Ein etwas anderes Corona Update (#21)


Vera Koller, Arbeiterkammerrätin der AUGE/UG und Vorsitzende der Unabhängigen GewerkschafterInnen

Und schon war es da, das neue Jahr! Sehnsüchtig haben sich viele von uns gewünscht, dass mit dem Neustart ins neue Jahr auch Corona im Alten zurückbleibt. Auch wenn rational völlig unlogisch, gab es diesen kleinen Hoffnungsschimmer nach etwas Normalität, offenen Schulen, dem betrieblichen Arbeitsplatz und Präsenzterminen. Derzeit befinden wir uns weit davon entfernt.

Bis 7.2.2020 sind wir im andauernden 3. Lockdown. Die Zahlen sinken nicht schnell genug, die Impfung läuft viel zu langsam und die wieder verschärfenden Corona Mutationen sind längst bei uns angekommen.

Und, trotz Verständnis, dass angesichts der Zahlen keine Öffnungen möglich sind, breitet sich immer mehr Unwille und Verzweiflung aus.

Alle möglichen Sündenböcke und Verantwortlichen werden gesucht und gefunden. Die Politiker*innen, die Lehrer*innen … All jene die derzeit noch irgendeinen Handlungsspielraum besitzen, machen es nicht so, wie wir es uns wünschen würden.

Leider ist die Politik zu einem großen Teil nicht unschuldig daran. Anstatt Einigkeit zu demonstrieren, geht es darum wer zuerst verkündet, oder die angeblich besseren Maßnahmen in petto hat. Und dieses, Regierung gegen Opposition, Forderung gegen Forderung führt zu Elternvertreter*innen gegen Lehrer*innen, Kultur gegen Tourismus usw. Selbstverständlich müssen Interessensvertretungen die Interessen ihres Klientels so gut als möglich stärken und auch dementsprechende Forderungen aufstellen und einfordern. Aber braucht es in Zeiten wie diesen nicht auch etwas mehr Versöhnlichkeit, ein bisschen Verzeihendes? Ein kleines über den Tellerrand schauen, die Situationen der „Anderen“ wahrnehmen. Ein bisschen etwas davon sollte uns eigentlich immer begleiten.

Nur dann, wenn ein Ausgleich von Interessen angestrebt wird, können tragfähige Lösungen herausschauen. Dieser Gedanke des Interessensausgleich begleitet uns auch in rechtlichen Angelegenheiten. Dabei geht es nicht darum, auf Rechte zu verzichten, sondern miteinander so gut als möglich in Einklang zu bringen. Es geht darum ein Ungleichgewicht zu erkennen, Schwächere zu schützen und für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Wir stecken in zehrenden Zeiten, haben unterschiedliche Ängste, Bedürfnisse und Herausforderungen, aber wir alle sind in der einen oder anderen Art betroffen. Gibt es da die eine Antwort, die eine Maßnahme, die für alle passt? Wahrscheinlich nicht!

Aber heißt das jetzt, alle Maßnahmen, die gesetzt werden, passen schon. Leider liegt es allzu oft nicht an der konkreten Umsetzung, sondern daran was mittransportiert wird.

Nehmen wir das Beispiel des eingestellten Schulbetriebs. Viele Eltern bringt dieser zur Verzweiflung. Es herrscht Panik vor der Uneinholbarkeit des Lernstoffes, die Angst das eigene Kind würde den Anschluss verlieren. Und neben diesen ganz normalen elterlichen Befürchtungen stehen die Anforderungen des Berufslebens. Während es im Mai/Juni letzten Jahres, vor allem die in Homeoffice arbeiteten Frauen waren, die im Fokus der Betrachtung standen, ist es mittlerweile für alle berufstätigen Eltern kaum mehr schaffbar, dem Alltag zwischen Schulanforderungen und Arbeitsumfeld auch nur annähernd gerecht zu werden. Wie Soziologin Zartler von der Uni Wien im Zib 2 Interview am 18.01.2021 treffend feststellt, ist der Überforderung beim ersten Lockdown und der Lethargie im Zweiten der Verzweiflung im dritten Lockdown gewichen. Dem gegenüber stehen scheinbar Lehrer*innen und ihre Vertretungen, die davor warnen den Unterricht an den Schulen angesichts der Zahlen abzuhalten. Aus verständlicher Angst um ihre Gesundheit sind sie die Verfechter*innen des Distanzunterrichts. Ein scheinbar unauflösbarer Gegensatz?

