Und, was tun? Wege aus der Arbeitslosigkeit

bild_schild_AUGE_gruenKeine Frage: die Arbeitsmarktsituation ist schwierig. Sie ist aber bewältigbar. Solidarisch bewältigbar. Ganz ohne Hetze, populistische Rülpser und eine aufgewärmte „Sozialschmarotzer“-Debatte.
Die hohe Arbeitslosigkeit ruft wieder Populisten aller Couleur auf den Plan: die einen wollen Mindestsicherung und Arbeitslosengeld kürzen. „Zu hoch,“ rufen Sie. Da zahlte es sich ja gar nicht aus, ein Arbeit zu suchen. Man müsse Arbeitslosengeld und Mindestsicherung nur kürzen, dann würde die Arbeitslosigkeit auch wieder sinken. Das ist natürlich kompletter Unsinn, weil einerseits, wer Arbeitslosengeld und Mindestsicherung bekommt, ohnehin eine angebotene Arbeit nicht so einfach ablehnen kann. Andererseits, weil es schlichtweg gar nicht genug Jobs gibt. Es gehört schon eine gehörige Portion Zynismus und Bösartigkeit dazu, mitten in der Wirtschaftskrise ausgerechnet jene Menschen, die Opfer der Krise – und arbeitslos – geworden sind, für ihr Schicksal verantwortlich zu machen und sie dafür auch noch abstrafen zu wollen.

Und es ist nicht nur bösartig, sondern zeugt auch von nur begrenztem ökonomischen Verstand: Denn die Ursachen für Arbeitslosigkeit sind meistens gar nicht am Arbeitsmarkt selber entstanden, sondern oft genug Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Arbeitslosigkeit kann so gar nicht durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gelöst werden, diese können bestenfalls unterstützen. Um das gesellschaftliche Problem Arbeitslosigkeit bewältigen zu können, braucht es eine Wirtschaftspolitik die insbesondere zum Ziel hat, nachhaltig Beschäftigung zu schaffen. Hier gilt es anzusetzen.
Andere wieder wollen die Grenzen dicht machen. Für Flüchtlinge, aber auch für EU-BürgerInnen, etwa aus Osteuropa. Zweiteres ist schlichtweg billiger Populismus und wird so einfach nicht gehen. Die Personenfreizügigkeit ist eine der Grundfreiheiten der EU, auch zahlreiche ÖsterreicherInnen profitieren davon und arbeiten im benachbarten EU-Ausland. Die zunehmende Arbeitsmigration aus den osteuropäischen EU-Ländern ist auch hier vielfach eine Folge der Krise und der Krisenpolitik, die gerade auch in Ländern wie Rumänien, Ungarn oder auch Bulgarien ganz im Zeichen von Lohndruck, Abbau von Arbeitsrechten, Schwächung der Gewerkschaften und massiven Sparmaßnahmen bei Bildung, Gesundheit, Sozialer Sicherheit und bei den öffentlich Bediensteten gestanden ist und nach wie vor steht. Die Grenzen dicht zu machen, hätte ein Kettenreaktion zur Folge, die den drohenden Zerfallsprozess der EU noch beschleunigen würde. Selbstverständlich muss aktiv gegen Sozial- und Lohndumping vorgegangen werden, muss sichergestellt sein, dass grenzüberschreitende Dienstleistungen zu Bedingungen erbracht werden, wie sie auch jeder inländische Betrieb erfüllen muss. Mit rein populistischen „Lösungsansätzen“ ist allerdings niemandem geholfen – die sind maximal ein Turbo für Rechtsaußenparteien.
Besonders beliebt derzeit auch die Scharfmacherei gegen Flüchtlinge. Sie sind besonders im Fokus der  Mindestsicherungskürzer in blau und schwarz, hier feiert eine Neiddebatte – in Wirklichkeit eine „Tritt nach unten“-Kampagne fröhlicher Urständ. „Grenzen dicht!“ ist bereits weitgehend vollzogen, das Menschenrecht auf Asyl wird in bedrohlichem Ausmaß ausgehebelt. Auch im Zusammenhang mit steigender Arbeitslosigkeit und Verdrängungseffekten werden immer wieder Schreckensszenarien an die Wand gemalt. Dazu besteht allerdings nur wenig Grund: erstens, weil es Flüchtlinge am Arbeitsmarkt ohnehin alles andere als leicht haben, vielfach überhaupt erst entsprechende Qualifikationen und Bildungsmaßnahmen nachholen und Sprachkurse absolvieren müssen, um überhaupt Chancen auf einen Job zu haben. Andererseits, weil ausgerechnet die „Flüchtlingskrise“ des Vorjahres und die Folgewirkungen einen nicht unwesentlichen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung leisten. Die Konjunkturimpulse die von der Grundversorgung der Flüchtlinge, der Errichtung bzw. Instandsetzung von Wohnraum, von der Betreuung etc. ausgehen entsprechen  jenem der 5 Mrd. Euro-schweren Steuerreform – und das bei einem Bruchteil der Kosten!
Um Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpfen zu können, braucht es ein Bündel an Maßnahmen – Populismus, Hetze und Sozialabbau gehören allerdings nicht dazu. Was es tatsächlich braucht, ist eine Wirtschaftspolitik, die auf Investitionen statt Sparen setzt, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung „armutsfest“ macht und eine Arbeitsmarktpolitik, die nachhaltig ausbildet, qualifiziert, unterstützt und hilft. Und: es braucht endlich eine umfassende, allgemeine Arbeitszeitverkürzung um Arbeit und damit Einkommen und Chancen gerechter zu verteilen.
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Unsere Forderungen für eine solidarische Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik:

