„Tax the Rich“ – was Vermögenssteuern bringen

Wenn Konservative, „Reichenversteher“, Rechte in orange und blau, Industrielle und Wirtschaftstreibende gegen Vermögenssteuern geradezu hysterisch zu wettern beginnen, kommt u.a. neben dem Argument, dass diese insbesondere den „Mittelstand“ belasten würden, auch immer wieder jenes, dass das Aufkommen nur ausgesprochen gering wäre und den Aufwand nicht lohnen würde.

Zum ersten Argument, Vermögenssteuern würden den „Mittelstand“ (gemeint ist die „Mittelschicht“) treffen, wurde in diesem BLOG schon einiges geschrieben. Dennoch noch einmal die Faktenlage: Die AK Oberösterreich hat im Rahmen einer Pressekonferenz am 18. August 2011 einmal mehr die Verteilung – bzw. die Konzentration – des Vermögens in Österreichs zusammengefasst.

Bezug nehmend auf den regelmäßig erscheinenden Sozialbericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und KonsumentInnenschutz sowie auf die Vermögenserhebungen der Österreichischen Nationalbank stellt sich die Situation wie folgt dar:

  • Das Gesamtvermögen in Österreich (Geld-, Finanz-, Immobilien- und Sachvermögen) wird auf mehr als 1.300 Milliarden Euro geschätzt.
  • Das reichste 1 % der Bevölkerung – also rund 80.000 Menschen – hält dabei 33,7 % des Gesamtvermögens, die reichsten 10 % der Bevölkerung 68,2 % des Vermögens. Auf die restlichen 90 % der Bevölkerung – also auf rund 7,2 Mio. Menschen – entfallen 31,7 % des Vermögens. (Quelle: Sozialbericht 2003 – 2004)
  • Den größten Vermögensbestandteil bilden Immobilien – nämlich 880 Milliarden Euro. Rund 60 % der Bevölkerung besitzen Immobilien. Das reichste Fünftel – also die obersten 20 % – halten dabei mehr als drei Viertel – also über 75 % – aller Immobilien. Während die Hälfte der ImmobilienbesitzerInnen – also die „ärmsten“ 50 % aller ImmobilienbesitzerInnen – Immobilien im Wert von bis zu 200.000 Euro besitzen, besitzt das reichste 1 % aller Haus- und GrundstückseigentümerInnen Immobilien im Wert von rund 7 Mio. Euro! (OeNB, Immobilienvermögenserhebung 2008)
  • Bei Geld- und Finanzvermögen stellt sich die Verteilung wie folgt dar: Ende 2010 betrug das Brutto-Finanzvermögen (ohne Schulden gegengerechnet) 460 Milliarden. Euro. Das reichste 10 % der Haushalte hielt dabei mit 54 % mehr als die Hälfte des Geldvermögens. Während die Hälfte aller Haushalte max. bis zu 21.000 Euro an Geldvermögen halten, hält das reichste 1 % der Vermögenden ein Geldeinkommen von mehr als 1 Million Euro (OeNB Geldvermögenserhebung, Sozialbericht 2008/2009)

Wenn Vermögen vor allem ganz, ganz „oben“ konzentriert sind, sollte ein Besteuerung desselben wohl auch vor allem die ganz, ganz oben treffen. Einerseits, weil die unten ohnehin kein Vermögen besitzen, andererseits, weil über Freibeträge mittlere Vermögen ohnedies steuerfrei gestellt werden können. Das Vermögenssteuern den „Mittelstand“ treffen würden ist nichts als plumpe Lüge, vorgeschoben, um die Interessen und Privilegien der Reichen und Reichsten in unserer Gesellschaft zu schützen. Auch wenn sich nach wie vor weite Teile der „Mitte“ der Gesellschaft für die Privilegien der Eliten instrumentalisieren lassen, verfängt die Propaganda der Reichen und ihrer Parteien – ÖVP, BZÖ und FPÖ – immer weniger. „Reichensteuern“ werden immer populärer.

Also müssen andere „Argumente“ herhalten. Eines lautet dahingehend, dass das Aufkommen aus Vermögenssteuern die Mühe der Aufbringung nicht lohnt. Würde die „Mitte“ über Steuerfreibeträge aus einer Vermögensbesteuerung ausgenommen, also nur hohe Vermögen besteuert, wäre das Aufkommen entsprechend gering. Quasi eine „Bagatellsteuer“. Also am besten gleich vergessen. Ist dem wirklich so?

