Schulden „bremsen“? Ja, aber mit dem KHG seiner Abgabenquote …
23. November 2011 von adminalternative
… und der Fiona (1) ihrem Geld!
Nun, gerne werden GegnerInnen einer im Verfassungsrang stehenden Schuldenbremse als SparverweigerInnen denunziert. Ihnen wird gerne vorgeworfen, sie hätten den „Ernst der Lage“ nicht erkannt, würden „Tatsachen ignorieren“ und der alten Politik des „Schulden machens“ frönen, Belastungen auf „nachkommende Generationen“, die Kinder und Kindeskinder abwälzen. Sie wären diejenigen, welche das Triple-A gefährden würden, das uns „die Finanzmärkte“ gnadenlos aberkennen würden. Nein! Jetzt, genau jetzt müsse Ende mit „Schulden machen“ sein, jetzt müssten „alle Ausgaben“ (na ja, natürlich nicht alle, jene für Bauern und Familien z.B. – Göttin behüte! – natürlich nicht) durchforstet werden, jetzt müsse ein hartes Blut, Schweiß und Tränen Sparpaket folgen. Und eines bloß nicht: neue Steuern! Nein, read it on my lips, wie schon einmal so ein konservativer, texanischer Geistesblitz jenseits des Atlantiks einmal meinte: No more taxes!
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Parlamentarische Rechte – gemeinsam vereint im Kampf für die Reichen!
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Und sie sind alle aufgestellt, wenn es darum geht die Reichen und Reichsten zu schonen, von ganz Rechts bis Mitte Rechts, der Österreichableger der Tea Party: die Ganz,ganz-kleine-Leute-FPÖ, die neben Abstimmungen zu allem und jedem ganz klar „keine neuen Steuern“ zur Bedingung macht, das BZÖ, das sich nicht erblödet, auch eine maximale Abgabenquote in der Verfassung festschreiben zu wollen und nicht weniger hysterisch als die FPÖ „keine neuen Steuern, genug gezahlt“ und was-weiß-ich noch brüllt. Und schließlich natürlich die ÖVP, für die von Wirtschaftsbund über Generalsekretariat, Klubobmenschen, Finanzministerin bis Vizekanzler jeder und jede zuerst einmal überhaupt nicht über neue Steuern reden will und wenn schon, dann sicher nicht über Vermögenssteuern. Nein, kommt doch überhaupt nicht in Frage, linkes Gesindel!
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Ungeduld bei den Regierenden
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Der Vizekanzler wird angesichts dieses Begehrs – und dem Begehr der Opposition im allgemeinen, für eine eventuelle Zustimmung auch irgendwas haben zu wollen – überhaupt recht unwirsch und übt sich in der für einen ÖVPler üblichen selbstgerechten Beschimpfung all derer, die nicht so wollen, wie er will. Von „Verantwortungslosigkeit“ ist da die Rede, „von unrealistischen Forderungen“, von „parteitaktischen Spielchen“, die ihm, einem ÖVPler natürlich vollkommen fremd sind, von einer Opposition, die „groß daherredet, aber nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen“. Für Österreich natürlich. Hände falten, Goschn halten und zu allem ja und amen sagen, was eine ÖVP, die von Gott höchstpersönlich erwählte Partei, so will.
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Wo ein Spindelegger tobt, darf auch ein Faymann nicht nachstehen, ist ja schließlich ER der Kanzler. Die Opposition habe sich gefälligst in „Verantwortungsbewußtsein“ zu üben, wenn die Regierung das schon nicht tut und eine Schuldenbremse in den Verfassungsrang heben will und gefälligst – wenn es schon er in Brüssel nicht tut und alles an Budgetverschärfungen die da vorgegeben werde brav abnickt – zumindest hier „Rot-weiß-Rote“ Flagge zu zeigen.
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Und spätestens dann, wenn die Pensionistenvertreter der Großparteien – Blecha und Khol – ausrücken (Blecha: „Schuldenabbau ist eine Frage staatspolitischer Verantwortung“ , Khol: „Senioren beunruhigt über Oppositionsverhalten – Kein Taktieren in ernster Zeit!“) um vor dem Staatsnotstand zu warnen, weiß frau/mann, dass es um die Lage der Nation wirklich ernst bestellt ist.
