Meilenstein gefeiert – sind lediglich Kannbestimmungen. Für Karl Öllinger ist die Sozialhilfe neu ein Ausdruck „schwarz-blauer Asozialpolitik“.

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Als AUGE/UG wollen wir die Mindestsicherung weiterentwickeln und durch eine solidarische, bedarfs- und lebenslagenorientierte Grundsicherung ersetzen. Eine Grundsicherung, die insbesondere auch den Herausforderungen einer Arbeitswelt gerecht wird, die von steigender Atypisierung der Beschäftigung, von zahlreicher werdenden instabilen und prekären Arbeitsverhältnissen geprägt ist. Die Grundsicherung soll dabei bisherige soziale Sicherungssysteme – wie das Arbeitslosengeld – nicht ersetzen, sondern ergänzen und armutsfest machen.

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Und sie soll auch dahingehend den Herausforderungen einer sich immer schneller ändernden Arbeitswelt gerecht werden, da sie in Phasen der Weiterbildung, der Qualifikation, der beruflichen Umorientierung aber auch zur Burn-Out-Prävention oder bei einer zeitlich befristeten beruflichen Auszeit soziale Sicherheit und finanzielle Absicherung bietet.

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Unser Modell der solidarischen, bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung in aller Kürze (aus dem Programm der AUGE/UG zum AK-Wahlkampf 2019):

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Solidarische Grundsicherung – Bedarfs- UND Lebenslagenorientiert :

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Als Ersatz für die Mindestsicherung und Ergänzung zum bestehenden Sozialversicherungssystem um in allen Lebenslagen und unabhängig von der Beschäftigungsform (typisch-atypisch, Vollzeit-Teilzeit) bzw. bei Arbeitslosigkeit Armut zu verhindern und gleichzeitig in spezifischen Lebensphasen finanzielle Sicherheit zu bieten, Perspektiven zu eröffnen und ein angstfreies Leben zu ermöglichen – z.B. um sich in der Erwerbsphase weiterzubilden, zu qualifizieren und beruflich umorientieren zu können, oder auch nur eine berufliche Auszeit zur Burn-out-Prävention zu nehmen.

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→ Umbau der Mindestsicherung in eine solidarische, bedarfs- und vor allem auch „lebenslagenorientierte“ Grundsicherung.

Die Mindestsicherung wird dadurch nicht nur ein Instrument, dass gegen Armut vorbeugt, sondern auch gewisse Perspektive und Möglichkeiten eröffnet, die bislang nicht gegeben sind – z.B. eine zeitlich befristete Auszeit zur Erholung, zur Burn-Out-Prävention, für individuelle Weiterbildung zu nehmen. Als Rechtsanspruch.

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→ Bedarfsorientiert und solidarisch:
  • Anhebung auf Armutsgefährdungsschwelle (in einem ersten Schritt Anhebung auf Ausgleichszulagenrichtsatz, 909 Euro/Monat) um Sozialleistungen armutsfest zu machen und als Aufstockung bei niedrigen Einkommen und Einkommensersatzleistungen (z.B. Notstandshilfe, ALG)
  • deutliche Erhöhung der anrechenbaren Vermögensobergrenze, kein Zwang zur sofortigen Vermögenswertung (Lebenslagenorientierung) – stattdessen Einführung von vermögensbezogenen Steuern (allgemeine Vermögenssteuern, Erbschafts- und Schenkungssteuer …)
  • kein Zugriff auf Wohnung, Fahrzeug, …
  • Rechtsanspruch auf Qualifikation, Weiterbildung, Beratung und Betreuung
  • Einführung einer Kindergrundsicherung in Höhe von 220 Euro/Monat, Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, Ausbau von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen, ganztägigen Schulformen, niederschwelligen therapeutischen Einrichtungen …
  • Ausbau infrastruktureller Grundsicherung – wie leistbarer Wohnraum, Pflege und Betreuung, niedrigschwelliger Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen

Notwendige Rahmenbedingungen u.a.:

  • Mindestlohn von 1.750 Euro bei Vollzeit-Teilzeit
  • Erhöhung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung – mindestens 70 % Nettoersatzquote beim Arbeitslosengeld
  • Einkommensschutz auch bei Teilzeit bzw. Mindestarbeitszeitpolitik um Ausweitung eines subventionierten Niedriglohnsektors zu verhindern
  • solidarische Finanzierung – allgemeine Vermögenssteuer statt individuelle „Enteignung“ über Vermögensobergrenzen, Verwertungszwang etc. – insbesondere bei lebenslagenorientierter, zeitlich befristeter Inanspruchnahme

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→ Lebenslagenorientierte Grundsicherung:
  •  Garantierte Mindest-Absicherung gegen Armut und Einkommenslosigkeit in allen Not- und Lebenslagen – z.B. bei beruflicher Neu- und Umorientierung, bei längerer Erkrankung, psychischen Problemen, bei Trennung … ohne sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen zu müssen bzw. ohne sofortigen Zugriff auf Vermögen mit entsprechender Beratung und Betreuung – unabhängig von der Beschäftigungsform d.h. auch für zuvor atypisch Beschäfigte wie „neue Selbständige“
  • Garantierte finanzielle und sozial Absicherung bei Inanspruchnahme von beruflichen Auszeiten (Karenzen) oder Freistellungen zu Weiterbildung, Burn-out-Prävention, Erholung, Pflege und Betreuung mit Rückkehrrecht in den Beruf. Das beinhaltet ab dem 19. Lebensjahr über die gesamte Erwerbsphase hinweg einen

• Rechtsanspruch auf 5 Jahre Bildungskarenz
• Rechtsanspruch auf 2 Jahre sonstige Auszeiten (Sabbatical, Pflege, Burn-Out-Prävention …)
• max. 2 zusätzliche Jahre Auszeit bei späterem Pensionsantritt

  • Kein Zwang zur Vermögenswertung bei Inanspruchnahme einer Grundsicherung im Rahmen einer Karenz
  • Aus Steuermitteln finanzierte Grundpension als „erste Säule“ um Altersarmut vorzubeugen und auch jenen ein Leben in Würde zu garantieren, die über längere Zeiträume arbeitslos, prekär oder atypisch beschäftigt waren.

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