Teilzeit absichern? Ja, natürlich. Wie wärs mit „Mindestarbeitszeiten“?

TeilzeituhrGestern war ganz offensichtlich „Teilzeittag“ im Wahlkampf. Zumindest bei der SPÖ und den SPÖ-GewerkschafterInnen. Der Grund: eine aktuelle Untersuchung der Statistik Austria im Auftrag des BMASK und des Frauenministeriums  hat einmal mehr den massiven Einkommensunterschied zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten dokumentiert. Der Stundenlohn bei Teilzeit liegt um rund ein Viertel unter Vollzeit. Eine Einkommensdiskriminierung die überwiegend Frauen trifft, sind doch überwiegend Frauen teilzeitbeschäftigt.
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„Schluss mit der Teilzeitfalle“ fordert daher etwa SPÖ-Abgeordnete und ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. Und: „Mit der Teilzeitfalle muss Schluss sein“. „Teilzeit muss gleich viel wert sein wie Vollzeit“ heißt es auch aus der GPA-djp, in diesem Falle von der Frauenvorsitzenden Ilse Fetik. Und der neue AK-Präsident Kaske weist darauf hin, dass auch für Teilzeitbeschäftigte „Diskriminierungsverbot“ gelte und sich die Unternehmen sich auch hier an das Gesetz zu halten hätte.
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Die Forderungen die vorgebracht werden sind auch durchaus unterstützenswert und längst AUGE/UG-Programm. Viele kommen uns daher sehr bekannt vor. Etwa dass
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  • Teilzeit für alle Beschäftigten unter Beibehaltung einer zumindest gleichwertigen qualifizierten Tätigkeit möglich sein muss.
  • Teilzeitbeschäftigte ein Recht auf Stundenaufstockung bekommen sollen, wenn sie regelmäßig Mehrstunden leisten müssen
  • der zuschlagsfreie dreimonatige Durchrechnungszeitraum im Rahmen der Mehrarbeitszeitregelung endlich weg fällt

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Auch Teilzeitbeschäftigte Opfer „unbezahlter Überstunden“
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Vor allem letzter Punkt bedeutet eine – erfreuliche – Kurskorrektur bei den Gewerkschaften. Denn unter jenes „rund ein Viertel“ an geleisteten „unbezahlten Überstunden“ fallen – laut GPA-djp – auch jede Menge Teilzeitbeschäftigte, die um ihren 25%igen Mehrstundenzuschlag umfallen. Würden Mehrstundenzuschläge voll bezahlt, würden sich z.B. im Handel der Einkommensgap von 22 % um rund 5 bis 7 % reduzieren, so die GPA-djp, die nun fordert, „den Mehrarbeitszuschlag ab der ersten geleisteten Stunde Mehrarbeit zu bezahlen.“
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Was es noch bräuchte: Mindestlohn und Mindestarbeitszeitregelung bei Teilzeit
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Wie gesagt: alles so weit so richtig, alles so weit so wichtig. Allerdings nicht unbedingt weitreichend genug. Zumindest nicht, solange es keine Begrenzung von Arbeitszeit „nach unten gibt“. Während es nämlich eine maximal zulässige Höchstarbeitszeit gibt, gibt es keine maximal zulässige Mindestarbeitszeit. Soll Einkommen aus Teilzeit allerdings „nach unten“ abgesichert werden, bräuchte es entsprechende Regulierungen. Wie sonst soll der Fall „ins Bodenlose“ verhindert werden? Selbst, wenn hinsichtlich der Stundenlöhne keine Diskriminierung mehr herrscht?
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Unser Vorschlag ist daher ein „Einkommensschutz“ bei Teilzeit – eine Kombination von Mindestlohn und Mindestarbeitszeit:
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  • Wir wollen einen Mindestlohn von Euro 8,70 je Stunde  – am liebsten auf gesetzlicher Ebene, weil dieser dann tatsächlich für alle ArbeitnehmerInnen und arbeitnehmerInnenähnlichen Beschäftigungsverhältnisse Gültigkeit hätte. Für Vollzeitbeschäftigte brächte ein derartiger Mindestlohn ein Bruttomonatseinkommen von 1.508 Euro, 14 x im Jahr, aufs Jahreszwölftel gerechnet von 1.759 Euro je Monat.

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  • Zusätzlich wollen wir eine „maximal“ zulässige Mindestarbeitszeit von 18 Wochenstunden. Würde nur Mindestlohn bezahlt, läge damit das „Mindesteinkommen“ bei Teilzeit bei 679 Euro (14 x jährlich), auf 12 Monate gerechnet bei 792 Euro. Unter diesen Betrag dürfte kein Einkommen aus Teilzeit fallen. Das wäre die absolute Untergrenze für Einkommen aus Teilzeit. Ein Abweichen von der Mindestarbeitszeit wäre dann möglich, wenn das Mindesteinkommen aus Teilzeit nicht unterschritten wird.

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  • Ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis soll in unserem Modell nur bei Vorliegen eines zusätzlichen „regulierten“ Haupteinkommens oder Sozialtransfers (Mindestteilzeit, Stipendium, Arbeitslose etc.) zulässig sein und unter vollen Sozialversicherungsschutz fallen – inklusive Leistungen. Mittel- bis Langfristig braucht es überhaupt eine gesellschaftliche Diskussion, ob derartige „Minijobs“ beibehalten werden sollen.

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Mit dieser Maßnahmen könnte Einkommen aus Teilzeit „nach unten“ abgesichert werden. Und ähnliche Regelungen gab und gibt es bereits: in Dänemark etwa – mit einer deutlich kürzeren Vollarbeitszeit von 37 Wochenstunden –  sehen viele Kollektivverträge etwa Mindestarbeitszeiten bei Teilzeit von 15 Wochenstunden vor.
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Mit Mindestarbeitszeiten, Mindestlöhnen, Rechtsansprüchen auf Aufstockungen etc. alleine ist es natürlich nicht getan, solange gesellschaftliche Rahmenbedingungen – wie etwa fehlende Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen oder unzureichende öffentliche Mobilität –  nur Teilzeit erlauben. Mindestarbeitszeitregelungen gehören daher – wie alle anderen Maßnahmen – in ein Gesamtpaket für „qualifizierte“ Teilzeit und faire, selbstbestimmte Arbeitszeiten eingebettet. Um Teilzeit allerdings nach unten abzusichern und die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, zwischen „weiblicher“ Teilzeit und „männlicher“ Vollzeit  zu verkleinern, sind sie unabdingbar.
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Presseaussendungen zum Thema:
Frauenministerin Heinisch-Hosek und Sozialminister Hundstorfer präsentieren 7-Punkte-Programm für faire Teilzeit
ÖGB-Hochhauser: Schluss mit der Teilzeitfalle!
AK-Kaske: „Teilzeitbeschäftigte am häufigsten beim Wiedereinstieg von Verschlechterungen betroffen“
GPA-djp Katzian/Fetik: „Teilzeit muss gleich viel wert sein wie Vollzeit!“
Schwentner/Grüne: „Unfaire Teilzeit ist Ergebnis des frauenpolitischen Stillstands“
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Empfohlen sei hier der Redebeitrag von Ulli Stein, UG-Betriebsrätin an der Med-Uni Wien und AK-Rätin der AUGE/UG in Wien im Rahmen des ÖGB-Bundesfrauenkongress zum Thema Arbeitsrealität von Frauen, Arbeitszeiten und Führung in Teilzeit. In unserem Bericht zu ÖGB-Bundesfrauenkongress auf dem Belvederegasse-BLOG

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