Wien Energie: Skandal, Fehlspekulationen, Versagen auf der ganzen Linie oder was?

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Vera Koller AUGE/UG-Landessprecherin Wien, Juristin und stv. Vorsitzende der Unabhängigen GewerkschafterInnen

Nach anfänglichem Erstaunen über den plötzlich notwendigen Sicherungsbedarf in schier unglaublichen Höhen war schnell klar es kann sich nur um Misswirtschaft und Versagen der politisch Verantwortlichen handeln. Ein neuer Skandal war geboren, gerade richtig, um dem roten Wien etwas auszurichten.

So wie es derzeit aussieht wurde tatsächlich nicht richtig gewirtschaftet, es gab Fahrlässigkeiten, falsche Risikoeinschätzungen und mangelnde Kontrolle von Aufsichtsorganen. Politisch Verantwortliche wissen schon länger Bescheid, haben anscheinend versucht in Eigenregie das öffentlich werden zu verhindern

Darüber muss gesprochen werden, darüber braucht es Aufklärung und bei einem etwaigen Fehlverhalten auch die Übernahme von Verantwortung.

Aber diese kurzfristige Problembehandlung verhindert nicht das nochmalige Auftreten. Die Schuldigen dieses Skandals sind zwar gefunden. Kurzfristig können sich alle mehr oder weniger entspannt zurücklehnen und der Aufarbeitung zusehen. Aber dem wesentlichen Nährboden, der solche Entgleisungen verursacht, ja geradezu fordert, ist nichts entgegengesetzt.

Liberalisierung der Daseinsvorsorge

Die Fehler der Liberalisierung der Daseinsvorsorge werden sich weiter in absurdesten Auswirkungen zeigen. Mit der Auslagerung der Grundversorgung auf private Rechtsträger wurde diese nicht nur der staatlichen Kontrolle weitestgehend entzogen, sondern den Zwängen des freien Marktes unterworfen. Und auch wenn Eigentumsrechte weiterhin in der staatlichen Einflusssphäre bleiben, sind diese Unternehmen geradezu gezwungen anders zu wirtschaften.

Nicht nur, dass sie grundsätzlich Gewinne machen müssen, unterliegen sie den gleichen rechtlichen Notwendigkeiten wie klassische Unternehmen der Privatwirtschaft. Das heißt auch ihre Produkte werden genauso gehandelt, wie dies in einem liberalisierten kapitalistischen System üblich ist.

Dies führt bei den jetzt so in aller Munde stehenden Energieunternehmen dazu, dass Strom an Börsen gehandelt wird. Wenn, wie bei Wien Energie, wenig Strom in Eigenerzeugung produziert wird, entsteht die Notwendigkeit an den Börsen mit Strom zu spekulieren – damit kundenfreundlich ein niedriger Tarif angeboten werden kann und gleichzeitig Gewinne realisiert werden können. Dass sich Spekulationen und unerwartete Preisanstiege nicht gerade positiv bedingen ist dabei nur ein kleines Detail am Rande, ergibt aber, dass Sicherheiten nicht mehr in ausreichender Höhe bedient werden können.

Im Gegensatz dazu führt ein höherer Anteil an Eigenproduktion aufgrund der Preiskoppelung an Gas durch die Merrit Order zu extremsten Gewinnen. Der Strommarkt kann bei all dem nur mehr als gescheitert angesehen werden.

Re-Verstaatlichung als Antwort

Aber was wir gerade auf dem Strommarkt erleben ist nur ein kleines Beispiel für die Folgen von Profitsteigerungszwang, Sparen im Budget und dergleichen. Spitäler, Bahninfrastruktur, Müllversorgung: auf europäischer Ebene gibt es genug Möglichkeiten die langsame Dahinrottung der Daseinsvorsorge und ihrer Konsequenzen zu beobachten.

Um diesem langsamen Verfall entgegenzuwirken ist auch eine europäische Union gefragt. Der EU- Binnenmarkt mit seinen Auswirkungen auf den öffentlichen Sektor zeigt sich jetzt sehr deutlich als massive Bedrohung der Daseinsvorsorge. Grundfreiheiten wie freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital stehen staatlichen Verpflichtungen entgegen. Und auch wenn die Corona Pandemie im Großen und Ganzen gezeigt hat, dass das Staatliche Auffangnetz funktioniert, zeigten sich auch während der Pandemie die Gefahren des freien Marktes.

Die Versorgung der Bevölkerung braucht Verlässlichkeit, staatliche Regulierung und Kontrolle. Dabei dürfen Verluste keine Rolle spielen und es muss nachhaltig gewirtschaftet werden.

Privatisierte Betriebe der Daseinsvorsorge haben eindrücklich bewiesen, dass sie dazu nicht in der Lage sind – eine Re-Verstaatlichung und Re-Kommunalisierung ist daher die einzige Antwort.

 

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