Vielleicht wäre es möglich diesen anscheinenden Widerspruch aufzulösen? Sicher wäre es leichter, wäre unser Schulsystem schon in der Gegenwart angekommen und nicht an alte Vorstellungen und Muster geknüpft. In einer fortschrittlichen Schule, wie es sich auch die Lehrer*innen seit langem wünschen, gebe es mehr Platz, mehr Raum für individuelle Förderung und Kreativität.

Stattdessen verharren wir schon viel zu lange in einem Denken des Frontalunterrichts und der strikten Lehrpläne. Und trotzdem, durch eine Auflockerung ebendieser, einer Abkehr von der starren Benotung wäre es vielleicht möglich, für beide Seiten etwas Entlastung in die jetzige Situation zu bringen. Lehrpläne können auch im Laufe des nächsten bzw. übernächsten Jahr vielleicht noch aufgeholt werden.

Es braucht den Mut das auszusprechen, was vielen schon lange klar ist: Kein Kind, auch wenn es aus noch so privilegierten Verhältnissen kommt, wird in diesem Schuljahr nur annähernd das gelernt haben was auf dem Lehrplan steht. Dieses klare Aussprechen, würde schon viel des vorhandenen Drucks nehmen. Möglicherweise wäre es Eltern dann sogar möglich, etwas von der Zeit mit ihren Kindern zu genießen. Derzeit ist jede abgezweigte Zeit, wenn sie denn überhaupt vorhanden ist, mit der Unsicherheit behaftet, ein mögliches Schlechtabschneiden, Durchfallen oder Versagen der Kinder mit zu verantworten.

Versöhnend wäre es, wenn die Politik, anstatt ständig die Geduld der Eltern einzufordern und an deren schlechtes Gewissen zu appellieren, eingestehen würde, dass ein Aufholen nicht mehr möglich ist. Nicht Eltern sind gefragt gegenüber den schlechten Noten ihrer Kinder Milde walten zu lassen, sondern es braucht die klare Anweisung an die Landesschuldirektionen Benotungen auszusetzen bzw. anzupassen.

Auch beim Verschieben der Semesterferien braucht es nicht nur Entschädigung für Hoteliers, sondern Antworten für Eltern was das für ihren vereinbarten Urlaub heißt. Der einseitige Rücktritt vom Urlaub stellt dabei noch das geringste Problem dar. Eine neuerliche Urlaubsvereinbarung für eine Woche früher in vielen Fällen schon eher.

Insgesamt besticht die Politik der Krise weniger durch klare Ansagen, ein Sehen der unterschiedlichen Interessenslagen und schon gar nicht durch Versöhnlichkeit, sondern eher mit Durchhalteparolen, ungenaue Aussagen und einem Ankündigungswahn der Regierung und marktschreierische Interessenspolitik der Opposition.

Und auch wenn die bei der letzten Pressekonferenz präsentierte Einigkeit eine Funken Hoffnung keimen lässt, braucht es dringend den Mut zum klaren Aussprechen der Situation.

Wir brauchen keine dargestellten Babyelefanten, sondern ein Ernstnehmen der vielfältigen Problemlagen. Diese sind oft unangenehm und nicht so leicht zu verdauen, vor allem wenn manchmal keine Auswege präsentiert werden können. Aber vielleicht reicht in gewissen Situationen auch ein kurzes: Es ist eine beschissene Zeit!

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