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Arbeitszeitverkürzung

es braucht rasch Schritte in Richtung einer Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommensgruppen und einem entsprechenden Personalausgleich.
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  • In einem ersten Schritt gilt es Über- und Mehrstunden zu reduzieren und diese deutlich zu verteuern (etwa über progressiv steigende Arbeitgeber-Beiträge zur Arbeitslosen, Unfall und Krankenversicherung, Schluss mit der steuerlichen Bevorzugung der ersten Überstunden), die gesetzlich maximal zulässige Anzahl an Überstunden zu verringern und gesetzliche Schritte in Richtung einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung in Richtung 30-Stunden-Woche und 6-Stunden-Arbeitstag als neuen Normalarbeitszeitstandard zu setzen.

 

  • Eine Verkürzung auf eine 35 Stunden-Woche hätte – laut einer WIFO-Studie aus dem Jahr 2001 – eine Beschäftigungseffekt (je nach Ausgestaltung)  von 84.000 bis 113.000 Jobs. Markus Marterbauer, AK-Wirtschaftsexperte geht gar von einem Beschäftigungseffekt von + 130.000 Jobs aus (Marterbauer in WISO 2/2011). Eine Halbierung der jährlich geleisteten rund 270 Mio. Überstunden würde jedenfalls über 30.000 zusätzliche Vollzeitjobs schaffen, die AK OÖ (in der Broschüre „Arbeit fair teilen“ aus 2011) geht sogar von Beschäftigungseffekten von 40.000 bis 60.000 neuen Vollzeitstellen aus.

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Öffentliche Investitionen – Schluss mit der ruinösen Sparpolitik

Arbeitsmarktprobleme entstehen vielfach nicht „am Arbeitsmarkt“ sondern sind Folge wirtschaftspolitischer Maßnahmen. In Europa und vor allem auch in Österreich sind die Gründe für die steigende Arbeitslosigkeit vor allem in der „Austeritätspolitik“ – also bei öffentlichen Ausgabenkürzungen bzw. der Sparpolitik der öffentlichen Hand – zu suchen. Werden öffentlichen Investitionen zurückgefahren, Anstellungsverhältnisse im öffentlichen Dienst gestoppt, Ausgaben für soziale Leistungen gekürzt führt das einfach zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Öffentliche Investitionen haben dabei – etwa im Vergleich zu Steuersenkungen – deutlich höheren Beschäftigungsmultiplikator, weil sie unmittelbar wirken und Beschäftigung und neue Jobs schaffen.
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  • Es braucht daher unbedingt wieder eine verstärke öffentliche Investitionstätigkeit. Anbieten würden sich Bereiche, die sozial wie ökologisch eine erhöhten gesellschaftlichen Mehrwert bringen und gleichzeitig beschäftigungsintensiv sind. Das wären insbesondere Bereiche wie Bildung, sozial-ökologische Innovationen, öffentliche Mobilität, soziale Dienstleistungen, Klimaschutzmaßnahmen, erneuerbare Energien, umweltfreundliche Technologien etc. Um derartige Ausgaben tätigen zu können, braucht es eine deutliche Lockerung der Sparvorgaben – etwa über eine „goldene Investitionsregel“, die sozial-ökologische Infrastruktur-Investitionen von denen auch noch künftige Generationen profitieren, aus den öffentlichen Schuldenständen herausrechnet.

