Rot-Grüne EU-Initiative: Ein Richtungswechsel für Europa!

 

Die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament rund um die Ausgestaltung der künftigen „Economic Governance“, also der „EU-Wirtschaftsregierung“ befinden sich in der Endphase. Und es droht bereits eine Einigung zu geben.


Sven Giegold, ehemals ATTAC Deutschland, heute EU-Abgeordneter der deutschen Grünen und zuständig für wirtschaftspolitische Fragen, spricht davon, dass „ … nach 3 Stunden Verhandlung … Konservative und Liberale die einzigen entscheidenden progressiven Elemente des Pakets aufgegeben (haben). Nun wird es eine rasche Einigung geben. Die Anpassungslasten werden wohl alleine die schwachen Defizitlaender zu tragen haben.“


Nun droht alles Wirklichkeit zu werden, wovor GewerkschafterInnen, NGO und kritische WissenschafterInnen u.v.m. gewarnt werden. Unter anderem:

  • ein automatischer Sanktionsmechanismus, wenn der Staatschuldenabbau nicht rasch und radikal genug erfolgt oder „Empfehlungen“ der EU-Kommission bzw. des EU-Rates die in der Regel einen schwer neoliberalen Einschlag haben, nicht entsprechend berücksichtigt oder verfolgt werden
  • eine radikale Sparpolitik die in praktisch allen EU-Ländern zeitgleich vorangetrieben wird, und so die Gefahr massiver Konjunktureinbrüche und Rezessionen mit sich zieht
  • massive Einschnitte in sozialstaatliche Sicherungssysteme aber auch nationalstaatliche Lohnpolitiken unter dem Vorwand der Erhaltung und Sicherung von „Wettbewerbs-“ und „Konkurrenzfähigkeit“
  • eine weitere Stärkung demokratisch nicht legitimierter EU-Institutionen – etwa der EU-Kommission – gegenüber demokratisch gewählten Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten

(Eine umfassende Analyse des „Sechs-Punkte-Pakets“ der EU-Kommission für eine europäische Wirtschaftsregierung gibt es auf dem BEIGEWUM-BLOG)


Grüne und Sozialdemokratische EU-Abgeordnete – die europäischen Grünen haben anscheinend inzwischen tatsächlich erkannt, dass es auch andere, vielleicht sogar brennendere und dringlichere Probleme gibt, als in der Gegend herumhängende Zigarettenautomaten – haben nun die Inititative „Ein Richtungswechsel in Europa“ gestartet, um einen interessierte europäische Öffentlichkeit gegen die geplanten wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf EU-Ebene zu mobilisieren.


Im Aufruf heißt es untern anderem:


„Wir befinden uns mitten in einer Krise mit historischem Ausmaß, die selbst die Existenz des Euros bedroht. Die EU steht vor Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Zukunft und die der europäischen Wirtschaft haben werden. Die von EU-Kommission und Ministerrat eingebrachten Gesetzesvorschläge zur wirtschaftspolitischen Steuerung stellen in beispielloser Weise die Prinzipien unserer Wertegemeinschaft in Frage: Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und nachhaltige Entwicklung. Unter dem Deckmantel einer vermeintlich verantwortungsvollen Haushaltspolitik werden ideologische Entscheidungen gefällt, die nicht nur den sozialen Zusammenhalt Europas gefährden, sondern auch die ökologische Modernisierung unseres Wirtschaftsmodells. Eine ganze Generation von jungen Menschen droht diesen Entscheidungen zum Opfer zu fallen. In zahlreichen Mitgliedstaaten sind gerade sie von Arbeitslosigkeit hart betroffen. Sie fühlen sich immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt, statt die Möglichkeit zu haben, ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.