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„No-more-taxes“? Aber woher! Schlag nach bei Schwarz-Blau
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Nun, tatsächlich erstaunlich ist das Zieren der FPÖ in Fragen Schuldenbremse, war sie bzw. ist sie doch seit jeher eine besonders eifrige Verfechterin derselben – außer es soll um sie tatsächlich ernst werden. Dass die FPÖ dann sofort zurückzieht ist nur klar – für massive und brutale Sparpakete, wie sie die FPÖ nur in ihren feuchtesten Träumen bzw. Aussendungen träumt, sollen natürlich dann schon die anderen verantwortlich zeichnen, nicht sie. Die BZÖler – auf eine geschlechtersensible Schreibweise kann getrost verzichtet werden – stehen, ist zu befürchten, tatsächlich zu dem, was sie sagen und glauben das auch noch. Die ÖVP ist primär Überzeugungstäterin, wenn es drum geht, die Roten auszuräumen und den verhassten Sozialstaat auf todkrank „gesund“zuschrumpfen und das geht nunmal nur ausgabeseitig.
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Überraschend ist die schroffe Ablehnung von höheren Steuern zur Budgetkonsolidierung seitens der vereinten Rechten allerdings allemal. Denn entgegen des gern gepflogenen Mythos der „Sparmeister“ der Nation war es doch ausgerechnet die Schwarz-Blaue Koalition unter Wolfgang Schüssel und dem nicht nur besten, sondern auch schönsten Finanzminister aller Zeiten, die um ein Nulldefizit zu erreichen, einen Spitzenwert bei der Steuer- und Abgabenquote in Kauf nahm – Unter Beteiligung aller Rechtsparteien von FPÖ über BZÖ bis ÖVP:
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- Unter dieser Bundesregierung erreichte die Steuer- und Abgabenquote einen neuen Rekordwert: 46,8 % des BIP flossen als Steuern und Abgaben in den Staatssäckel um das schwarz-blaue Prestigeprojekt „Nulldefizit“ zu realisieren. Zum Vergleich: 1995 lag die Quote bei 43,7 % des BIP. 1999 – ein Jahr vor der Schwarz-Blauen „Wende“ bei 45,9 %. 2009, mitten in der Krise bei 44,3 %, 2010 schließlich bei „nur“ noch 43,7 %.
- In absoluten Zahlen: von 1999 bis 2001 erhöhten sich die Einnahmen aus Steuern und Abgaben von 91,4 Mrd. Euro auf 100,1 Mrd. Euro – also innerhalb von nur zwei Jahren um ziemlich genau 10 %. (Quelle: Statistik Austria)
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Unter Schwarz-Blau verloren Freiheitliche wie Konservative ganz offensichtlich sämtliche ideologischen Hemmungen und Bedenken, wenn es um Steuererhöhungen zur Erreichung eines finanzpolitischen Ziels ging. Nulldefizit war angesagt, das war der Schlager einer sonst eher durch Skandale und freiheitlichem Regierungsunvermögen auffallende Regierung.
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Schwarz-Blau: Höhere Steuern im Dienste des „Nulldefizits“ – und das mitten im Konjunkturabschwung
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Und es war auch keinesfalls so, dass die Folgen auf die Konjunktur die national-konservative Regierung besonders beeindruckt hätte : wuchs das BIP im Jahr 2000 noch um 3,7 %, wurde das Wachstum aufgrund einer Konjunkturdelle und der zusätzlichen Maßgabe „Nulldefizit erreichen“, und das um jeden Preis auf 0,9 % im Jahr 2001 gedrückt. Und die Erholung ließ mit schwachen 1,7 % 2002 und 0,9 % 2003 auf sich warten (Quelle: Statistik Austria). Zurückzuführen war dieser konjunkturelle Einbruch u.a auf die ebenfalls stattgefundenen massiven Ausgabekürzungen – Abschaffung des Pensionistenabsetzbetrages, Kürzung der Familienzuschläge bei Arbeitslosigkeit, Verschärfungen bei Urlaubs- und Kündigungsentschädigung, Reformen im Bereich der Invaliditätspension usw. – sowie auf Steuer- und Abgabeerhöhungen – u.a. die Studiengebühren, die Erhöhung von Ambulanzgebühren, die Erhöhung der Rezeptgebühren, Halbierung der Absetzbeträge bei ArbeitnehmerInnen etc. – die unmittelbar auf die Einkommen und die Nachfrage wirkten.