 

  • Und es braucht Vermögenssteuern, um wieder finanzielle Handlungsspielräume zurückzugewinnen und eine sozial-ökologische Steuerreform, die Arbeit entlastet und über die höhere Besteuerung von Umwelt- und Ressourcenverbrauch Anreize für einen schonenden Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen und für den sozial-ökologischen Umbau unseres Wirtschaftssystems setzt.

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Die Beschäftigungseffekte aus öffentlichen Investitionen sind hoch: Eine Milliarde Euro in Pflege investiert, brächte bis zu 25.000 Jobs zusätzlich (Quelle: Markus Marterbauer in WISO 2/2011). Rund 500 Mio. für Kinderbetreuung  hätte einen direkten Beschäftigungseffekt von rund 10.000 Jobs im Bereich Kinderbetreuung, Kindergartenpädagogik etc. und von  27.000 Jobs die indirekt entstehen – weil Jobs aufgenommen werden können oder Arbeitszeiten ausgeweitet (Quelle: AK, Sozialstaat als produktiver Faktor ). Eine Milliarde Euro in öffentliche Verkehrsinfrastruktur investiert schafft zwischen 16.000 und 17.000 Jobs (Quelle: WIFO-Weissbuch Verkehrsinfrastruktur). 2,2 Milliarden Euro für thermische Sanierung sichern und bringen rund 30.000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse (Quelle: WIFO-Studie Energieeffiziente Gebäude).
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Beschaeftigungsmultiplikatoren

Wie unterschiedlich wirtschaftspolitische Aktivitäten hinsichtlich ihrer Beschäftigungseffekte wirken. Öffentliche Nachfrage und Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik haben einen besonders hohen Beschäftigungseffekt. Quellen: WIFO, JOANNEUM RESEARCH

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Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung armutsfest machen

Mit Arbeitslosigkeit steigt das Armutsgefährdungsrisiko. Ist auch kein Wunder, liegt doch das durchschnittliche Arbeitslosengeld (Durchschnitt Männer: 946 Euro, Frauen:  789 Euro, 12 x monatlich) wie auch Notstandshilfe (Durchschnitt Männer: 756, Frauen: 636, 12 x monatlich) und die Mindestsicherung (maximal 837 Euro, 12 x monatlich) unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle (für 2014, Einpersonenhaushalt: 1.160 Euro/Monat). Insbesondere für Frauen zusätzlich verschärfend kommt im Falle der Notstandshilfe die Anrechnung  des PartnerInneneinkommens hinzu: Verdient ein Partner zu viel – und zu viel kann schon 1.200 Euro brutto/Monat sein! – besteht kein Anspruch auf Notstandshilfe. Das geht natürlich zu Lasten der finanziellen Eigenständigkeit und der Existenzsicherung der betroffenen Person.
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  • Wir fordern daher die Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 80 Prozent (bislang: 55 %) des zuletzt bezogenen Einkommens bzw. der Berechnungsgrundlage und eine längere Auszahlung sowie eine Anhebung der Mindestsicherung auf die Armutsgefährdungsschwelle (etwa durch eine 14malige Auszahlung).
  • Die Anrechnung des PartnerInneneinkommens bei der Notstandshilfe ist abzuschaffen.

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Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld, Mindestsicherung und Notstandshilfe nach unten abzusichern ist dabei nicht nur aus sozialen Gründen und zur Absicherung gegen Armut notwendig. Gerade in Krisenzeiten stellen Arbeitslosengeld und Mindestsicherung sogenannte „automatische Stabilisatoren“ dar. Sie garantieren, dass auch in Krisenzeiten trotz steigender Arbeitslosigkeit und damit verbundenem Einkommensverlust die Massenkaufkraft nicht ins Bodenlose fällt – weil eben z.B. das Arbeitslosengeld als Ersatzeinkommensleistung zu tragen kommt. Damit wird die gesamtgesellschaftliche Nachfrage und die Wirtschaft stabilisiert. Eine Kürzung von Arbeitslosengeld und Mindestsicherung würde Kaufkraft reduzieren, die Gesamtnachfrage schwächen und die Krise nur verschärfen.
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Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik

