Stopp dem TiSA- Abkommen zur Liberalisierung von Dienstleistungen

stopp_absperrungWie bei TTIP und CETA geht es bei TiSA um viel: allerdings ohne die Aufmerksamkeit  der Öffentlichkeit. Ein Gastbeitrag von Monika Vana, MEP (Greens/EFA).
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Die Verhandlungsgespräche sind bereits so weit fortgeschritten, dass sie bis Jahresende abgeschlossen werden könnten. Öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung oder unsere Wasserversorgung geraten unter Liberalisierungsdruck. Und: Was einmal privatisiert ist, soll nicht mehr rekommunalisiert werden können. Ein brandgefährliches Vorhaben, das wir stoppen müssen!

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Die breite Öffentlichkeit ist derzeit ganz mit CETA und TTIP beschäftigt, währenddessen wird das TiSA-Abkommen zur Liberalisierung von Dienstleistungen still und leise fertig verhandelt. Schon bis Jahresende könnten die Verhandlungen abgeschlossen sein. So weit darf es nicht kommen. Denn TISA birgt hohe Gefahren, insbesondere für öffentliche Dienstleistungen. Es droht die Aushebelung der Demokratie gegenüber den Interessen von Konzernen. Deshalb müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um einen Stopp der Verhandlungen zu erreichen. Ein Herumdoktern an einzelnen Kapiteln kommt nicht in Frage.

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Multilaterales Abkommen mit 22 Industriestaaten

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Ein großer Unterschied von TiSA gegenüber TTIP und CETA besteht vor allem darin, dass es kein bilaterales Abkommen zwischen der Europäischen Union und einem anderen Staat ist. Es handelt sich um ein multilaterales Abkommen. Sollte es umgesetzt werden, wird dem freien Dienstleistungsverkehr mit gleich 22 Staaten Tür und Tor geöffnet. Abgeschlossen werden soll TiSA mit großen Industriestaaten wie den USA, Kanada, Australien und Japan. Dabei verwundert wenig, dass Entwicklungsländer außen vor bleiben und von den Verhandlungen ausgeschlossen sind. Was ihnen bleibt, ist lediglich die Möglichkeit, später einmal beizutreten ohne jede Möglichkeit, den Inhalt des Abkommens zu beeinflussen; ganz nach dem Motto „ Take it or leave it!“. Der Druck auf einen schnellen Verhandlungsabschluss ist groß: Ziel der verhandelnden Staaten ist, bis Ende des Jahres, spätestens jedoch im Jänner 2017, zu einem Abschluss zu kommen. Grund dafür ist der danach folgende Wechsel in der US-Administration.

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Gefahren durch TiSA

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TiSA birgt zahlreiche Gefahren, beispielhaft sollen hier nur die Bedrohung öffentlicher Dienstleistungen sowie der hohen europäischen Arbeitsrechtsstandards genannt werden. TiSA wird den bereits bestehenden Liberalisierungsdruck auf öffentliche Dienstleistungen um ein Vielfaches verstärken. Zahlreiche Beispiele in ganz Europa haben gezeigt, dass die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen starke Qualitätsverluste und Teuerungen mit sich gebracht haben. Nicht umsonst ist in den letzten Jahren ein Trend hin zur Rekommunalisierung von Dienstleistungen zu erkennen. Diese wären durch TiSA aber fast unmöglich. Bislang haben die verhandelnden Staaten keine Vorkehrungen getroffen, um den Schutz von öffentlichen Dienstleistungen tatsächlich zu garantieren. Die Regelungen sind schwammig und lückenhaft.