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Jedenfalls: eine „rein“ ausgabeseitige Konsolidierung die unbedingt notwendig wäre, wie es uns schwarz-blau-orange unisono so gerne weismachen würden – fand unter der schwarz-blau-orange Regierung so auch nicht statt. Im Gegenteil: die Steuer- und Abgabenquote erreichte gerade aus Konsolidierungserfordernissen einen neuen Spitzenwert – wenn auch die steuerlichen Maßnahmen so gesetzt waren, dass sie auf die konjunkturelle Entwicklung negativ wirkten.
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Schulden bremsen? Ja, aber mit „KHG-Abgabenquote“ …
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Nun, was unter schwarz-blau zur Erreichung eines Nulldefizits gut war, kann in Zeiten wie diesen, wo der Druck auf Konsolidierungsmaßnahmen ungleich höher ist, nur billig sein. Was brächte heute eine Steuer- und Abgabenquote a la Karl-Heinz?
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- Läge die Steuer- und Abgabenquote statt bei derzeit 43,7 % bei Karl-Heinzschen 46,8 % würde das – bezogen auf das BIP 2010 von 286 Mrd. Euro Mehreinnahmen von 8,9 Mrd. Euro bedeuten!
- Das Budgetdefizit würde sich von 3,9 % der BIP (für 2011) auf bis zu 0,8 % des BIP reduzieren. Für 2012 wäre – halten die Defizitprognosen – beinahe ein Nulldefizit möglich! Wohl gemerkt: nur durch einnahmeseitige Maßnahmen im Umfang schwarz-blauer Steuer- und Abgabenpolitik
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… sinnvollen Einsparungen …
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Und diese einnahmeseitige Sanierung – die über weite Strecken tatsächlich auch eine ausgabenseitige ist, weil steuerliche Förderungen und Subventionen gestrichen bzw. abgeschafft werden – ist auch möglich. Ein Auszug gefällig – nur damit nicht wieder wer behaupten würde, wir wären nicht bereit zu sparen bzw. hätten nicht entsprechende Vorschläge im Köcher:
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- Sparen könnten wir uns die steuerliche Förderung der hochriskanten, finanzmarktkrisenbefördernden privaten Pensionsvorsorge, der 2. und 3. Säule, welche die österreichischen SteuerzahlerInnen laut WIFO Jahr für Jahr 1,3 Mrd. Euro kostet.
- Sparen können wir uns auch – ohne Subventionen für Bauern zu streichen – die Steuerprivilegien in der Landwirtschaft, also versteckte Subventionen im Rahmen der Pauschalierung, der Agrardieselrückvergütung, der einbehaltenen USt im Umfang von insgesamt 400 bis 500 Mio Euro.
- Vollkommen – gerade auch aus ökologischer Sicht – widersinnig ist die steuerliche Bevorzugung und Subvention (Mineralölsteuerbefreiung bzw. -vergünstigung) von „Bio“-Sprit im Umfang von 200 bis 300 Mio. Euro.
- Ja, selbst im ArbeitnehmerInnenbereich könnten sinnlose, kontraproduktive Steuerbefreiungen gestrichen werden – etwa die beschäftigungspolitisch hinterfragenswerte Steuerfreiheit auf Überstunden im Ausmaß von 150 Mio. Euro, oder der Alleinverdienerabsetzbetrag im Umfang von rund 360 Mio. Euro.
- Ein weiteres Steuergeschenk, dass angesichts des ohnehin dramatisch sinkenden Steueraufkommens auf Selbständigkeit, das „fiktive“ 13./14. Monatsgehalt ist aufgrund ohnehin großzügiger Abschreibemöglichkeiten ersatzlos zu streichen – und brächte zwischen 160 und 300 Mio Euro.
- Gelingt es tatsächlich, das reale – nicht das gesetzliche! – Pensionsantrittsalter durch bessere, tatsächlich alternsgerechte Arbeitsbedingungen und -plätze zu erhöhen, erspart dies der Republik jedes Jahr rund 1 Mrd. Euro. Pro gewonnenem „realen“ Pensionsantrittsjahr.
- Und zuletzt: wer Arbeitslosigkeit bekämpft, spart überhaupt besonders wirkungsvoll. 100.000 Arbeitslose weniger bringen eine Ersparnis von 2,7 Mrd. Euro.