Die über viele Jahre in Österreich geübte Praxis, Arbeitslose möglichst schnell wieder in Beschäftigung zu bringen – egal wie schlecht bezahlt oder unsicher diese auch ist – ist gescheitert. Durchschnittlich nur 1,6 Jahre braucht es, bis der/die Betroffene wieder beim AMS landet, bei schlecht qualifizierten braucht es sogar nur sieben Monate. Viel sinnvoller ist es,
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  • in Bildung, Qualifikation und Integration zu investieren, die Zeit der Arbeitslosigkeit für entsprechen längerfristig ausgerichtete und nachhaltig wirkende Maßnahmen (wie etwa im Falle des FacharbeiterInnenstipendiums) zu nutzen.
  • AMS-Kurse sollen grundsätzlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen, ein Rechtsanspruch auf Aus- und Weiterbildung sowie auf Umschulung – insbesondere für MindestsicherungsbezieherInnen und bei verunmöglichter Berufsausübung – geschaffen werden.
  • Weiters sollen die Paragrafen 10 und 11 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes – diese sehen Sperren bei Nichtannahmen eines Jobs oder einer AMS-Maßnahme sowie bei Selbstkündigung vor – gestrichen werden, und die Zumutbarkeitsbestimmungen zugunsten Arbeitssuchender entschärft werden. Das AMS soll von einer vielfach disziplinierend und repressiv empfundenen bzw. erlebten Institution zu einer Einrichtung werden, die bestmögliche Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie umfassende Hilfe, Beratung und Unterstützung bei der Arbeitssuche und Orientierung bietet.
  • Eine neu einzurichtende unabhängige und weisungsungebundene Arbeitslosenanwaltschaft soll Arbeitssuchende bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber dem AMS und Behörden unterstützen und beraten und ist auch Interessensvertretung gegenüber dem Gesetzgeber.
  • Und: es braucht natürlich deutlich mehr Mittel und Personal für das AMS, um den entsprechenden Ansprüchen und Herausforderungen gerecht zu werden und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten des AMS schaffen, die tatsächlich auch eine bestmögliche Beratung, Hilfe und Unterstützung zulassen.

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Neue Wege braucht es auch im Bereich „experimenteller“ Arbeitsmarktpolitik:
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  • die Übernahme von Betrieben durch Belegschaften im Falle eines Konkurses oder der drohenden Schließung mangels Erben soll offensiv unterstützt und gefördert werden. Das Insolvenzrecht ist dahingehend abzuändern, dass den Belegschaften eine Vorkaufsrecht eingeräumt wird, öffentliche Unternehmensförderungen sollen insbesondere auch auf genossenschaftliche Betriebe in ArbeiterInnenselbstverwaltung abgestimmt werden (Ein Vorbild für eine derartige Gesetzgebung könnte z.B. das italienisch Marcora-Gesetz sein).
  • Über eine Wiederbelebung der alten „Aktion 8.000“ als neue „Aktion 10.000“ sollen AMS-geförderte, sozialversicherte Jobs bei NGO bzw. NPO in den Bereichen Bildung, Kultur, Umwelt, Wissenschaft etc. geschaffen werden. Sozialökonomische Projekte müssen längerfristig angelegt und finanziell abgesichert werden und arbeitsrechtlichen Standards – z.B. hinsichtlich kollektivvertraglicher Bezahlung – entsprechen.

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Erleichterter Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen

Mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung muss der uneingeschränkte Zugang zu Arbeitsmarkt einhergehen. Der Bartensteinerlass muss sofort aufgehoben werden, AsylwerberInnen nach spätestens drei Monaten der uneingeschränkte Arbeitsmarktzugang eingeräumt werden. Denn: Integration erfolgt insbesondere über den Zugang zu Arbeit, AsylwerberInnen und in der Folge Asylberechtigten sollen so rasch wie möglich ökonomisch auf eigenen Beinen stehen können. Integration muss mit dem ersten Tag beginnen, entsprechend sind ausreichend Schulungs-, Bildungsangebote und Sprachkurse bereitzustellen, sowie bundesweit Kompetenzchecks durchzuführen, um vorhandene Qualifikationen bestmöglich nutzen zu können. Insbesondere braucht es spezifische Bildungs- und Integrationsangebote für unbegleitete Minderjährige und Jugendliche, insbesondere auch für nicht mehr schulpflichtige AsylwerberInnen bzw. -berechtigte.

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