Vermögenssteuern, der ESM und die Grünen: vom Balkon zurück aufs Spielfeld

Vor einigen Wochen noch wurde in diesem BLOG ein Beitrag mit „Vermögenssteuern: Grüne Balkonmuppets …“ übertitelt. Damals fiel den Bundes-Grünen angesichts der SP-Forderung nach einer „Reichensteuer“ außer Gekeppel und Rechthaberei a la Balkonmuppets Statler & Waldorf nicht besonders viel ein. Der Ball wurde nicht aufgenommen und zurückgespielt. Vielmehr schien es, als wolle frau/man es sich auf der „8-Millionen-Trainerbank“ hinter den Bildschirmen bequem machen und von außen das Match SPÖ-ÖVP zu kommentieren um es gegebenenfalls natürlich viel besser gemacht zu haben. Nun, an sich ist eine Oppositionspartei tatsächlich meist – um nicht zu sagen in der Regel – zu einem derartigen „Balkonmuppet-Dasein“ verdammt. Allerdings ergeben sich immer wieder – selten genug – Gelegenheiten bzw. Materien, wo Stimmen von Oppositionsparteien für entsprechende „Zwei-Drittel-Mehrheiten“ gebraucht werden. Das versetzt Oppositionsparteien dann in die einmalige Position auch einmal etwas ihnen Wichtiges durchsetzen zu können: Zustimmung gegen Entgegenkommen.

Was kritisiert wurde …

Eine derartig einmalige Gelegenheit stellt etwa die Einrichtung des ESM – des Europäischen Stabilitätsmechanismus, des dauerhaften Eurorettungsschirms – dar. Damit dieser eingerichtet werden kann, muss der Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU geändert werden. Diese Änderung bedarf in Österreich allerdings einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Nachdem BZÖ und FPÖ bereits jede Form der Zustimmung zu dieser Änderung verweigert haben kommt nun den Grünen die privilegierte Position der Zwei-Drittel-MehrheitsbeschafferInnen zu. Und: das Thema Vermögenssteuern, Steuergerechtigkeit, „Verursacherprinzip“ ist zu wichtig, um sich auf eine Wir-wissen-es-besser-BeobachterInnenrolle zu reduzieren. Da ist aktives Mitspielen gefragt, Druck aufbauen, Zeichen setzen … Und was läge näher, als die Zustimmung zum ESM an den Wiedereinstieg in Vermögenssteuern zu knüpfen? Ein inhaltlicher Zusammenhang wäre leicht herstellbar: jene, für deren Vermögenserhalt Eurorettungsschirme u.a. aufgespannt würden, sollten gefälligst ihren Anteil für die Rettung ihrer Vermögen zahlen. Jene, welche für die Krise (mit-)verantwortlich wären, sollen gefälligst für die Krisenkosten aufkommen. Und: nachdem eine – wenn nicht DIE – zentrale Ursache der Krise in der massiven Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen zu suchen ist, muss diese Schieflage in der Verteilung korrigiert werden. Dazu könnte in Österreich ein „Leuchtturmprojekt“ für Europa gestartet werden – indem die Krisenverursacher über vermögensbezogene Steuern umfassend für die Krisenbewältigung aufzukommen haben. Die Grünen drohten eine Gelegenheit, realistisch endlich für mehr Steuergerechtigkeit in Österreich zu sorgen, verstreichen zu lassen. Das war die Kritik.

… und was sich inzwischen geändert hat

Inzwischen haben sich die Grünen allerdings aus ihrer BeobachterInnenrolle in Sachen Vermögenssteuern verabschiedet. Was außerordentlich erfreulich ist. Notwendig dazu war jede Menge Beharrlichkeit – um nicht zu sagen sanfter Druck – und inhaltliche Überzeugungsarbeit vieler. Und – nicht zuletzt – wohl auch die brutale ökonomische Realität, die budgetären Nöte grün mitregierter Kommunen (u.a. Wien), der sich abzeichnende erneute Konjunktureinbruch mit dem drohenden Wegbrechen von Steuereinnahmen sowie die sich dramatisch verschärfende Krise im Euro-Raum. Und so fordern die Grünen nun neuerdings neben Schritten in Richtung Eurobonds und geregelte Staatsinsolvenz auf europäischer Ebene, auf österreichischer Ebene den Einstieg in Vermögenssteuern.