Vermögenssteuern bringen’s: Modelle im Vergleich

Das Argument hält schon alleine deswegen nicht stand, weil Vermögen eben nicht in der Mitte oder gar unterhalb der Mitte konzentriert sind, sondern eben ganz oben. Vermögenssteuern treffen zielsicher die obersten paar Prozent, die Reichsten unserer Gesellschaft, jene, wo Vermögen „zuhause“ ist, jene die über diverse riskante Veranlagungsstrategien für die Krise mitverantwortlich sind. Auch in Österreich.

Und das Argument hält auch deswegen nicht stand, weil unterschiedliche Modelle einer Vermögensbesteuerung schon durchgerechnet wurden – und selbst bei vorsichtiger Schätzung und bei allen Unwägbarkeiten Einnahmen in Milliardenhöhe zu erwarten sind – Einnahmen die für Bildung, Soziale Dienste, Pflege, Schuldenrückführung und Entlastung von Arbeitseinkommen aufgewandt werden könnten. Hier einige Vermögenssteuermodelle im Vergleich (Quelle: Grundlagenabteilung der Gewerkschaft Vida, AK Oberösterreich, Stefan Schulmeister, Aufkommen bezogen auf die Vermögensbestände und -werte aus dem Jahr 2004):

Modell 1: Das Schulmeistermodell

Steuergegenstand: das Gesamtnettovermögen (Bruttovermögen abzüglich Schulden), alle Vermögensarten. Erfassung bei natürlichen Personen (auch Einzelfirmen) und Privatstiftungen/Vereinen. Vermögen wird grundsätzlich zu Marktpreisen bewertet. Erbschaften und Schenkungen über eine reformierte Erbschaftssteuer, Erbersatzsteuer auf Stiftungen. Ausnahmen: betriebliches Vermögen von Personen- und Kapitalgesellschaften (Erfassung bei Privatpersonen bzw. -Stiftungen)

Steuerschuldner: Privatpersonen, Individualbesteuerung

Steuersatz: einheitlich 0,5 % („flat tax“), Erbschaften/Schenkungen mit progressiven Steuersätzen von 3 % bis 20 %

Freibetrag: 100.000 Euro an Vermögen pro Person sind steuerfrei. Gleiches gilt für Erbschaften und Schenkungen

geschätztes Aufkommen/Jahr: 3,2 Mrd Euro, nach Abzug der Grundsteuer: 2,7 Mrd. Euro aus der Vermögenssteuer. 1,1 Mrd. Euro aus der Erb- und Schenkungssteuer. 180 Mio. Euro aus der Erbersatzsteuer auf Stiftungen

Anmerkung: im Schulmeistermodell wird die Grundsteuer abgeschafft und in eine allgemeine Vermögenssteuer überführt. Das zusätzliche Steueraufkommen aus allen vermögensbezogenen Steuern würde sich im Schulmeistermodell auf gesamt knapp unter 4 Mrd. Euro/Jahr belaufen.

Modell 2: Das GPA-djp-Modell

Steuergegenstand: Gesamtnettovermögen. Alle Vermögensarten. Erfassung bei natürlichen Personen, Privatstiftungen/Vereinen, Einzelfirmen und Personengesellschaften. Bewertung grundsätzlich zu Marktpreisen. Ausnahmen: betriebliches Vermögen bei Kapitalgesellschaften (Erfassung bei Privatpersonen), Hausrat, Abfertigungs-/Pensionsansprüche

Steuerschuldner: Haushaltsbesteuerung, Vermögen aller Personen in einem Haushalt

Steuersatz: progressiv, von 0,25 % bis 1,45 %, Besteuerung nach Tarifstufen

Freibetrag: 500.000 Euro pro Haushalt

geschätztes Aufkommen/Jahr: rund 3,8 Mrd. Euro

Anmerkung: keine Abschaffung der Grundsteuer, die GPA-djp will ebenso wie Schulmeister die Erb- und Schenkungssteuer sowie eine Erbersatzsteuer auf Stiftungsvermögen wieder einführen und daraus u.a. im Ausmaß von 600 Mio. Euro einen Pflegefonds finanzieren. Die GPA-djp will die Grundsteuer nicht abschaffen.

Modell 3: das Vida-Modell

Steuergegenstand: Gesamtnettovermögen, Alle Vermögensarten. Erfassung bei natürlichen Personen, Privatstiftungen/Vereinen, Personengesellschaften, Einzelfirmen und Kapitalgesellschaften . Bewertung grundsätzlich zu Marktpreisen. Ausnahmen: Hausrat, Abfertigungs-/Pensionsansprüche

Steuerschuldner: Privatpersonen, Individualbesteuerung

Steuersatz: progressiv von 0,05 % bis 5 %, Besteuerung nach Tarifstufen

Freibetrag: 100.000 Euro pro Person, Steuerfreiheit für erstes, selbst genutztes Wohneigentum bis zu einem Wert von Euro 200.000, max. 500.000 Freibetrag für Gesamthaushalt

geschätztes Aufkommen/Jahr: rund 7 Mrd. Euro

Anmerkung: keine Abschaffung der Grundsteuer, die vida will ebenso wie Schulmeister die Erb- und Schenkungssteuer sowie eine Erbersatzsteuer auf Stiftungsvermögen wieder einführen und daraus u.a. im Ausmaß von 600 Mio. Euro einen Pflegefonds finanzieren.