… Die weltweite Finanzkrise und der anschließende Wirtschaftseinbruch haben die Staatshaushalte in Europa schwer belastet. Auch wenn der öffentliche Sektor einen Teil der Verantwortung trägt, so sind die Hauptursachen der Misere doch vor allem im Privatsektor zu finden: in der wachsenden Lohnungleichheit, in der exzessiven Verschuldung der privaten Hand und in den von einer verantwortungslosen Finanzwirtschaft verursachten Spekulationsblasen.


… Einen durch blinde Sparpolitik andauernden wirtschaftlichen und sozialen Niedergang werden unsere Gesellschaften nicht überstehen. Folgt man dieser irregeleiteten Logik, müssten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch nicht verantwortbare Lohnkürzungen die Hauptlast der Krisenkosten schultern. Lasst uns stattdessen endlich gemeinsam die richtigen Lehren aus der Krise ziehen. Spekulanten haben sich an der fehlenden Regulierung und mangelhaften Überwachung der Finanzmärkte maßlos bereichert. Ein Spardiktat ohne Augenmaß verbunden mit dem Angriff auf Arbeitnehmerlöhne wird die Lage lediglich verschlimmern …


Die konservativen Mehrheiten im Europäischen Parlament und im Ministerrat, die Europa diese verfehlten Gesetzesvorhaben aufzwingen wollen, müssen sich ihres Irrweges bewusst werden. In dieser schwierigen Situation müssen wir Europäer Mut beweisen und Vorstellungskraft entwickeln, indem wir eine andere, eine neue politische Antwort geben. Es ist möglich, die öffentlichen Haushalte wieder in den Griff zu bekommen ohne unsere wirtschaftliche Entwicklung abzutöten, ohne Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung oder erneuerbare Energien zusammenzustreichen, und ohne soziale Ungerechtigkeit und soziale Ausgrenzung zu verschärfen. … Anpacken müssen wir hierbei aber alle – Länder mit Handelsüberschüssen genauso wie Länder mit Handelsdefiziten.
Produktive öffentliche Investitionen, die entscheidend für unsere gemeinsame Zukunft sind, dürfen nicht blindem Sparzwang zum Opfer fallen … Eine europäische Steuerpolitik kann als Garant für gerechte, effiziente und nachhaltige Einnahmen stehen. Hier muss es uns auch darum gehen, die Steuerlast auf Arbeitseinkommen zu senken und die auf Kapitaleinnahmen zu erhöhen. Steuerhinterziehung muss effektiv bekämpft werden. Wir brauchen ein Steuersystem, das die ökologische Modernisierung möglich macht. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer muss als vordringliche Maßnahme auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die europäischen Regierungen sind in der Pflicht sicherzustellen, dass auch die hohen Einkommen und Kapitaleinnahmen einen gerechten Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten, damit die Hauptlast nicht von mittleren und niedrigen Einkommensgruppen geschultert wird.


… Wir rufen alle, die unsere Überzeugung teilen, dazu auf aktiv zu werden und diesen Aufruf zu unterzeichnen, um in Europa einen Richtungswechsel einzuleiten: wir wollen nicht schwächer, sondern stärker aus der Krise hervorgehen.“

Der Aufruf kann hier unterzeichnet werden.

Zustimmung zu ESM an Einstieg in Vermögensbesteuerung binden!

Auf österreichischer Ebene kann das nur heissen: wenn es den Konservativen in EU-Rat und EU-Parlament tatsächlich gelingen sollten, ihre wirtschaftspolitische Agenda durchzusetzen, muss die Zustimmung zur dauerhaften Finanzierung des „Euro-Rettungsschirm“ im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus an den Einstieg in eine umfassende Besteuerung von Vermögen geknüpft werden – entlang den Empfehlungen der AK-Wien (ein Antrag der AUGE/UG) und der GPA-djp!

Wie – im Aufruf der EU-ParlamentarierInnen gefordert – haben jene, die von den Rettungspaketen profitieren und die für die Krise entscheidend mitverantwortlich sind endlich den entsprechenden Beitrag zur Bewältigung der Krise und zu Aufbringung der Krisenkosten zu leisten!

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