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Von irgendwelchen Verwaltungsreformen, die durchaus sinnvoll sein können (etwa im Schulverwaltungsbereich), ist da noch gar nicht die Rede. Aber alleine dieser Auszug aus Einsparungsmöglichkeiten erbrächte – kurz- bis mittelfristig – ein Volumen (ohne den Punkt Arbeitslosigkeitsbekämpfung, bei vorsichtiger Schätzung) von bis zu 3 Mrd. Euro!
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… und „den Fionas ihrem Geld“
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Wenn dann noch …
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- … vermögensbezogene Steuern – von Erbschafts- und Schenkungssteuer über Börsenumsatz-, Vermögenszuwachs- und Umwidmungsgewinnsteuern bis hin zu einer allgemeinen Vermögenssteuer und der Streichung von Stiftungsprivilegien – auf europäisches Niveau im Umfang von rund 4,5 Mrd. Euro umgesetzt werden
- … der Spitzensteuersatz auf Einkommen progressiver gestaltet (z.B. 55 % ab 140.000 Euro, 60 % ab 280.000 Euro usw. ) und das Steuerprivileg auf das 13./14. Monatsgehalt für Einkommensbestandteile über 100.000 Euro/Jahr aufgehoben wird, brächte das mindestens 300 Mio. Euro zusätzlich/Jahr.
- Würden Unternehmenssteuern dann noch auf Europäisches Niveau gehoben, wären noch einmal 2 Mrd. Euro zusätzlich drinnen.
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Allesamt Maßnahmen, sozial treffsicher und gerecht, die alleine Mehreinnahmen von 6 bis 7 Mrd. Euro brächten. Dabei bestünden nach wie vor Handlungsspielräume zur Erreichung der Grasserschen Sparquote. Der Spitzenwert unter Schwarz-Blau wäre noch gar nicht erreicht!
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Um Budgets zu konsolidieren braucht es keine Schuldenbremse. Und schon gar keine im Verfassungsrang.
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Drum: All jenen, die heute so lauthals einer Schuldenbremse im Verfassungsrang inklusive ausgabeseitiger Konsolidierung das Wort sprechen, sei eines empfohlen: Sie sollten einen kleinen Blick in die Vergangenheit wagen. In ihre eigene. Und dann bitte den Mund halten.
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Quellen/Anmerkungen zum Text: die im Artikel angefuehrten Abgabe- bzw. Schuldenund Defizitquoten stammen aus dem Datenmaterial der Statistik Austria (für Österreich) bzw. von Eurostat (für Eurostaaten). Die in diesem Beitrag verwendeten Abgabenquoten beziehen sog. „imputierte“ Sozialversicherungsbeiträge ein. Dabei handelt es sich v.a. um für Beamte geleistete Pensionszahlungen, die durch SV-Beiträge nicht gedeckt sind. Es wird sozusagen ein „fiktiver“ Sozialversicherungsbeitrag angenommen und mit einberechnet. Andere Berechnungsarten für Abgabequoten beziehen diese imputieren SV-Beiträge nicht ein, liegen entsprechend niedriger. Sie sind daher nicht „falsch“, sondern es liegt ihnen nur eine andere Berechnungsweise zugrunde. Vielfach werden Abgabenquoten verwendet, welche die tatsächlich geleisteten Steuern- und SV-Beiträge abzüglich nicht einbringlicher Abgaben beinhalten und „imputierte“ SV-Beiträge nicht berücksichtigen. Nach dieser Berechnungsart liegt die Abgabenquote 2001 bei 44,9 %, jene für das Jahr 2010 bei 42 %. Der „Einnahmegap“ entspricht auch bei Verwendung dieser Abgabequoten bei 8,2 Mrd. Euro, entspricht also annehmend jener der oben erwähnten. Der geschätzte Konsolidierungsbedarf bei Einführung einer Schuldenbremse beruht auf Berechnungen der AK Wien, welche auch im Positionspapier des ÖGB angeführt sind.
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(1) Der Name „Fiona“ steht in diesem Sinne stellvertretend und symbolisch für besonders vermögende Personen in diesem Lande. Selbstverständlich geht es nicht darum, sich Eigentum der „Fiona“, des „Hannes“, des „Dieter“, von wem auch immer widerrechtlich anzueignen, um damit die öffentlichen Haushalte zu sanieren, es geht um die Wiedereinführung von Steuern auf Vermögen, Vermögenszuwächse und Vermögensübergänge zur Bewältigung der Krisenkosten und zur nachhaltig wirkenden und stabilen Budgetsanierung.