„Griechenlandhilfe“, Budgetüberschüsse und deutsche Verantwortung

Deutschland hat an der „Griechenlandhilfe“ bislang 1,34 Mrd. Euro an Zinsen verdient, Österreich 111 Mio. Euro. Das krisengebeutelte, hochverschuldete und aufgrund der ruinösen Austeritätspolitik auch in einer tiefen sozialen Krise steckende Griechenland hat damit den Budgetüberschuss Deutschlands mitfinanziert.

Ein Budgetüberschuss, auf den Schäuble besonders stolz ist. Ein Budgetüberschuss, der der Welt – und insbesondere den europäischen Partnern – einmal mehr vorzeigen soll, wie erfolgreich nicht das deutsche Modell ist. Ein Budgetüberschuss, der allerdings inzwischen selbst der EU-Kommission mehr und mehr Kopfzerbrechen bereitet. Und einmal mehr dramatische Konstruktionsfehler im EU-Fiskalregime aufzeigt.
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EU-Austeritätspolitik: Ein Fünkchen Selbstkritik …

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Denn: das europäische, fiskalpolitische Regelwerk– insbesondere der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Fiskalpakt u.a. –  sieht zwar Vorgaben, Vorschriften und Sanktionen bei Budgetdefiziten oder hohen Schuldenständen der Mitgliedsstaaten vor, allerdings nichts ähnlich gelagertes bei Budgetüberschüssen. Weshalb selbst die EU-Kommission in in einer Mitteilung vom 16. November 2016 im Rahmen des Jahreswachstumsbericht eingestehen  muss, dass das fiskalische Regelwerk immer wieder als „asymmetrisch“ bezeichnet wird. Und das Eingeständnis dieser „Asymmetrie“ geht sogar noch weiter, wenn von einer „suboptimalen“ und paradoxen Situation gesprochen wird. Denn: „Die Länder, die keinen finanzpolitischen Spielraum haben, wollen ihn nutzen; diejenigen die finanzpolitischen Spielraum haben (also die Überschussländer, wie z.B. Deutschland, Anm.), wollen ihn nicht nutzen.“ Weshalb die EU-Kommission auch von den EU-Mitgliedsstaaten einen „kollektiveren Ansatz“ in der Fiskalpolitik, der insbesondere auch den gesamten EU-Raum im Blick haben soll.
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Denn: Dass der restriktive Sparkurs der allen EU-Staaten verschrieben wurde für die wirtschaftliche Entwicklung kontraproduktiv ist, hat sich inzwischen auch zumindest in Teilen der EU-Kommission herumgesprochen. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die Kredite für Investitionen verbilligen und so die Konjunktur ankurbeln sollte, funktioniert nämlich nur dann, wenn parallel dazu eine entsprechende Fiskalpolitik betrieben wird – also  Staatsausgaben und damit die öffentliche Nachfrage erhöht wird. Insbesondere auch dann, wenn die private Nachfrage, der Konsum, zurückbleibt. Dann entsteht ein entsprechendes wirtschaftspolitisches Umfeld, das die Unternehmen tatsächlich zu Investitionen veranlasst. Niedrige Zinsen und öffentliche Nachfrage, das wäre der richtige „policy-mix“. Noch dazu, wo Kredite – auch für die öffentliche Hand! – billig wie noch nie zu haben sind.
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Nur: diese expansive Fiskalpolitik fehlt derzeit. EU-weit wurden die Staaten zu einer strikten Austeritätspolitik verpflichtet. Und jenes Land, das tatsächlich so etwas wie die „Konjunkturlokomotive“ Europas sein könnte, nämlich Deutschland stellt sich taub. Deutschland, das mit einem Anteil von 29,2 % an der Wirtschaftsleistung (BIP) der Euro-Zone und 21,14 % BIP-Anteil der Gesamt-EU die mit Abstand stärkste europäische Volkswirtschaft ist. Deutschland, das Budgetüberschüsse erwirtschaftet, sich bislang aber hartnäckig weigert, diese Überschüsse auch – tatsächlich solidarisch! – für die Belebung der europäischen Konjunktur einzusetzen. Deutschland scheint von der Austeritätspolitik vorerst einmal zu profitieren. Tatsächlich nimmt Deutschland damit allerdings auf dramatische Weise Desintegrationsprozesse in Europa und damit die Zukunft der  Europäische Union insgesamt in Kauf. Da mag die EU-Kommission noch so flehentlicher davon sprechen, wie „wünschenswert“ denn eine „fiskalische Lockerung“ – sprich öffentliche Ausgabenpolitik – im Umfang von 0,5 Prozent des Euro-BIP für 2017 wäre. Der Wunsch bleibt dort ungehört, wohin er sich wendet. In Deutschland.

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Zinsgewinne aus „Hilfe“ zurück an Griechenland? Gut, aber …

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Die Forderung der deutschen Grünen, die Zinsgewinne aus der „Griechenlandhilfe“ an Griechenland zurückzuerstatten, ist schon okay. Noch besser wäre es allerdings würde Deutschland endlich in der EU nicht die Rolle des Sparmeisters und Scharfmachers in fiskalpolitischen Fragen einnehmen sondern seine Verantwortung als größte Volkswirtschaft in der EU wahrnehmen: sprich über Lohnerhöhungen und eine expansive Ausgabenpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in der EU erhöhen und so die europäische Wirtschaft und die Investitionstätigkeit ankurbeln. Dadurch würde sich zwar der Budgetüberschuss reduzieren und auch der deutsche Leistungsbilanzüberschuss – also die Differenz zwischen Exporten und Importen – würde kleiner werden. Dafür hätten allerdings die Krisenländer tatsächlich die Chance wirtschaftlich aufzuholen und ihre soziale wie finanzielle Situation zu verbessern. Im aktuellen IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung)-Report der Hans-Böckler-Stiftung der sich aktuell mit Fragen der Arbeitskosten in Europa auseinandersetzt heißt es dazu:

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„Innerhalb einer Währungsunion wäre eine solche Korrektur (Lohnerhöhungen und expansive Ausgabenpolitik, Anm.) … nötig, weil nur so die in der Vergangenheit von Deutschland verursachten Ungleichgewichte bei der Wettbewerbsfähigkeit wieder abgebaut werden können. Die Krisenländer haben in den vergangenen Jahren ihre notwendigen Anpassungen bereits vorgenommen, Deutschland nicht … Nur eine finanzpolitisch induzierte Wachstumsstrategie, die auch zu einer stärkeren Lohnentwicklung führt, kann mittel- bis langfristig die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse nennenswert abbauen.“

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Und die waren ja nicht unwesentlich mitverantwortlich für Ausbruch der Wirtschaftskrise in Europa …. Damit es zu dieser Kurskorrektur deutscher Finanzpolitik kommt wird es allerdings einiges an politischen Druck aus Europa brauchen. Auch aus Österreich, dessen aktueller Finanzminister allerdings als treuer Verbündeter Schäubles gilt.  Umso bedeutender ist der Ausgang der Herbstwahlen in Deutschland – aber auch in Österreich. Denn gewinnen einmal mehr konservative und extreme Rechte ist ein wirtschaftspolitischer Kurswechsel nicht zu erwarten. Eine bedrohliche Perspektive ….

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