Auch Arbeitsrechte und – standards geraten durch TiSA unter Druck. Vor allem der Annex zu TiSA zur Bewegung natürlicher Personen (Mode 4) birgt die Gefahr der Umgehung arbeitsrechtlicher Vorschriften, zum Beispiel durch die Annahme von Scheinselbständigkeit. Um ArbeitnehmerInnen tatsächlich zu schützen, muss TiSA verpflichtende und einklagbare Arbeitsstandards vorsehen. Dass Freihandelsabkommen Arbeitsrechte gefährden, hat sich in der Vergangenheit immer wieder bestätigt. Man denke nur an NAFTA – das Abkommen zwischen Mexiko, Kanada und den USA.

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TiSA bedroht Klimaschutz

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Laufend tauchen neuen Leaks auf. Von Wikileaks wurde vor kurzem der bisherige Haupttext und einige Anhänge des Abkommens veröffentlicht. Ein Leak von Greenpeace hat offengelegt, dass der Klimaschutz durch TiSA massiv in Bedrängnis gerät und die Ziele des Klimaabkommens von Paris nicht eingehalten werden können.

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Überproportionale Betroffenheit von Frauen

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Europa und besonders Österreich ist nach wie vor weit weg von der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter, man denke nur an das geschlechtsspezifische Lohngefälle (Gender Pay Gap) oder den Anteil an Frauen in Führungspositionen. TiSA könnte diese Ungleichheiten noch verschärfen. Denn Frauen sind überproportional von öffentlichen Dienstleistungen abhängig, sowohl als Konsumentinnen als auch als Arbeitnehmerinnen im öffentlichen Sektor. Einschnitte im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen und Vorsorge führen meist dazu, dass Arbeit, Kosten und Risiken auf den Bereich der unbezahlten Pflege und häuslichen Arbeit verlagert werden, in dem hauptsächlich Frauen arbeiten.

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Widerstand gegen Liberalisierung

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.Städte spielen eine wichtige Rolle im Widerstand gegen Abkommen wie TiSA, TTIP und CETA. Nicht nur, dass Menschen auf der Straße ihren Unmut kundtun – dieser Unmut hat auch schon Einzug in die lokalen Rathäuser gefunden und in ganz Europa haben sich eine Reihe von so genannten TTIP-freien Städten und Gemeinden gebildet. Mittlerweile gibt es über 10000 TTIP-freie Kommunen: von Barcelona bis Birmingham von Brüssel bis Rom, von Madrid über Paris bis Wien.

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Selbstbestimmung von Städten erhalten

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TiSA würde enorm in die Handlungsfähigkeit von Städten eingreifen, ganz besonders bei der öffentlichen Auftragsvergabe, bei der regionale und soziale Vergabekriterien keine Rolle mehr spielen würden. Wenn Mittel aus der Region in regionale Betriebe gehen, profitiert letztlich wieder die ganze Region. Die Regionalwirtschaft wird gestärkt, Arbeitsplätze werden gesichert, die Wertschöpfung in der Region gehalten. Das wird durch das Abkommen in Frage gestellt. Auch soziale Kriterien wie etwa die Koppelung der Auftragsvergabe an frauenfördernde Maßnahmen – ein Musterprojekt der Stadt Wien – würde dann nicht mehr funktionieren. Kurz gesagt: Durch TiSA würden Städte in ihrem Handlungsspielraum massiv eingeschränkt werden. Das müssen wir gemeinsam verhindern!

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Jetzt Notbremse ziehen

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Wenn TiSA, TTIP und CETA umgesetzt werden sollten, wäre noch lange nicht Schluss, sondern ganz im Gegenteil: Die Liberalisierungswut geht weiter. So ist beispielweise schon der Grundstein für Freihandelsgespräche mit Australien und Neuseeland gelegt. Es liegt an uns, jetzt die Notbremse zu ziehen, damit unsere Welt nicht nach den Interessen von Banken und Konzernen gestaltet wird, sondern das Wohl aller Menschen zum Ziel hat.

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moni_vana Monika Vana ist Abgeordnete der Grünen (Greens/EFA) zum Europäischen Parlament und Viezpräsidentin der Intergroup Public Services. (Website: monikavana.eu)

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