Modell 4: ÖGB-Modell

Steuergegenstand: Gesamtnettovermögen, alle Vermögensarten, Erfassung bei natürlichen Personen und Privatstiftungen. Bewertung grundsätzlich zum Marktpreisen, Unternehmen mit Börsenwert, Immobilien/Antiquitäten zu Versicherungswerten. Ausnahmen: Hausrat, Pensions-/Abfertigungsansprüche

Steuerschuldner: Privatpersonen, Individualbesteuerung aber Haushaltsfreibetrag (Aufteilung nach Personen im Haushalt)

Steuersatz: progressiv von 0,5 % bis 1,5 %, Besteuerung nach Tarifstufen

Freibetrag: 700.000 Euro pro Haushalt

geschätztes Aufkommen/Jahr: rund 2,5 bis 3 Mrd. Euro

Anmerkung: Die AK Oberösterreich errechnet – basierend auf aktuellere Vermögensdaten als jene aus 2004 – ein Vermögenssteueraufkommen von bis zu 5,44 Mrd. Euro erzielbar. Selbst bei einem Freibetrag von 1.000.000 Euro/Haushalt wird nur ein unwesentlich geringeres Aufkommen von 5,39 Mrd. erzielt. Als realistisch beurteilt die AK Oberösterreich – da insbesondere im Bereich der Finanzvermögen eine Steuerumgehung zu befürchten ist – ein Aufkommen von rund drei Milliarden Euro.

Wen trifft’s?

Interessant auch die Berechnungen der AK OÖ, wer denn von einer Vermögenssteuer betroffen wäre. Schon bei der Schätzung der Nettovermögenswerte zeigt sich einmal mehr in aller Deutlichkeit, dass es die „Mittelschicht“ mit Sicherheit nicht ist (angenommen werden Freibeträge von 700.000/1.000.000 Euro):

  • Das durchschnittliche Nettovermögen (vorhandenes Geld- und Immobilienvermögen minus Kredit) der Masse der Bevölkerung – nämlich der „unteren“ 90 % der ÖsterreicherInnen – beläuft sich auf 108.000 Euro. Die zu zahlende Vermögenssteuer damit: 0 Euro.
  • Die „wohlhabenden“ 9 % halten ein durchschnittliches Nettovermögen von 1,2 Mio. Euro. Heißt gerade einmal 2.500/1.250 Euro Vermögenssteuern im Jahr.
  • Die reichsten 1 % mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von 10,4 Mio Euro zahlen 127.500/136.500 Euro.

Selbst bei niedrigeren Freibeträgen wie etwa im Schulmeister oder Vida-Modell ist die „Mittelschicht“ kaum oder nur gering betroffen. Dass Vermögenssteuern „Mittelstandsteuern“ wären ist also pure Propaganda. Und das Aufkommen ist keine „Bagatelle“, sondern durchaus bedeutend. Das wissen natürlich auch die Gegner, weswegen sie auch gegen eine Besteuerung von Vermögen Sturm laufen und die „kleinen Häuselbauer“ für die Steuerprivilegien der MillionärInnen und Milliardäre in Geiselhaft nehmen.

Dass anderswo inzwischen selbst so manchem Millionär und Milliardär dieser ständige Kampf der konservativen politischen Eliten für die Steuerprivilegien der Superreichen unheimlich ist, zeigt ein Kommentar von Warren E. Buffet in der New York Times unter dem Titel „Stop Coddling the Super-Rich“ . In diesem ‚empört‘ sich der Großinvestor und Unternehmer mit einem geschätzten Vermögen von 50 Mrd. Euro geradezu über die steuerliche Bevorzugung seiner Klasse gegenüber der Mittel- und Unterschicht. Statt „unten“ zu kürzen sollte endlich „oben“ ordentlich besteuert werden. Und Buffet schließt mit dem Aufruf, endlich Schluss zu machen, mit der „milliardärefreundlichen“ Politik:

„My friends and I have been coddled long enough by a billionaire-friendly Congress. It’s time for our government to get serious about shared sacrifice.“

Eine Aufforderung, die sich auch die österreichischen ParlamentarierInnen – vor allem die Konservativen – zu Herzen nehmen sollten.

In diesem Sinne: Stop Lying – Tax the Rich!

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