Der entscheidende Auszug aus dem Antrag mit dem Titel „Europa NEU denken. Österreich NEU bauen“:

Die Zustimmung der Grünen im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Artikels 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU als Voraussetzung für die Einführung des ESM-Rettungsschirms ist nur gesichert, wenn glaubhafte Umsetzungsschritte in den folgenden Bereichen gewährleistet sind:

3. Europäische Steuerharmonisierung – Maßnahmen auf österreichischer Ebene:
– Einführung einer reformierten Erbschafts- und Schenkungssteuer, die kleine und mittlere Erbschaften unberührt lässt, also mit einem entsprechend hohem Freibetrag und einem progressiven Steuersatz
– Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer (inklusive Reform der Grundsteuer) mit einem Freibetrag von 500.000 Euro, also einer Reichensteuer für die Vermögensteile die über 500.000 Euro pro Person liegen. Städten und Gemeinden sind ausreichend Steueranteile zu refundieren.
– Die Steuer- und Abgabenlast soll insbesondere bei unteren und mittleren Einkommen reduziert werden


Ein erster bedeutender Schritt ist einmal getan. Nun wird es darauf ankommen, dass dieser Beschluss auch eine entsprechende Umsetzung erfährt. Die realistische Chance zum Einstieg in eine umfassende Besteuerung von Vermögen und Vermögensübergängen in diesem Land besteht. Begleitend zu den Verhandlungen rund um den parlamentarischen Abstimmungsprozess wird es solidarische Unterstützung und Druck von außen wie von innen auf alle Verhandlungsparteien brauchen, damit es tatsächlich zu mehr Steuergerechtigkeit kommt.


GewerkschafterInnen – auch im Parlament – gefragt

In die Pflicht zu nehmen sind aber insbesondere auch die (SP-)GewerkschafterInnen im Parlament. In vielen Länderarbeiterkammern und in der Bundesarbeiterkammer wurde ein AUGE/UG-Antrag, den Nationalratsabgeordneten zu „empfehlen“, ihre Zustimmung zum ESM an einen Einstieg in eine umfassende Vermögensbesteuerung zu knüpfen, angenommen. Die GPA-djp fordert dies ebenso in einer Bundesvorstandsresolution. GewerkschafterInnen im Parlament „bekommen“ nun einmal mehr die Gelegenheit zu zeigen, was ihnen nun wichtiger ist, wem sie im Wort sind: Parteiräson oder Gewerkschafts- bzw. AK-Beschlüsse. Mit dem „grünen“ Bekenntnis zu einer Bindung der Zustimmung zum ESM an Vermögenssteuern in Österreich hätten nun die GewerkschafterInnen in „rot“ einen entsprechenden Anknüpfungspunkt. Und die Mauern der Mehr-Gerechtigkeit-Verhinderungspartei ÖVP sind inzwischen auch im Wanken. „Taten statt Worte“ wurden in diesem BLOG schon einmal im Zusammenhang mit ESM und Vermögenssteuern gefordert. Die Grünen haben nun „Worten“ doch noch eine erste „Tat“- einen Bundeskongress-Beschluss folgen lassen. „Taten statt Worte“ gilt in diesem Sinne auch für die GewerkschafterInnen im Parlament.

2 Kommentare

  1. bernhard redl sagt:

    sorry, markus, aber buko-beschlüsse sind sowas von powidl in der realen politik. ich glaub dem grünen parlamentsklub erst etwas, wenn er im parlament nägel mit köpfen gemacht hat.
    oder gibt es bei den grünen neuerdings ein imperatives mandat? warat ma neu…

  2. Markus Koza sagt:

    lieber bernhard! ich glaubs auch erst, wenn nägel mit köpfen gemacht werden. dennoch ist mir ein Antrag, mit dem entsprechend druck gemacht werden kann und der mit den stimmen der nr-abgeordneten beschlossen wurde lieber, als gar nix. der beschluss ist das eine, was draus gemacht wird das andere. da gib ich dir vollkommen recht. allerdings ueberschlagen sich derzeit ohnehin die ereignisse und keiner weiss mehr, was da wirklich noch kommen mag …
    lg markus

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