„Uniprekariat“ besucht unangemeldet Betriebsrat der Uni Wien

An der Uni Wien haben sich die am unteren Ende der Uni-Hierarchie angesiedelten MitarbeiterInnen koordiniert und zu einem fakultätsübergreifenden „Aktionskomitee für die Zukunft der Wissenschaft“ zusammengeschlossen.
Dem Komitee gehören LektorInnen, AssistentInnen und AssistentInnen in Ausbildung verschiedener Institute an.

Heute haben ca. 25 Mitglieder des Aktionskomitees aus 10 verschiedenen Instituten – unter anderen Jus, Politikwissenschaft, Internationale Entwicklung, Afrikawissenschaften, Kultur- und Sozialanthropologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Romanistik – dem Betriebsrat des wissenschaftlichen Personals einen unangemeldeten Besuch abgestattet. Der Betriebsrat behandelte in seiner Sitzung seine Haltung bezüglich der Übergangsregelungen des Kollektivvertrags.

Die Universitätenkonferenz (uniko) hat nämlich beschlossen, dem seit Jahren verhandelten und immer wieder gescheiterten Uni-Kollektivvertrag dann zuzustimmen, wenn Übergangsbestimmungen für die oben erwähnten Gruppen geschaffen werden.

Ziel der Aktion war es, den Betriebsrat und die GÖD auf die Situation der prekarisierten und benachteiligten Gruppen persönlich aufmerksam zu machen. Deren Anliegen stehen nämlich bei den nun anstehenden Kompromissen zur Disposition, denn die von den Rektoren geforderten Ausnahmeregelungen haben es in sich:

1) Die erste Gehaltsvorrückung für LektorInnen kann erstmals zwei Jahre nach Inkrafttreten wirksam werden.

2) Die derzeitigen Beschäftigungsverhältnisse mit den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen in Ausbildung (Säule 1) werden vom KV nicht berührt – mit Ausnahme der zur Anwendung kommenden Altersvorsorge (Pensionskassenregelung). Neueintretende der Säule 1 unterliegen vollständig dem KV.

3) Der Pensionskassenbeitrag des Dienstgebers für das Verwaltungs- und wissenschaftliche Personal (mit Ausnahme der ProfessorInnen) beträgt für die ersten zwei Jahre 2 Prozent und steigt erst im dritten Jahr nach Wirksamwerden des KV auf 3 Prozent des Bruttogehalts (bis zur Höchstbeitragsgrundlage des ASVG). Für die UniversitätsprofessorInnen wird in den ersten beiden Jahren ein Beitrag von 8 Prozent, ab dem dritten Jahr ein Beitrag von 10 Prozent in die Pensionskasse eingezahlt werden.

Auch wenn einige Mitglieder des Betriebsrats über den unangekündigten Besuch wenig erfreut waren und das Kennenlernen als „holprig“ bezeichneten, entwickelte sich eine einstündige Debatte über die Anliegen des Aktionskomitees und die weitere Vorgangsweise. Künftige Konsultationen wurden vereinbart.
Das Aktionskomitee wird sich in der jetzigen heißen Phase mit ähnlichen Gruppen, die sich an anderen Universitäten organisiert haben, vernetzten und weitere Aktivitäten setzen.

Die Forderungen des Aktionskomitees:

  • Umsetzung des Kollektivvertrags in seiner verhandelten Fassung!
  • Keine finanzielle Umverteilung auf Kosten ohnehin schon prekär Beschäftigter!

Karin Fischer, Projekt Internationale Entwicklung
Mitglied des Aktionskomitees und Kandidatin der AUGE/UG zur Wiener AK-Wahl

4 Kommentare

  1. Christine Kasper sagt:

    Hi, Ich war bei dem Besuch auch dabei, allerdings auf der Seite der Besuchten. Dass einige Mitglieder über den Besuch nicht begeistert waren, müssen Sie bitte verstehen. Die meisten Mitglieder üben diese Funktion ja nur ehrenamtlich aus und müssen sich extra für die Sitzungen Zeit nehmen. In den Sitzungen besprechen wir normalerweise ja auch Einzelprobleme, also sog. „Personalfälle“, und die sind natürlich vertraulich. Die Diskussion mit dem Aktionskomitee hat eine ganze Stunde gedauert. Sie war sehr wichtig, aber die Zeit fehlte dann bei anderen Punkten, die auf diese Weise nicht allgemein besprochen werden konnten. Ich finde es aber sehr wichtig, dass sich das Aktionskomitee gegründet hat. Hoffentlich bleibt es keine Eintagsfliege, denn WissenschaftlerInnen sind leider als EinzelkämpferInnen verschrieen. Ich möchte hier gerne auch loswerden, dass es mich manchmal richtiggehend wurmt, wenn KollegInnen die Betriebsräte sichtlich für blöd und uninformiert halten. Sicherlich gibt es auch Missstände, von denen noch niemand im Betriebsrat gehört hat, aber Sachen wie die Kettenvertragsregelung sind wirklich seit Jahr und Tag Thema in den Betriebsratssitzungen und von Forderungen an den Rektor. Offenbar werden wir von vielen aber als Teil einer Art Uni-Establishment wahrgenommen. Naja, in Zukunft werden wir wohl weniger über das Geschehen an der Uni informieren (das war als Service gedacht, weil es sonst so wenig Infos an der Uni Wien gibt, aber das Problem ist, dass wir durch diese Informationen offenbar als die wahrgenommen werden, die die das Geschehen an der Uni bestimmen), als vielmehr über unsere Forderungen. Ansonsten frage ich mich – habe das auch schon mündlich bei einigen getan -, warum es nur an so wenig Fakultäten ein funktionierendes Mittelbau-Netzwerk gibt. An meiner eigenen (der Phil-Kult) haben wir einmal im Monat Treffen, und eingeladen wird über einen offiziellen Verteiler, der wie alle anderen über den ZID läuft. Es nehmen zwar auch nur eine Handvoll Mittelbauern teil, aber es kommen immer wieder andere, und es werden oft auch Gäste eingeladen, wie der Dekan oder der Betriebsratsvorsitzende.

  2. augeug sagt:

    Liebe Koll. Kasper,
    kann ich mir auch gut vorstellen, dass es euer geplantes Zeitbudget bzw. Tagesordnung durcheinander gebracht hat – kennen wir alle aus der Interessensvertretungsarbeit, die auftauchenden Probleme halten sich halt nicht an Tagesordnungen …
    Richtig und wichtig ist auch, dass sich Betroffene zusammenfinden, um ihre Betroffenheit klar und sichtbar zu machen und sich für ihre Interessen einzusetzen – und das hat das Aktionskomittee ja ganz super gemacht.
    Finde es fein, dass die Diskussion stattgefunden hat und ihr euch eine weitere Vorgangsweise vereinbart habt.
    Nicht ganz teilen kann ich Deine Konsequenz aus der Sache, nämlich weniger zu informieren. Ich glaube, das Gegenteil ist notwendig: möglichst frühzeitig und umfassend zu informieren – und die Betroffenen mit einzubeziehen! Und: gemeinsame Strategien zu entwickeln.
    Wie ich dem Bericht entnommen habe, ist dazu nun ein Schritt getan – super!

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